Das dunkle Bild

Bild zeigt Joachim Ringelnatz
von Joachim Ringelnatz

Ein Bild geschwärzt durch Rauch und Zeit.
Die meisten wohl verstanden es nicht:
Ein Tannenwald vereist und verschneit.
Aus fernem Dunkel schimmert ein Licht.

Mir kommt ein heiß Verlangen
Dem Lichtschein nachzugehen
Um dann mit erglühenden Wangen
Still durchs Fenster zu sehen.

Ein Freundeskreis zu später Stund
Umglüht von dämmerndem Ampelschein
Und blonde Frauen in diesem Bund.
Lachende Jugend bei goldenem Wein.

Und bärtige Männer geigen
Lieder aus fremden Ländern.
Süß lockt aus buntem Reigen
Das Rauschen von Gewändern.

Taufrische Blüten duften mild
Und sprühen in Farben wie Geschmeid
Und Augen erzählen trunken wild
Von Liebe, Treue und tiefem Leid.

In Farb und Klang verweben
Sich Bilder, zerfließen, zerschäumen,
Bilder aus meinem Leben,
Bilder aus meinen Träumen.

Veröffentlicht / Quelle: 
Gedichte. Hans Sachs-Verlag Schmidt-Bertsch & Haist, 1910, Seite 14
Gedichtform: 
Thema / Schlagwort: