Lichterglanz aus dem Universum - Page 3

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vor.
Ich war wie betrunken vom kosmischen Tranke..
und glücklich - weil hier ich nicht fror.

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2018 - Sirius, der hellste Stern der Milchstraße
Im Juni 2018 bekam ich eine interessante Mail. Ein Herr Emil Khalisi suchte im Internet eine Übersetzung des Gedichts "Vintergatan" (Die Milchstraße) des finnlandschwedischen Dichters Zacharias Topelius. Er fand sie bei mir, ich hatte es ein Jahr vorher bei literatpro.de eingestellt.
Dr. Khalisi, ein Astrophysiker, brauchte es für seinen neuen, wissenschaftlichen Roman "Tishtrya - Portrait des hellsten Sterns" und fragte, ob er es für sein Buch verwenden dürfte. Ich fühlte mich geehrt.
Aber auch ein bisschen dumm - Sirius ist der hellste Stern der Milchstraße, und ich hatte ihn noch nicht gesehen. Es liegt wohl auch daran, dass er nicht immer zu sehen ist, und wenn, dann nahe dem Horizont.
Dass Herr Khalisi die Übersetzung suchte liegt daran, dass Topelius den Sirius in seinem Gedicht erwähnt, ohne den Namen zu nennen. Darüber wurden schon seit mehr als dreitausend Jahren Mutmaßungen angestellt. Sirius hat in den Himmelsgeschichten vieler Kulturen eine wichtige Rolle gespielt. Im alten Ägypten z. B. sah man in ihm die Göttin Isis. Man schrieb ihm die Macht zu, für die jährlichen Überflutungen des Nils zu sorgen. Solche Geschichten wollte Khalisi in seinem Buch einstreuen. Aber davon abgesehen ist dieses Topelius-Gedicht hauptsächlich ein außergewöhnliches Liebesgedicht.
Im Jahr nach unserem Zusammentreffen sah ich Sirius so unglaublich groß und hell, dass es mir unwirklich erschien.
Als das Buch ein halbes Jahr später in den Handel kam, schickte mir Herr Khalisi dieses. Ich las es zweimal mit großem Interesse. Seine Geschichte - es ist nur zum Teil ein wissenschaftliches Buch - ist so raffiniert geschrieben, dass man nicht so ohne weiteres alles versteht. Es schließt mit einem Rätsel, an dem ich noch immer arbeite.
Das Buch beginnt mit den Worten: "Als ich zehn Jahre alt war, nahm mein Vater mich zur örtlichen Sternwarte mit. Dieser Besuch sollte meinen Lebensweg entscheidend prägen." Etwas später wurde er bekannt mit einem jungen aber begabten Astrophysiker (Owen), der dem Jungen mit auf "Streifzüge durch die Nacht" nahm.
Dieses Buch ist keine Biografie. Aber dennoch will ich daran glauben, dass dieser kleine Junge in Wirklichkeit Emil Khalisi heißt. Und weil in einem dieser Streifzüge am Buchanfang ein schöner, lyrischer Text zwei Seiten hell erstrahlen lassen, gebe ich ihn hier wieder:

Unser Beobachtungsplatz befand sich auf einer ausgedehnten Lichtung im Wald nordöstlich der Stadt. Ich erinnerte mich, wie wir (der Junge und Owen) damals einen großartigen Anblick in die Tiefen des Weltraums bewunderten. Über uns breitete sich ein fulminantes Himmelsdach aus. Solche Eindrücke waren heutzutage selten. Die Naturschönheit eines vom Myriaden von Glitzerpunkten bestückten Firmaments war den meisten Stadtbewohnern kaum noch bewusst. Viele hatten es sich in ihren Häusern bequem gemacht und verbrachten den größten Teil ihrer Lebenszeit unter einer kunstlichen Beleuchtung. Die Flimmerkiste übertrug allabendlich die Geheimnisse rund um den Erdglobus direkt ins Wohnzimmer. Auf den Farbfotos der Raumsonden sowie der Chilenischen Großteleskope, die in den Büchern abgedruckt wurden, sahen die vielen Prunkstücke des Alls exzellent aus. Den Lesern präsentierte sich ein möglichst harmonisches Abbild der Sternkulisse mit kontrastverstärkten Nahaufnahmen. Die meisten Menschen merkten dabei nicht, dass das Original direkt vor ihren Augen die wahre Kunst arrangierte. Der Sternenhimmel wirkte ewig. Nichts konnte an jene Ästhetik heranreichen, wenn sich ein prachtvoller Sternenhimmel über dem eigenen Haupt wölbte. Die Faszination lag in der Schwierigkeit, die Himmelsobjekte selbst zu empfinden, zu erleben, zu inhalieren. Das an die Dunkelheit adaptierte Auge wurde belohnt durch die verführerischen Reize, die die Natur kostenlos als Beigabe bot. Der Duft der feuchten Erde unter den Füßen entfaltete sich in der Nase und erfrischte den Intellekt. Wenn dazu das Laub der Bäume synchron im Wind raschelte, stimmte es die Symphonie von fernen Welten an. Das Schweigen paarte sich mit dem Zirpen der kleinen, unsichtbaren Waldbewohner. Die Stille der Natur war die Musik der Natur. Die scheinbaren fragilen Sternlichter in der Etage über uns durchbrachen die Schwärze, als wäre jedes von ihnen eine Sekunde der Zeitlosigkeit. Die kalte Brise eines vorbeistreichenden Luftstroms streichelte die Wangen, während die Lunge das Parfüm des Abenteuers einatmete. Der Blick wickelte den vermeintlich unendlichen Raum über viele Lichtjahre auf und registrierte feinste Nuancen in der Finsternis. Der Zauber einer Vorahnung durchströmte die Vernunft, als wäre der Gedanke ein Wassertropfen, der sich im Meer der Weisheit verlor. Der Traum erfüllte die Gegenwart. Das Reich der Weltenharmonie ergriff Besitz von den Sinnen. Den Kopf in den Nacken gelegt, schaute man auf die friedlichen Perlen, die den eigenen Puls überdauerten. Die filigranen Zweige der Milchstraße hoben sich nur sanft gegen die eigene Fantasie ab. Die Plejadenschwestern zogen die Aufmerksamkeit auf sich und flüsterten dem Betrachter Geheimnisse über weitere Schätze hinter den weiß verschleierten Flocken zu. Ein Spektakel bahnte sich an, als Orion, der Himmelsjäger, selbstbewusst und mit erhobener Keule in das zürnende Auge des Stiers blickte. An seiner Schulter prangte die rötliche Nadel wie eine Medaille, die er sich auf den nächtlichen Streifzügen für seine Tapferkeit verdient hatte. Am Gürtel hing schemenhaft das Schwert, in welchem sich heute diffuse Gasnebel tarnten, aber in künftigen Äonen neue Landschaften für exotische Kreaturen bereitstellen würden. Es würden Welten sein, die gänzlich anders aussähen als die unsrige. Wenn der Geist das Tor zur Freiheit betrat, erkannte schließlich der Entdecker der Ewigkeit, um wieviel grandioser das Universum im Vergleich zur menschlichen Zivilisation tatsächlich war. Anstatt die selbstangelegten Ketten zu sprengen, beschäftigten sich viele von uns mit den Öffnungszeiten eines Supermarkts. Mit der Arroganz des Selbstverständlichen platzierte sich die Gattung Mensch zusammen mit ihren kleinkarierten Bedürfnissen über die Struktur eines uferlos erscheinenden Kosmos.

*
Als Junge durfte er erleben,
des Nachts im Wald mit Gleichgesinnten,
wie Sternenlichter Freude geben
und Mensch und All zusammenfinden.
Er sah den hellen Sirius,
den klarsten aller Sterne,
wie still er zog am Horizont,
so nah - in weiter Ferne.
Der Bub stumm konnte sich erfreuen,
den Doppelstern zu sehn
und denkt: ich würde mich nicht scheuen,
ganz nah bei ihm zu stehn.
Als Mann nun schreibt er, ein Studierter,
in Büchern wie das Weltall tickt.
Beim Lesen in die Welt uns führt er,
die schon als Bub ihn hat beglückt.

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In den Jahren ab 1978 bis 2020
An unserem Rückzugsort an

© Willi Grigor, 2021

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Interne Verweise

Kommentare

13. Aug 2021

Welt-Raumpflegerin Frau Krause
Las mit - Bier-statt-Kaffee-Pause ...

LG Axel

13. Aug 2021

Verständlich, dass Frau Krause säuft,
grad jetzt, da vieles anders läuft.

LG
Willi

15. Aug 2021

'nen Grund zum Saufen hat die IMMER -
Dafür putzt sie hier nie die Zimmer ...

LG Axel

28. Aug 2021

SEHR lesenswert!!! BITTE, schreib mir, wie Du das handhabst mit dem "dennoch" Einstellen, lieber Willi!

(feldmarie_1932@aol.com)

herzliche Grüße - Marie

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