"In deinen Armen lebt es sich leichter", flüsterte sie und kuschelte sich bequem an seine Brust.
Er sagte nichts.
Er schaute über ihren Kopf hinweg, wiegte sie sanft und dachte dabei: "Und wie oft wird dadurch mein Leben mehr als doppelt so schwer?"
Als das erwartete schlechte Gewissen kam, drückte er sie fest und küsste ihr Haar. Sie lachte kokett und berührte seine Nasenspitze mit den Lippen. Seinen geschlossenen Augen erklärte sie zärtlich: "Ich fühle mich wohl bei dir!"
"Genau das ist ja das Problem", dachte er. Mit der Wölbung seiner Hand zwang er ihren Kopf sanft, aber mit Nachdruck, wieder an seine Schulter, um diesem Blick zu entgehen, diesem strahlenden, aufrichtigen, ergebenen Blick. Wenn er ihr jetzt sagte, um wie vieles lieber er alleine leben würde - ohne sie oder irgend jemanden, ohne diese ständigen gefühlsmäßigen Verstrickungen - entzöge er ihr den Boden unter den Füßen.
Sie bedeckte seinen Hals mit lauter kleinen Küssen. Er streichelte mit immer gleicher Bewegung ihr Haar.
Vielleicht morgen, vielleicht nächste Woche. Dauerte sein Kalvarienberg eben etwas länger.
Er atmete tief durch, seine Lippen suchten rau und ungeschickt ihren Mund.
noé/1994/p2