Ein Freund, Uwe Seeler, Heino und ich

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von Willi Grigor

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Einer meiner ersten und besten Jugendfreunde in Düsseldorf, Günter "Peppo" Kohnen, starb am 14. April 2012 nach einem jahrzehntelangen Kampf gegen die Parkinson-Krankheit. Die letzten 40 Jahre haben wir unsere Freundschaft hauptsächlich aus der Ferne (Schweden) gepflegt.
Die Asche seiner seelenlosen Überreste wurde anonym auf einer dafür vorgesehenen Wiese verstreut.
Mit der folgenden, etwas gekürzten Version meiner Geschichte über sein Leben, die ich im Herbst 2011 schrieb, möchte ich ihm auch auf diesem Wege ein Andenken bewahren.

Günter, Jahrgang 1939, war ein echter Düsseldorfer, ein "Oberbilker Jong". Im besten, positiven Sinne ein wahres "Original". Ein Typ, den alle mochten.

Während der Bombenangriffe 1945 wurde seine Mutter mit ihren drei Söhnen auf das Land im deutschen Osten geschickt. Nach dem Ende des Kriegs kamen sie wieder zurück zu ihren drei Dachzimmern auf der Flügelstraße 56 im "Arbeiterstadtteil" Oberbilk, da dieses Haus nicht zerstört war. Es gab nur einen Wasserhahn im Flur, den sie sich mit einer weiteren Familie teilen mussten. Das Klo war eine Treppe runter im Treppenhaus.
Der Vater kam nicht aus dem Krieg zurück. Die Familie erfuhr nie, trotz Nachforschungen über das Rote Kreuz, wo und wie er gestorben ist. Günters Mutter hatte es eindeutig nicht leicht, allein - im Krieg und den schweren Nachkriegsjahren - drei hungrige Jungs zu ernähren. Sie arbeitete hart als Hilfskraft in der noch heute beliebten Hausbrauerei Schumacher auf der Oststraße, wo sie jeden Tag die vielen Holztische im zugehörigen Gasthaus schrubben musste (durfte).
Die Besitzerin war aber eine gute Frau. Günter erzählte, dass sie ihn einmal in ein Kinderlandheim an die Ostsee schickte. Bei seiner Kommunion kaufte sie neue Kleider für ihn. Günter war oft mit seiner Mutter bei ihrer Arbeit dabei. So lernte er den gleichaltrigen Sohn der Besitzer kennen. Sie wurden Freunde und Günter später ein guter Gast in der Gaststätte, die der Sohn übernommen hatte. Heute ist dieser u. a. auch Besitzer des "Uerige", das wohl bekannteste Bierlokal in der Düsseldorfer Altstadt. Günter war auch dort immer ein guter und gern gesehener Gast. Seinen 50. Geburtstag feierte er im "Rittersaal" des Uerige, mit Heino als Ehrengast.

Ende 1951 zog meine Familie von Bayern nach Düsseldorf, Flügelstraße 54. Im Nachbarhaus wohnte Günter. Wir Flüchtlingskinder wurden schnell in den Kreis der "einheimischen" Kinder integriert. Mit Günter hatten wir anfangs keinen so direkten Umgang, er war vier Jahre älter als wir in meiner "Clique" und ging außerdem in eine andere Schule als wir. Als wir älter wurden, auf der "Ballonwiese" im Volksgarten Fußball spielten und anfingen Bier zu trinken, kamen wir uns immer näher. Günter war umgänglich, immer gut drauf und bei allen beliebt. Dass er etwas älter war, machte ihn extra interessant für uns.
Günter war Klassenkamerad und Freund von Heinz Georg Kramm, der schon lange als der Heimatliedsänger Heino in ganz Deutschland weltberühmt ist. Dieser wohnte damals gleich bei uns "um de Eck", in der Kirchstraße. Beide sind schon als kleine "Dötze" im Oberbilker Fußballverein "Schwarz-Weiß 06" Mitglieder geworden und spielten in den Jugendmannschaften. Günter und Heino sind diesem Club bis heute (2011) eng verbunden. Günter ist Stammgast auf dem Schwarz-Weiß-Platz, wenn Sonntags die erste Mannschaft spielt. Günter ist übrigens heute noch (2011) mit Heino befreundet und ist oft bei seinen Gastspielen und im Heino-Café in der Eifel.
Ich habe gute Erinnerungen an Heino und seinen beiden Musikerkollegen. In den 1950er Jahren gingen sie singend und spielend durch die Straßen, nur aus "Spaß an der Freud". Die Fenster öffneten sich und die Hausfrauen freuten sich auch. Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, es wurde der eine oder andere Groschen geworfen.
Als Heino beim "Bäcker Voss" auf der Linienstraße seine Lehre absolvierte, waren wir Jungs wohl alle ein bisschen neidisch. War er doch ständig in IHRER Nähe, der von vielen bewunderten Bäckerstochter. Ich brachte es - nicht ohne Freude und Stolz - doch immerhin so weit, dass ich als 16/17jähriger jeden Sonntag mit ihr die katholische Messe besuchen durfte. Ich war des öfteren mit ihr bei ihren Eltern in der schicken Wohnung oberhalb des Bäckerladens. Mehr war nicht, wir waren wohl beide ziemlich schüchterne Typen.

Wir gingen noch zur Schule, da machte Günter schon seine Lehre bei der Total-Tankstelle auf der Stresemannstraße. Die Zeiten wurden besser, die Leute kauften Autos, Günter war beliebt bei den Kunden und bekam wahrscheinlich mehr Trinkgeld als Lohn. Diese Tankstelle wurde eine richtige Anlaufstelle für uns. Günters Boss war ein netter Mann und hatte nichts dagegen, ich durfte sogar jeden Samstag Vormittag Autos waschen und bekam 10 DM dafür, viel Geld für einen Schüler damals. In den Herbst- und Wintermonaten gab es regelmäßig frisch zubereitete Muscheln auf der Tankstelle. Günter spendierte auch regelmäßig Pommes Frites, die damals ihren Siegeszug begannen, und Bier vom Fass beim "Schumacher" auf der Oststraße. Meine allererste Pizza (direkt aus dem Steinofen) spendierte mir damals Günter, im wahrscheinlich ersten Pizzalokal in Düsseldorf.

Die Tankstelle befand sich sozusagen im Erdgeschoss eines Hauses, das zur Straße hin offen war. Hier (wie auch auf der Flügelstraße und in freigeräumten Ruinenkellern) spielten wir Fußball auf kleinen Toren ohne Torwart. Die hier geparkten Autos stellte Günter vorher auf die Straße. 1962 kam er auf die Idee, eine "Thekenmannschaft" zu gründen. Solche gab es viele in den verschiedenen Stadtvierteln. Wir machten Punktespiele gegen diese inoffiziellen Fußballclubs. Es lag nahe, unseren "FC Total 62" zu nennen, da Günters Tankstelle eine Total-Tankstelle war. Seine damalige Freundin Sonja (Büroleiterin einer Schweizer Firma) spendierte uns Trikots (schwarz-weiß, wie die der Nationalmannschaft, und mit Rückennummern!) und nähte Total-Embleme drauf, die Günter bei der Total-Geschäftsstelle organisierte. Nach den Spielen feierten wir das jeweilige Ergebnis, meistens an der Theke der Gaststätte "Zum Fässchen" in Oberbilk.

Günter hatte Spaß am Leben, viel Energie und brauchte (bzw. gönnte sich) wenig Schlaf. Fußballspielen und -anschauen mit anschließendem Treffen in einer Kneipe füllten ihn nicht richtig aus. Er verdiente für damalige Verhältnisse ganz gutes Geld. Er wollte es aber auch wieder ausgeben und das machte er bei Besuchen in verschiedenen Edelrestaurants und auch hin und wieder Nachtclubs. Einmal nahm er mich mit in das Feinschmeckerrestaurant "Walliser Stuben" in Düsseldorf und einen Nachtclub in Essen. "Walliser Stuben" war damals eines

© Willi Grigor, 2011/2012 (Rev. 2016)

Siehe auch:
literatpro.de/prosa/270617/de-2011-nostalgisches-wiedersehen-mit-duesseldorf
literatpro.de/prosa/010317/de-1958-gefaehrlicher-spass-im-rhein
literatpro.de/prosa/120117/de-die-vier-dora-die-bierzeitung-und-deren-auswirkungen
literatpro.de/gedicht/031217/in-der-jungen-jugend-zeit

Veröffentlicht / Quelle: 
Rheinische Post, Düsseldorf, Print 19. April 2017 und Online http://www.rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/stadtteile/oberbilk/das-bewegte-leben-des-guenter-kohnen-aid-1.6763697

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