Warum es nicht ratsam ist, primitive Gedanken zu verteufeln

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von Alf Glocker

„Nieder mit der Phantasie und allen Lustgedanken!“, schreit mich lautlos jemand an, der überall ist, aber nirgends offiziell existiert. Das macht nichts, denn das gesamte, uns umgebende und „bewahrende“ Universum ist ja ebenfalls nichts als nur ein flüchtiger Gedanke – seine Entstehung beinhaltet gleichzeitig seine Vernichtung! Kaum ist es da, ist es auch schon wieder weg. Was sich zwischen „weg“ und „da“ befindet, kann man nur als eine Illusion bezeichnen, die zeitlich scheinbar messbar ist. Das heißt: Wir beobachten alles in seinem Ablauf … und schon wird aus dem beinahe Nichts eines aufblitzenden Gedankens ein Raum von mehreren Milliarden Jahren Inhalt! Es kommt nur auf den Standpunkt des Betrachters an.

Gedanken sind quasi wie Materieteilchen, die gleichzeitig ihr Antiteilchen sind, sie zerstören sich im Augenblick ihrer Entstehung – wodurch der Eindruck von Leben entsteht. Denn immer neue Gedanken müssen auftreten, damit dieser Eindruck keinen Schaden an sich selbst nimmt … die Unaufhörlichkeit der Schöpfung gebiert, durch Sein und Nichtsein zugleich, einen Traum, der vergleichsweise mit unendlich vielen Paralleluniversen beschrieben werden kann.

Wir müssen uns nur vorstellen, ein Gedanke allein wäre bereits unvergänglich, dann existieren auch unendlich viele davon zur gleichen Zeit. In „Wirklichkeit“ aber (die Wirklichkeit ist ein Zustand immerwährender Veränderung) ist nicht auf Dauer nachweisbar, was wirklich ist – man muss nur den zur Analyse zur Verfügung stehenden Zeitraum beliebig weit ausdehnen, dann kommt man von selbst immer wieder auf das Ergebnis 0, oder auch 1 … ganz wie man möchte.

Dem sogenannten „Praktischen Empfinden“ kommt das jedoch sehr entgegen, so unsinnig es auch klingen mag, denn der praktisch Empfindende zeichnet sich durch einen Mangel an variablem Vorstellungsvermögen aus und hält sich liebend gern an „Fakten“, mit deren Hilfe er sein Leben eindeutig bestimmen kann. Denn nur anhand von seinen Fakten fühlt er sich sicher. Er umgibt sich sozusagen mit einer Mauer aus Orientierungspunkten und das, obwohl er jeden Tag erfährt, daß er nichts festhalten kann. Das wäre geradezu lächerlich, wenn sich daraus nicht fatale Urteile ergäben!

Fatale Urteile entstehen zunächst einmal aus Maßeinheiten. Nein, nicht Kilogramm, oder Pfunde, nicht Stunden oder Sekunden, nicht Meter oder Kilometer, nicht Zahlen zwischen 0 und Wasweißich, sondern aus weltanschaulichen Überlebenskrücken, die im Gehirn durch ein Areal gekennzeichnet sind, mit dem der Mensch bemüht ist, sich selbst zu definieren – dort haust auch sein Gott! Es ist nicht der Gott der Gedankensprünge, der Schöpfungsanalysen, der Phantasien und der Vorstellungskräfte … es ist der Gott der Urangst, daß Leben sinnlos sein könnte.

Wir müssen uns eben ganz dringend erklären können, warum wir Kinder kriegen, warum wir uns verlieben und warum wir andere belächeln müssen, die uns nicht glauben, DASS unser Leben sinnvoll gestaltet ist … denn: Wir gestalten unser Leben innerhalb fester Annahmen, die wir – immer mit den Mitteln der jeweiligen Gegenwart – erklären können, nein, müssen! Wir brauchen dieses Verständnis von uns selbst, dieses Wissen um ein Wissen, von dem wir annehmen, daß es fundiert sei.

Das ist ungefähr so, als würde sich Gott die momentane Existenz durch ihre Vergänglichkeit erklären. Zunächst klingt das vielleicht witzig, das ist es aber nicht. Denn für die meisten Menschen ist Gott nicht verhandelbar, weil sie sonst auch nicht mehr an sich selbst glauben könnten. Einen Menschen kann man zu allem verführen, für alles bestechen … nur zu einem nicht: daß er auf einmal behauptet, nicht mehr am Leben zu sein, Eines weiß der Mensch nämlich ganz genau: Daß er nicht sterben möchte – außer er ist krank oder nicht mehr recht bei Trost!

Und genau deshalb lässt er sich auch seinen Gott nicht ausreden und natürlich auch all die „Aufgaben“, die ihm sein Gott gestellt hat, damit er einmal in den „Himmel“ kommt. Wobei der „Himmel“ natürlich wieder ein Ort ist, der zu existieren hat – und sei er auch wissenschaftlich bis zur Unkenntlichkeit verbrämt, bis zu einem Nichts, das vor und nach unserer Existenz herrscht. Allein jedoch die Tatsache, daß sich jeder von uns einen „Betrachter“ nennen darf, beinhaltet schon die Absurdität, vor und nach uns sei nichts als nur das Nichts. Wären wir denn dann da? Ja und nein …

Zeit ist ein frei interpretierbarer Begriff, der seine Bedeutung im Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit verliert … und die wird ja bereits durch die Ausdehnung des Universums überschritten! Existiert sie also demnach wirklich, oder ist sie nur für Kontinuen gültig? Dem fest an sich (also Gott) Glaubenden kann das egal sein. Er hat seinen Frieden mit der Zeit längst gemacht, indem er sich über Banalitäten definiert. Und so führt sich alles ad absurdum, oder nicht: Gott und die Welt!

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