Tee´chen in der Nacht

Bild zeigt Tilly Boesche-Zacharow
von Tilly Boesche-Zacharow

Was hat es mir nun eingebracht,
das Getig´re in der Nacht?
Ich wusste ja, woran es lag:
Es war der Frust vom letzten Tag,
der mich nicht Ruhe finden ließ
und mich in die Verzweiflung stieß.

Hin und her schleppt´ ich den Jammer,
Klage schallte durch die Kammer,
und man konnte wähnen,
ich ertränk in meinen Tränen.
Über welche Hintertreppen
sollt ich meinen Fuß noch schleppen?

Den Einz´gen, der mich würd erlaben,
hat man mir lange schon begraben.
Und so laut ich nach ihm schrie,
gekommen ist er dennoch nie.
Was soll auch alles Rufen frommen?
Mein Sohn wird niemals wiederkommen!

Doch was ist das? Ich hör ein Schnackeln,
unter mir die Stühle wackeln.
Rings um mich schwirrt Saus und Braus,
als wär ein lieber Gast im Haus.
Und ich zwinge mich zum Lachen,
weil liebe Gäste Freude machen.

Es ist fast wie in alten Tagen,
ich höre meinen Avi sagen:
„Schwamm oft her wie´n Schiff zum Hafen,
fand meine Ima immer schlafen.
Doch heute ist es mir gelungen,
bin zu ihr nun durchgedrungen.

Verzeih mir Ima, dass – nicht fein –
ein paar Sorgen ich setzt´ ein,
die, gleich ungezog´nen Kindern,
dich am Schlafen sollten hindern.“
Und ich hör bekannte Frage: „Mächen,
was ist dir lieber? Schwatz oder Tee-chen?“

Wir sprachen, haben auch getrunken,
bin dann in tiefem Schlaf versunken.
Ganz früh ein Postmann zu mir segelt
mit Neubescheid „Alles geregelt!“
Doch auf dem Tisch konnt ich noch sehn,
zwei Tassen Tee – benutzt – dort stehn.

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