Neues vom Meister A. (24)

Bild von ego
Bibliothek

Meister A. wird vom Läuten des Telefons aufgeschreckt. „Was ist denn jetzt schon wieder los?“, murmelt er leicht verärgert vor sich hin. Er hebt ab, ein alter Freund ist am Apparat, dieser wirkt sehr aufgeregt: „Stell' dir vor, was mir vor drei Tagen passiert ist – also echt, mir reicht 's. Ich finde so etwas einfach ungehörig und geschmacklos – also ich muss ...“
Meister A. unterbricht, er versucht, beruhigend zu wirken: „Mein Lieber, jetzt mal ganz langsam. Ich verstehe ja gar nicht, worum es geht. Vor drei Tagen, da war doch dein 71. Geburtstag. Als ich dich angerufen hatte, war doch alles so weit in Ordnung?“
„Da schon noch, aber kurz darauf erhielt ich ein Päckchen. Ich schaute neugierig auf den Absender: Es kam von dem Bestattungsinstitut, dessen Dienste ich anlässlich des Ablebens meiner Mutter vor circa einem Jahre in Anspruch genommen hatte. Da dachte ich mir, dass die Firma mit allen möglichen Daten auch mein Geburtsdatum festgehalten hätte und mir deshalb gratulieren wollte. Ich öffnete also voller Ungeduld das Päckchen und fand ein auf einem Glasbilde aufgedrucktes Kreuz und eine Kerze vor. Irgendwie war ich von diesem Geburtstagspräsent unangenehm berührt. Erst als ich die beigelegten Zeilen gelesen hatte, wurde mir klar, dass mich das Geschenk rein zufällig an meinem Geburtstage erreicht hatte – also dafür gar nicht gedacht war – es sollte an den Todestag meiner Mutter erinnern. Es ist nur so, dass ich dazu durchaus keine Auffrischung meiner Erinnerung benötige. Meine Träume, Gedanken … belasten mich genug! Ja, und dann noch, stell' dir vor, lag zusätzliches ausführliches Prospektmaterial über sämtliche mögliche Angebote und Leistungen der Bestattungsfirma bei. Also beim besten Willen, ich finde diese Art der Werbung aufdringlich und höchst unsensibel!“
„Einerseits kann ich dich verstehen“, meint Meister A., „aber andererseits ist ein Bestattungsunternehmen auch nur eine Firma, welche versucht, Marktanteile zu gewinnen. Warum sollte diese keine Werbung machen dürfen, warum sollte dieser versagt bleiben, was bei anderen gang und gäbe ist? Also ärgere dich nicht weiter, unternehmen kannst du dagegen ohnedies nichts!“
„Ich habe aber dagegen etwas unternommen!“, ruft der Freund dazwischen, „ich habe mich schriftlich dumm gestellt und an die Bestattungsfirma Folgendes geschrieben:

Haselbach, den 09.03.2019

Ihre Nachricht / Ihr Geschenk vom 07.03.2019

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich möchte es nicht versäumen, Ihnen ganz herzlich für Ihr sinniges und einfühlsames Geschenk anlässlich meines 71. Geburtstages zu danken. Das ausführliche Prospektmaterial war mir an meinem Ehrentage eine wertvolle und geschätzte – zudem sehr beruhigende – Lektüre.
Leider obliegt es mir, Ihnen mitzuteilen, dass sich meine wesentlichen körperlichen Funktionen noch in grünen Bereichen befinden. Gewisse, altersbedingte Einschränkungen gebe ich allerdings ungern zu (somit seien Sie Ihrer Hoffnungen nicht gänzlich beraubt!). Ich bitte Sie, es mir nicht zu verübeln, dass ich versuche, gesund zu leben.
Aus Gesagtem geht hervor, dass ich Sie noch um geduldiges Ausharren bitten muss, ehe Sie meiner irdischen Hülle und somit meinen Hinterbliebenen Ihre fundierten, in den Prospektmaterialien deutlichst dargelegten Dienste angedeihen lassen können.
Der Fairnis halber möchte ich klarstellen, dass ich Geschenke zu meinen künftigen Geburtstagen zwar gerne annehmen werde, mich dadurch aber nicht dazu bewegen lasse, meine Lebensweise dergestalt zu ändern, dass dadurch die Wartezeit auf Ihren Einsatz möglicherweise verkürzt werden könnte.

Es rechnet kaum mit Ihrem generösen Verständnis
Ihr ergebener N.N.“

Meister A. - wer kann das sein? Hinter „Meister A.“ könnte ich mich verbergen – unter dem abgekürzten Pseudonym von „Meister Alfred“. Es könnte aber auch „Meister Allgemein“ gemeint sein, also jeder, jede, jedes ... also „alle“ oder „niemand Besonderer“. Jedenfalls soll es hier – möglicherweise um eine Folge? - von kleinen Episoden, Anekdoten, Denkanstößen, Lebensweisheiten … gehen, stets zumindest mit einem wahren Kern, immer mit dem gleichen Titel, aber „fein säuberlich durchnummerieret“. (Nr. 24 entfleuchte am 20.03.2019 meiner Feder.)

Interne Verweise

Kommentare

26. Mär 2020

Lieber Meister A.,
auch die 24 ein Geschenk wie zur Weihnacht.
LG Uwe

28. Mär 2020

Lieber Uwe,

auch eine so wohlwollende Bemerkung ist "ein Geschenk wie zur Weihnacht" für mich! (Wenn für uns also sogar unabhängig vom offiziellen Zeitpunkte noch "Weihnachten" sein kann, wenn es uns quasi gelungen ist, "Weihnachtliches" in den Alltag herüberzuretten, dann müssen wir doch den tieferen Sinn des Festes verinnerlicht haben - nicht wahr?!)
Es dankt Dir, grüßt Dich und wünscht eine gute Nacht
der Alfred.

28. Mär 2020

Lieber Alfred, ein guter Gedanke, ähnlich, wie ihn Charles Dickens in seinem "Weihnachtslied in Prosa" weitergeben wollte.
LG dir Uwe

26. Mär 2020

Nachdem Krause den Briefträger gebissen hat,
Findet eine Postzustellung hier nicht mehr statt ...

LG Axel

28. Mär 2020

Es liegt ein Maulkorb hier vor mir,
zu groß wohl für mein Hundetier.
Ich könnt' ihn Dir gern' überlassen,
denn der Frau Krause müsst' er passen!

Beste Grüße vom Alfred!

26. Mär 2020

Sehr gern gelesen !
HG Olaf

28. Mär 2020

Solch' Nachricht mich sehr glücklich macht!
Ich wünsch' Euch eine gute Nacht
und lad' Euch gerne wieder ein,
bei spät'ren Texten Gast zu sein!

Liebe Grüße vom Alfred!

27. Mär 2020

Lange soll er leben!

Lieben Gruß, Monika

28. Mär 2020

Liebe Monika,

die guten Wünsche kamen an,
d'rum müh' ich mich, so gut ich kann,
nur Bestes Dir zu retournieren ...
- zumindest will ich dies probieren! -

Eine gute Nacht wünscht Dir der Alfred!