Wandle träumend jeder für sich

Bild von Joachim Ringelnatz
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Meisters Violinenklänge
Führten mich aus der stieren Menge
Hoch in himmlische Fernen empor.
Wo sich im rosigen Wolkengehänge
Jeder menschliche Odem verlor,
Grüßten mich Engel im lachenden Chor.
Und auf weißem Schwanengefieder,
Weich gebettet, fand ich mich wieder,
Dort, wo die Träumenden glücklich sind.
Köstlichen Weihrauch, Lorbeer und Flieder,
Labend, lobend, liebend und lind,
Brachte in duftigen Wogen der Wind.
Und mein Mädchen, als ich erwachte,
Frug mich verwundert, woran ich dachte,
Daß mir so ganz ihre Nähe entwich.
Doch ich küßte ihr Mündchen und lachte
Und ich log: „Ich dachte an Dich.“

Wandle träumend jeder für sich.

Veröffentlicht / Quelle: 
Gedichte. Hans Sachs-Verlag Schmidt-Bertsch & Haist, 1910, Seite 9

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