Anne Frank: am 12. Juni hätte sie ihren 88. Geburtstag

10. Juni 2017

88 Jahre ist ein durchaus erreichbares Alter, in dem Anne Frank heute sein könnte. Ihre Geschichte ist auch aus diesem Grund keine, die uns nicht persönlich berühren darf.

von Literat Pro
Stolpersteine für Anne Frank, ihre Schwester und die Eltern
Stolpersteine für Anne Frank, ihre Schwester und die Eltern
Christian Michelides / CC-BY-SA 4.0

Es war ein Denunziant, der den Mitarbeitern des deutschen Sicherheitsdienstes den Hinweis gab, dass sich in der Prisengracht 263 in Amsterdam Juden verstecken würden. Heute gibt es zwar einige Verdächtige, jedoch (noch immer) keine Beweise. Unter den untergetauchten Juden war auch Anne Frank, die am 12. Juni ihren 88. Geburtstag feiern würde.

Man weiß nicht, wann der Anruf beim deutschen Sicherheitsdienst eingegangen ist. Vermutlich wurden die Juden in der Früh des 4. August 1944 verraten. Die Deutschen haben schnell reagiert - schon um 10 Uhr kamen drei niederländische Polizisten und ein SS-Offizier zu der besagten Adresse und durchsuchten das Haus. Otto, Anne Franks Vater, erinnerte sich, dass die Stuften krachten, als die Polizisten und der SS-Offizier die Treppen hochgelaufen sind. "Die Tür ging auf und ein Mann stand vor mir, der mir seine Pistole vor die Brust hielt", so Frank. Bei dem Mann handelte es sich um Karl Joseph Silberbauer, dem SS-Oberscharführer. Silberbauer, der zwei Jahrzehnte später als Polizist in Wien tätig war, wusste nicht, wer den Sicherheitsdienst kontaktiert hat. Der Anruf wurde von Julius Dettmann, dem damaligen Chef der Außenstelle, entgegengenommen. Silberbauer erhielt in weiterer Folge den Befehl, dass er das Haus durchsuchen und die Juden verhaften soll. Das Gerücht, dass Dettmann von einer Frau angerufen wurde, hält sich noch bis heute. Jedoch gibt es keinen Beweis. Auch heute ist nicht sicher, wer die Juden, die in dem Haus versteckt waren, verraten hat. Schlussendlich haben viele gewusst, dass sich in der Prisengracht einige Menschen versteckt haben. Unter ihnen befand sich die Familie Frank (Mutter Edith, Vater Otto und die Töchter Anne und Margot), das Ehepaar Auguste und Hermann van Pels mit Sohn Peter und Fritz Pfeffer. Es waren einige Helfer und Lieferanten notwendig, dass die Untergetauchten versorgt werden konnten - somit gab es auch zahlreiche Menschen, die von ihnen gewusst haben.

Kam der Anruf von Van Maaren?

"Noch immer haben wir Angst vor den Lagerarbeitern", so eine Ziel in Anne Franks Tagebuch, datiert vom 4. März 1943. Das "Tagebuch der Anne Frank", ein Literatur-Klassiker, wird noch heute - Jahrzehnte nach den Gräueltaten der Nationalsozialisten - von den Schulkindern gelesen. Somit ist es keine Überraschung, dass in den letzten Jahren immer wieder neue Theorien entstanden, wer die Juden wirklich verraten hat. Heute gibt es einige Theorien und drei Verdächtige. Der Hauptverdächtige ist Willem van Maaren, ein Lagerarbeiter. Er wurde unter anderem des Diebstahls verdächtig - keiner der Helfer hielt ihn für vertrauenswürdig. Jedoch war er nicht eingeweiht - die vier Helfer, die im Büro waren, wussten jedoch von den versteckten Juden. Miep Gies, die das Tagebuch von Anne Frank gefunden über aufgehoben hat, übergab das Buch Otto Frank, nachdem dieser aus dem KZ befreit wurde. Gies hatte Van Maaren im Verdacht, die Juden verraten zu haben. Die ersten Ermittlungen wurden im Jahr 1948 aufgenommen. Der Lagerarbeiter wurde vernommen - auch Hartog, sein Kollege, wurde von den Ermittlern vernommen. Dabei sagte Hartog, Van Maaren erzählte ihm 14 Tage vor der Razzia, dass in dem Haus Juden wohnen würden. Jedoch gab es keine weiteren Beweise - die Ermittler schlossen das Verfahren ab. 1963 wurden die Ermittlungen neuerlich aufgenommen - alle Zeugen, die noch lebten, wurden vernommen. Das Verfahren wurde abermals eingestellt. Van Maaren starb im Jahr 1971.

War Lena Hartog-van Bladeren die Anruferin?

Im Jahr 1998 veröffentlichte Melissa Müller ihre Biographie "Das Mädchen Anne Frank". In der Biographie findet sich eine neue Theorie - Müller ist der Meinung, Lena Hartog-van Bladeren, die Gattin des Lagerarbeiters Hartog, hätte die Juden verraten. Lena Hartog-van Bladeren war als Putzfrau im Haus beschäftigt - ihre Tätigkeit verschwieg sie bei ihrer Anhörung im Jahr 1948. Schon im Juli 1944 sorgte sie sich um die Sicherheit ihres Gatten, weil dieser einigen Juden Unterschlupf gewährte. So soll Frau Hartog einem anderen Zeugen gesagt haben, sie würden alle in Lebensgefahr seien, wenn die "Nazis die Juden entdecken". Jedoch gibt es keine Beweise. 2002 wurde ein neuer Verdächtiger gefunden. Carol Ann Lee, eine englische Forscherin, sei der Meinung, Tonny Ahlers hätte die Juden verraten. Annes Vater hatte einen Brief an einen Bekannten verfasst, der von Tonny Ahlers abgefangen wurde - dieser erpresste Frank in weiterer Folge. So war in dem Brief zu lesen, dass Frank Bedenken hatte und nicht glaubte, dass der deutsche Sieg selbstverständlich sei. Folgt man der Theorie der englischen Forscherin, so bezahlte Anne Franks Vater Schweigegeld. Nach dem Krieg behauptete Ahlers, dass er gewusst hätte, dass sich in dem Haus Juden versteckten.

Viele Theorien - keine Beweise

Es gibt zwar drei Hauptverdächtige, jedoch keine stichhaltigen Beweise. Natürlich gab es auch einige Nebenverdächtige - so Martin Sleegers, der Nachtwächter. Auch hier gibt es keinerlei Beweise. Auch die Ermittlungen des Niederländischen Instituts für Kriegsdokumentation führten nicht zum Erfolg. "Wir müssen festhalten, was wir seit dem Jahr 1986 wissen - der Tathergang lässt sich nicht rekonstruieren". Auch heute, in dem Jahr, in dem Anne Frank 88 Jahre alt geworden wäre, gibt es keine neuen Erkenntnisse. Am Ende bleibt ein Buch mit dem Titel "Das Tagebuch der Anne Frank" zurück.

Kommentare

10. Jun 2017

Durch diesen gemeinen Verrat (denn jedem muss klar gewesen sein, was mit den Denunzierten geschehen würde) sind wir um all die Bücher betrogen, die Anne Frank mit Sicherheit noch geschrieben hätte. Erschütternd auch: Ein Sprichwort von Anne lautet: "Wie herrlich ist es, dass niemand eine Minute zu warten braucht, um damit zu beginnen, die Welt langsam zu verändern." Es hat lange, zu lange gedauert, bis eine andere (Welt)macht begonnen hat, sich einzumischen, um die Welt zu verändern. Für Anne und ihre Familie war es leider zu spät. Sie haben umsonst darauf gewartet, dass sich Massen getraut hätten, vereint die Welt zu verändern - anders als mit Massen wäre den Nazis ja nicht beizukommen gewesen, wenn überhaupt.

LG Annelie