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sagt drei Mal: „Ich geh ins Bett.“
Die Jungen rufen: „Gut Nacht, Peter!“
Die Tür von der Küche steht offen. Der Mann zieht sich aus. Er zieht den Schlafanzug an, seit Timo da ist, hat er ihn weggelassen. Er macht das Licht aus.
Er hört sie schwätzen. Timo sagt, wie breit er war. Er hört sie lachen. Er denkt: Die Colaflasche hab ich weggenommen. Die sind zu bequem, nach Nachschub zu suchen. Also kommen sie bald.
Die Jungen quasseln. Er denkt, er muss aufstehen und wenigstens die Küchentür zumachen. Sie reden nichts wie Scheiß. Aber er hört immer, was sie sagen, und dann muss er zuhören und schläft nicht ein.
Tobi: „Kennst du das? Wenn’s mir zu viel wird, zerdrück ich Schlaftabletten, misch es in den Tabak. Wenn du das rauchst, wirst du ruhig.“
Timo kennt es nicht.
„Musst du probieren.“
Der Mann ist geschockt. Er befiindet sich unter einem Dach mit Junkies. Vor allem verhindern sie das Einschlafen.
Er ächzt: „Timo, Tobi! Es reicht. Wegen euch kann ich nicht schlafen. Ich bin todmüd. Geht auch ins Bett!“
Die Jungs: „Ja, gleich.“
Sie quasseln weiter.
Der Mann setzt sich auf, wiederholt seine kleine Ansprache.
Genervt traben sie an.
„Tobi, für dich ist kein Platz im Bett. Willst meinen Schlafsack?“
„Nee. Geht schon.“
Tobi legt sich lang auf dem Teppichboden, unter und neben dem Bett. Er zieht nichts aus. Jacke und Sportschuhe behält er an.
„Ist das nicht zu hart? Ich kann dir den Schlafsack geben.“
„Ist schon recht.“
Tobi rollt sich zusammen.
Timo zieht sich bis auf die knappe Unterhose aus. Timos Brust glänzt, als er wegsteigt über Tobi. Er legt sich neben den Mann.
„Verdammt, Scheiße! In der Küche brennt das Licht! Tobi, mach das Licht in der Küche aus!“
Tobi rappelt sich hoch, geht, macht das Licht aus.
Der Mann kuschelt sich an Timos Rücken. Er greift ihm um den Hals, berührt ihn an seiner nackten Brust. Timo sagt nichts, schüttelt den Mann dann ab. Bevor er weg ist, hat der Mann die Schulter ganz kurz noch geküsst.
Tobi von unten: „Gut Nacht, Timo.“
„Nacht Tobi.“
Dann kann Peter an den Atemzügen hören, wie sie schlafen.
Der Mann ist wach. Er kämpft mit einem Verlangen, das Timos Geruch auslöst. Bisschen Anlangen geht noch, aber Obacht, wenn er aufwacht, wird’s stressig.
Am Morgen wacht er auf, weil Timo strampelt. Der Mann kämpft sich aus dem Schlaf. Und da ist es zu spät. Timo ist aus dem Bett, fast nackig aufs Klo. Die Tür offen; man hört ihn pieseln. Dann in die Küche, der Junge macht Radio an, dreht die Musik lauter, macht eine Zigarette an.
Er hat miese Laune und er murmelt sein Zeug. Man versteht „Scheiße“. Aber nicht Timos Laune oder das Radio machen dem Mann zu schaffen, sondern dass im Klo wieder der Wasserkasten durchläuft. Timo hat es schon mal zu hören bekommen, passt aber nie auf.
„Timo, im Klo läuft die ganze Zeit Wasser!“
Keine Reaktion.
Der Mann sieht zum Wecker.
Kurz nach elf.
Er steigt über Tobi, der ratzt wie der Maulwurf.
Er drückt den Hebel. Das Wasser hört auf zu rennen.
Er zieht sich was an. Er beschließt, dass es Brötchen geben wird zur Feier dieses Tages. Timo wird keinen Hunger haben, wenn er den schicken will. Er geht selbst. Die Bäckerfrau hat ihn nie Ware für so viele Menschen einkaufen sehen.
Als er zurück ist, liegt noch der Maulwurf unter dem Bett. Timo sitzt halbnackt in der Küche und raucht. Im Radio fragen sie einen aus. Das ist ein Experte für Entwicklungspolitik. Laber und nöcher. Timo starrt immer nur die Wand an.
„Du hättest den Kaffee doch auch mal machen können!“
Keine Antwort, natürlich.
Während der Kaffee durchläuft, raucht Peter seine Erste.
„Ist was?“
Der Junge sagt nichts.
„Timo, ist was los?“
„Verfickte Scheiße!“
„Was, so früh am Tag schon?“
„Die geben mir nie eine Arbeit! Mir nicht! Da können zehn Kümmeltürken oder Kanacken kommen.“
„Genau. So wird’s sein.“
Der Mann raucht. Timo soll sich einen Therapeuten suchen. Als der Kaffee durch ist, geht er Tobi wecken.
Während des Frühstücks schweigen sie alle drei. Der Mann hat für jeden von ihnen drei Brötchen gekauft, lauter verschiedene Sorten. Timo isst eins, beißt vom zweiten was ab, lässt es liegen. Tobi isst nicht mal das erste auf. Mit der Marmelade sind sie nicht weniger großzügig als mit Ketchup, Mayo und Senf in der Nacht vorher.
Timo zieht die kleinen Sachen vom Mann an. In letzter Zeit trägt er das immer.
„Ich geh weg. Bis später.“
„Wo gehst du jetzt denn hin?“
„Arbeitsamt. Ich will das Geld sehn.“
„Aber es ist fast drei Viertel zwölf! Um zwölf machen die dicht!“
„Das schaff ich.“
„Du hast nicht geduscht und deine Zähne geputzt. Diese Kleider hast du die ganze Woche schon an.“
„Liegt nicht an mir, dass man bei dir so spät aufsteht.“
Der Mann und Tobi hocken da.
Der Mann seufzt und schaut Tobi an.
Tobi zuckt mit den Achseln.
Sie rauchen.
Der Mann fragt, wann Tobi was arbeiten geht. Stricher in Frankfurt ist wahrscheinlich nicht so das Wahre. Tobi hat eine Lehrstelle in Aussicht. Im Herbst dann.
„Du arbeitest ja auch nicht.“
Der Mann sagt, Tobi soll essen. Er wird Hunger haben, wenn er beim Bauwagen ist.
Zum Bauwagen geht’s heute nicht. Er bleibt in Reuenthal. Heute ist schön.
„Wohin geht’s denn?“, fragt Peter. Ganz subtil soll das andeuten, dass er hier nicht mehr willkommen ist.
Tobi sagt, spazieren, später in den Park. Da geht bei Tag schon was bei so geilem Wetter.
„Na“, sagt der Mann und fängt an, seine Küche aufzuräumen.
Abwasch fängt er jetzt besser nicht an. Im Gegensatz zu Timo könnte Tobi auf die Idee kommen, dass er ihm helfen muss, bevor er geht.
„Du warst auch in der Wohnung vom Reiselfinger, gell?“
„Das Arschloch.“
„Du hast übernachtet bei ihm.“
„Ja und.“
„Und wie ist es dann? Was macht er?“
„Keine Ahnung.“
„Aber du hast Sex gehabt mit ihm.“
„Hab ich nicht! Wer sagt so was? Der Timo?“
„Er hat dich über Nacht behalten. Darum frag ich eben.“
„Ich bin nicht die Schlampe, wie ihr meint. Mit dem Reiselfinger mach ich nix. Frag Timo, wenn du das so genau wissen musst, auf was der Reiselfinger steht. Timo hat bei allem mitgemacht.“
„Ich muss dann noch mein Bett machen und irgendwann auch ins Bad.“
„Okay.“
„Es ist ja schon Nachmittag.“
„Klar.“
Der Mann geht und macht das Bett. Tobi läuft und schaut ihm zu.
„Jetzt rauchen wir noch mal eine“, sagt der Mann.
Sie rauchen die Letzte.
„Ich glaub, der Timo, das wird länger“, sagt der Mann.
„Er ist zum Kiffen.“
„Der hat gar kein Geld.“
„Geld hat er nicht?“
„Von mir jedenfalls nicht.“
„Trotzdem. Der kriegt das hin. Findest du ihn geil, den Timo?“
„Na ja, ahm, er ist, einigermaßen gutaussehend. Findest du nicht?“
„Weiß nicht. Alle sagen, dass er besser aussieht wie ich. Dafür bin ich nicht der, der einfahren wird.“
„Mensch, ihr seid Freunde, dachte ich immer.“
„Freunde? Wieso? Ich kenn den praktisch nicht. Der mag mich auch nicht. Ich bin ja eine Tunte, das mag er nicht.“
Den letzten Satz schraubt er in die Höhe.
„Ich rasier mich.“
Der Mann geht ins Bad.
Tobi geht mit. Er schaut zu.
Der Mann reibt After Shave ins Gesicht. Er schaut Tobi an. Tobi schaut zurück.
Der Mann fängt mit Zähneputzen an.
„Du hast ein geiles Bad. Das Schönste von deiner Wohnung.“
Der Mann spuckt aus.
„Willst du vielleicht duschen, bevor du abhaust, oder wie?“
„Ja gern, wenn ich darf.“
„Moment, ich bin gleich so weit.“
Aber Tobi zieht sich schon aus.
Der Mann macht langsamer. Er schaut ihn im Spiegel an.
Tobi ist sehr dürr. Timo hat diese Jungmannbrust, Tobi eine Hühnerbrust. Timo Muskeln, Tobi hat nur Knochen. Timo hat seinen kugeligen, kleinen Arsch, Tobi mehr oder weniger gar nichts, irgendwie hängt es dennoch. Die Haut ist ebenso glatt und rein wie vom Timo. Tobis Schwanz ist dünn und schlaff schon lang.
Er steigt in die Wanne, zieht den Vorhang zu, dreht zu heiß und zu heftig auf, lässt es endlos strömen, als würde sich das von allein dann richten. Timo macht es auch immer so. Dem Mann geht auf, dass er anscheinend geizig ist. Bisher wusste er das gar nicht.
Er steht neben der Dusche.
„Das war mal nötig.“
„Was?“
„Ach, nichts.“
„Was?“
Tobi reißt den Vorhang auf und lacht los.
„Dir gefällt’s da drin aber.“
„Super! Komm doch auch!“
„Nee, das mach ich nachher, wenn du weg bist.“
Der Mann sieht zur Tür und sie steht einen Schlitz offen. Er geht hin, nimmt die Türfalle in die Hand und macht sie zu. Er hat die Klinke in seiner Hand, dreht sich, sieht den Umriss von Tobi im Duschvorhang.
„Tobi, jetzt mach voran! Das wird hoffentlich noch heut.“
„Was?“
Tobi zieht den Vorhang auf und zeigt, wie er das Schamhaar shampooniert. Das lange, dünne Teil steht einigermaßen.
„Es wird Zeit, dass du hier verschwindest.“
„Dann komm.“