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Erst ist der Junge nur für die eine Nacht beim Mann. Dann für die nächste noch. Dann übers Wochenende. Weil er am Montag sein Geld vom Arbeitsamt kriegt. Dann für länger, bis Monatsende. Weil das Geld erst da überwiesen wird. Am Monatsende kommt vom Amt kein Geld. Dann werden Wochen daraus. Wenn es mal kommt, wird er dem Mann was zurückgeben, weil er ihn hat schlafen und wohnen, essen und trinken lassen, ihm die Zigaretten zahlt.
Der Mann sagt: „Na, muss nicht sein. Ich hab dich gern da als Gast. Ich muss nur wissen, dass es für eine bestimmte Zeit ist. Das ist eine Einzimmerwohnung, ich bin nur der Mieter.“
„Ich bleib nichts schuldig. Das mach ich nicht.“
Meistens teilen sie das Abwohnen der Wohnung unter sich auf. Der eine geht weg, der andere bleibt drinnen. Der Mann geht einkaufen, fährt nach Stuttgart. Oder er geht ins Kino, ins Theater, in den Reuenthaler Filmclub. Und wenn der Junge dann weggeht, sagt er jedes Mal, er geht spazieren. Angeblich hockt er Stunden im Brühlpark. Das ist weder der Schwulen-, noch der Drogenpark, einfach ein Park, ziemlich weit.
Freunde hat er keine, sagt der Junge, also kann er sich mit seinen Freunden nicht treffen.
Den Wohnungsschlüssel will der Mann nicht in den Händen des Jungen sehen. Da traut er ihm nicht. Zuerst sprechen sie es ab, dass der Mann abends zwar noch weg ist, der Junge aber kalkulieren kann, bis wann etwa, dann unten klingeln kann. Der Mann erzählt ihm, der andere Schlüssel wäre bei einem Typ, von dem er ihn nicht holen geht, da weiß man nicht, ob dieser Typ den Schlüssel hinterher noch mal nimmt, wenn er jetzt erinnert wird, dass er ihn ja hat.
In den Park zu den Schwulen will Timo nicht.
Eigentlich sind im Park die Leute, mit denen der Lehrer am meisten Umgang hat. Jetzt sieht er die nicht wegen Timo.
Es wird allmählich wärmer, die Nächte werden trocken und lau. Also geht der Mann jetzt abends raus; er nimmt den Schlüssel mit. Der Junge kann bleiben oder gehen. Er muss nur zwischen zehn und zwölf im Park sein, da ist der Mann zu der Zeit immer. Sonst halt klingeln bis eins. Ab dann macht der Mann nicht auf, sagt er.
Peter erzählt keinem, dass der Junge bei ihm ist.
Im Park lässt er den Jungen immer laufen und tun, als kenne er ihn nicht. Die Bekannten vom Jungen sind ältere Männer, die der Mann vom Sehen natürlich auch kennt.
Helmut war der Erste, der rauskriegt, dass er den Schlafgast hat. Helmut ist auch oft derjenige, der sieht, wie sie zusammen weggehen. Die anderen sind so lang nicht da.
Den Tag über bummelt der Mann in Stuttgart, er fährt zurück nach Reuenthal, geht nach Hause, trinkt Kaffee, isst ein Stück Kuchen. Dann, es fährt nichts mehr, geht er zum Park hinauf. Dort sitzen Helmut und Tobi auf einer Banklehne.
Der Mann hat bald spitz, dass Tobi jetzt auch weiß, dass Timo bei ihm pennen tut.
Sie sitzen zu dritt, rauchen und Timo ist irgendwo drüben und kommt später auch. Jetzt sind sie vier. Zwei von diesen Vier sind die Jüngsten vom Park. Wenn jetzt sonst noch was vorbeikommt, bleiben sie nach paar Schritten stehen und sie verharren in Beobachtung dieser Bank mit zwei Jungen und zwei Alten.
Timo erzählt, wie wahnsinnig viele Bücher der Mann besitzt. Tobi weiß das schon. Und der Mann kocht so saugutes Essen. Das ist für Tobi neu, für Helmut auch. Dann schimpfen die Jungen über den Heinz. Dieser Heinz ist der von Reiselfingen draußen, der, wo Timo in der letzten Zeit Unterschlupf gehabt hatte.
Peter fragt nach Micki. Seitdem die Jungen zu dritt unterwegs waren, in jener einen Nacht, haben sie den Micki nicht wieder getroffen. Der wollte doch nach Frankfurt, fällt ihnen ein.
Tobi ist immer noch draußen im Bauwagen und er bläst die, die ihn chauffieren. Er muss jetzt öfter rein ins Batsch. Dort ist ein Italiener, Salvatore, in den hat er sich verknallt. Deswegen macht er im Park rein nichts. Allerdings nützt Salvatore ihn mehr aus, als dass er verliebt wär. Er plärrt im Batsch, sie würden auf die Klappe gehn, damit der Tobi ihm einen blasen kann. Dann schiffen sie zusammen.
Der Mann geht rund, als würde er weiter Ausschau halten.
Dabei weiß er, unter gängigen Park-Gesichtspunkten, wenn man nicht zufrieden sein kann, mit einem Timo oder Tobi sich abzugeben, war es ein mieser Abend. Dann wird das auch nichts mehr um so eine Zeit. Das weiß man alles. Man muss nicht mehr suchen. Da ist jetzt nichts drin. Wenn da was wäre, käme es gekrochen und würde auf die Jungs geiern.
Als er zurückkommt, ist doch noch mal einer aufgetaucht. So dieser spießige Mittvierziger mit Hornbrille, ein Restaurant-Manager vom McDonald´s. Er sagt zu den Jungs, sie könnten aus der Arbeitslosigkeit morgen schon raus. Bei McDonald´s wird man nur ausgebeutet, sagt Peter, der Mann. Dieser Vierziger sagt, das ist nicht so. Der Mann fängt an zu überlegen, ob der Vierziger mit einem von den Jungs vielleicht was hatte. Tobi, auf einer Heimfahrt im Auto. Bei Timo hat er sich heut aber geschnitten. Timo weiß, wo jetzt auf länger ein Bett steht für ihn.
Zum Schluss bleiben sie beide an ihm hängen. Helmut lacht und fährt niemanden nach nirgendwo.
Zum Nachtmahl tischt er auf, was sein Kühlschrank hergibt.
Schimmelkäse, den die Jungen nicht anrühren. Wurst, Ketchup, Mayo, Senf, Gurken, frische Salatgurke, Tomaten, geschnitten Brot. Er hat Cola und Bacardi heute. Timo trinkt Cola, ohne Bacardi, Tobi trinkt, was der Mann trinkt, nämlich ein Pils. Alles, wo Vitamine drin sein können, lassen sie liegen. Dafür klatschen sie Senf-, Mayo- und Ketchup zu Seen und Bergen. Das bleibt größtenteils für den Abwasch.
Nachdem sie gegessen und geraucht haben, ist zwei Uhr mal wieder durch. Zeit fürs Bett, sagt der Mann. Morgen geht’s dann weiter. Er sagt ihnen nicht, weil das weiß außer ihm keiner, dass er bis zu Timo keine Nacht vor halb vier ins Bett ist.
Bei den Jungen geht’s ums Haschisch-Durchziehen, ein ganz komplexes Thema. Besser wäre, wenn man das Piece gleich hier hätte.
Der Mann deckt das Bett auf.
Der Mann geht Zähne putzen.
Der Mann