Streifzug durch Lagos 4

Bild zeigt Monika Jarju
von Monika Jarju

Erst zwei Jahre später, ich bin wieder in Lagos, bemerke ich die Veränderung. Das Haus beherbergt nun eine Gedenkausstellung. Der Raum liegt im Halbdunkel, die Auslagen in den Vitrinen ziehen meinen Blick an. Ich betrachte Silbermünzen, schwarze Münzen, in Steinen steckend, mit denen sich Sklaven freikauften. 1944, lese ich, legte das erste Schiff aus Guinee mit 230 Sklaven an Bord im Fort von Lagos an. Es waren Männer, Frauen und Kinder im erbarmungswürdigen Zustand, weinend, verzweifelt, fassungslos. Unter ihnen Tote, die Überreste ihrer Körper wurden wie Hausmüll fortgeworfen. In einer Vitrine liegt ein zusammengekrümmtes Skelett, daneben Tonscherben, Ringstücke, Reste von Armbändern, Schmuckteile, afrikanische Holzfiguren geschmückt mit Glasperlen. Die Ausstellung ist ein Projekt, lese ich, der Beginn der Aufarbeitung eines düsteren Kapitels der Geschichte Portugals, dass als eines der letzten Länder erst 1974, infolge der Nelkenrevolution und der Amtsenthebung Salazars, seine Kolonien in die Unabhängigkeit entließ. Freundschaftliche Verbindungen bestehen nun zu allen ehemaligen Kolonien, ebenso zur ehemaligen Sklaveninsel Goreé vor Dakar.

Ich fühle mich nach Goreé (Senegal) versetzt, entsinne mich, wie mein Blick durch eine schmale Maueröffnung auf die unüberschaubare Weite des Atlantischen Ozeans fiel. Ich stand genau an der Stelle, wo Sklaven verladen und nach Amerika verschifft wurden. Mein Atem stockt bei der Vorstellung, in mir verstärkt sich das Grauen. Ich rühre mich nicht von der Stelle. Lange stehe ich so, bis ich wieder den Raum wahrnehme. Die wenigen Zeugnisse, Überbleibsel, Erklärungen an den Wänden sprechen als Auslassungen zu mir, zeigen Leerstellen auf im historischen Gedächtnis. Wie lebten Afrikaner in Portugal? Welche Arbeiten verrichteten sie? Und wie stehen die Portugiesen heute zu ihrer Vergangenheit? Der Raum ist leer, außer mir und der Frau, die am Eingang stumm den Fußboden wischt, ist niemand hier. Sie schaut zu Boden, wischt weiter, während ich erschüttert hinausgehe, an Afrikanern vorbei, die Taschen, Gürtel, Ketten, Glasperlen-Schmuck auf dem Boden ausbreiten. Mit finsteren Mienen warten sie auf Käufer.

(Fortsetzung folgt)

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