Die Eier

Bild von Olga Drocjuk
Bibliothek

Das ist keine Ostergeschichte mit den Eiern ... das ist eine bescheuerte Adrenalin-Geschichte ... einfach lesen ... oder nicht ... Entschuldigt ...

DIE EIER

– Darf ich rein?

– Wie hast du mich gefunden?

– Mit meinen Augen.

– Was hast du mir mitgebracht?

– Die Schachtel ... mit Eiern.

– Sind sie alle immer noch ganz?

– Ja.

– Warum hast du sie nicht weggeworfen?

– Ich trage sie mein ganzes Leben lang. Ich wollte, dass kein einziges von ihnen kaputtgeht.

– Warst du verheiratet? Hast du Kinder?

– Ja.

– Warst du glücklich?

– Ich habe es vergessen.

– Vergessen ...? Warum bist du gestorben?

– Weil ich alt geworden war.

– Wie hast du gelebt? Wie oft hast du die Wahrheit gesagt?

– Immer.

– Hast du auch gelogen?

– Ja, auch.

– Was hast du in deinem Leben am besten geschafft?

– Mich.

– Als ich damals ging, habe ich dich auf dem Schnee, ausgepeitscht vom Schicksal, liegen gesehen. Ich habe dem Todesengel verboten, dich mitzunehmen.

– Warum hast du das gemacht? Ich wollte doch zu dir! Ich wollte nicht aus diesem herrlichen Lichtwirbel heraus. In diese fürchterliche weiße Kälte zurück, zur diesem Auto, zu den Scherben, die die ganze Welt mit einem kurzen Kopfschlag durch die Frontscheibe endgültig zersplittert hat in die Billionen einsamen Vergangenheiten. Wo der Anfang schon das Ende war und das Atmen der Brust unglaubliche Schmerzen bereitete. Der Schmerz, der den weißen Schnee unschuldig rot gefärbt hatte. Und wo die Schneeflocken sich von einem Knall von zwei zusammengeprallten Autos erschrocken haben und vergeblich versucht haben, all diese schreckliche Unordnung mit ihren zarten Kristallen zu verdecken, ihn zu verstecken. Erstarrt fielen diese Eiskristalle auf mich, bedeckten weit herum um das Auto zerstreute rote Tomaten, gelbe Orangen, deinen Geburtstagskuchen, der, mit viel Schokolade. Sie legten sich beschützend zur einem weichen Tepich, um den Schmerz zu verdecken. In dieser Welt, wo alles kaputt war. Alles. Du. Ich. Nur die Eier nicht ... die sind ganz geblieben ...

– Verzeih.

– Als du gingst, blieb in der Welt nur die Dunkelheit.

– Ich habe jeden Abend für dich die Sterne angezündet.

– Und ich die Kerzen.

– Deine Freunde werden dich vermissen.

– In meinen Gedichten nicht.

– Hast du an mich gedacht?

– Jeden Tag.

– Hast du mich vermisst?

– Jede Minute.

– Hast du mich geliebt?

– Darf ich endlich rein?

Interne Verweise

Kommentare

10. Mär 2018

Wenn Worte sich zu Leben formen,
Dann sprengt ein Text zu Recht die Normen!

LG Axel

10. Mär 2018

Ungewöhnlich - eindrücklich.

LG Marie

11. Mär 2018

Gefällt mir sehr und spricht mich an.

Liebe Grüße
Soléa