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der sechs Restaurants in Deutschland, die zwei Michelin-Sterne hatten. Das war aber eindeutig nicht meine Welt.
Günter war und ist ein umgänglicher, positiver und nach außen gerichteter Typ. Es war unumgänglich, dass sein Bekanntschaftskreis immer größer wurde. Er lernte Sonja kennen, deren Sportwagen Mercedes 190 SL er an der Tankstelle betreute. Mit ihr war er einige Jahre liiert. Sonja war eine spontane und impulsive Schweizerin, die das Düsseldorfer Büro einer schweizerischen Firma leitete. Auch sie war eine lebensbejahende, interessante Person, die Spaß am und Geld für ein etwas teureres Leben hatte. Sie war aber keineswegs abgehoben und war oft bei unseren Fußballspielen und anschließendem Kneipenbesuch mit dabei.
Mit ihr lebte Günter aber auch ein Leben, in das wir anderen nicht so eingeweiht waren. Ich erinnere mich an die Besuche mit Günter in ihrer Wohnung (Frank-Sinatra-Musik) und die Fahrten in ihrem Sportwagen (eingeklemmt im Notsitz) nach Nievenheim zum Pommes-Frites-mit-Schaschlik-Essen. Die schillernde Beziehung der beiden hatte Höhen und Tiefen und hörte schließlich auf. Die Tankstelle auf der Stresemannstraße wurde Mitte der 1960-er Jahre geschlossen, nachdem die Benzintanks beim Befüllen unkontrolliert überliefen. Es bestand große Gefahr für die nähere Umgebung. Aus Sicherheitsgründen wurden danach viele Tankstellen in der Innenstadt geschlossen. Günters Boss vermittelte seinen Tankwart an einen Cousin, der eine Tankstelle an der Derendorfer Straße betrieb. Hier blieb Günter 10 Jahre.
Die goldene Zeit des Tankwart-Berufs ging zu Ende. Günter begann eine neue Karriere als Angestellter bei einem Blumenzulieferer. Mit seinem grünen VW-Bus raste er ständig kreuz und quer durch Düsseldorf, lernte in dem neuen Umfeld viele neue Leute kennen. Immer freundlich, immer gut drauf. Mehrfach drückte er mir einen Strauß Blumen in die Hand und sagte: "Für diedeine Mutter, schönen Gruß von mir". Sie war sicher nicht die einzige, die von ihm Blumen bekam. So war und ist er.
Nach der Lehre war ich 1963 bis 1967 viel für meine Firma Paul Kahle im Außeneinsatz tätig und hatte nur sporadisch Kontakt mit Günter und den anderen Kumpels in Oberbilk. Während meines Ingenieurstudiums 1967-1970 in Düsseldorf war dieser jedoch wieder intensiv. Ich spielte Tennis mit ihm und Fußball zusammen mit den anderen Mitgliedern von "FC Total 62". Sonntags spielten wir auf einem der Rasenplätze im Rheinstadion, gingen zu den Spielen von Fortuna Düsseldorf und des Eishockeyclubs DEG.
Nach dem Studium war ich nicht mehr viel in Düsseldorf. Mein erster Einsatz führte mich 1970 nach Ravensburg, 20 km vom Bodensee. Dort fand ich sie endlich, meine heutige Frau, ich habe lange nach ihr gesucht und sie ausgerechnet dort gefunden. Sie kam aus Schweden und hatte sich für dieses Jahr bei der Firma Escher Wyss eine Arbeitsstelle besorgt um das Land und seine Sprache besser kennenzulernen. So wie sie es einige Jahre zuvor auch in den USA getan hat.
Wir hatten einen schönen, gemeinsamen Sommer, bevor sie wieder zurück nach Schweden musste. Wir waren uns aber einig, dass wir zusammenleben wollen. Ich besorgte uns eine Wohnung in Königstein/Taunus und ihr eine Arbeit im nahen Oberursel. Im Sommer 1971 kam Gullan nach Königstein. Hier wohnten wir bis zum Frühjahr 1975. Ich arbeitete in dieser Zeit am Kernkraftwerk Biblis A (pendelte zweimal pro Woche), Erlangen (pendelte wöchentlich) und Offenbach (pendelte täglich). Von dieser Zeit kann ich mich nur an ein gemeinsames Treffen mit den "alten Freunden aus Oberbilk" erinnern: Das Geburtstagsfest bei Freund Erich 1975, kurz bevor Gullan und ich nach Schweden zogen.
In Schweden begann für uns ein neues Leben, wir bekamen zwei Kinder, der Kontakt mit Günter war minimal aber nie ganz tot. Wir sprachen ab und zu am Telefon, trafen uns einige Male in Düsseldorf und wenn Erich mit Frau bei uns in Schweden waren, bekam ich immer die neuesten Informationen.
1971 lernte Günter seine große Liebe, Heidi, kennen, die aus einer ostfriesischen Kleinstadt nach Düsseldorf gekommen ist. Günter war 32 Jahre alt und wohnte immer noch bei seiner Mutter im Dachzimmer. "Wohnte" heißt: er kam irgendwann in der Nacht nach Hause, machte sich etwas zu essen in der Küche und schlief einige Stunden.
Mit Heidi änderte sich die Situation, sie wollten zusammenwohnen. Heidi wohnte bei einer Familie, die Männerbesuche nicht erlaubte. Sie brauchten eine Wohnung, was nicht ganz so einfach war. Günters Cousin war Hausmeister und konnte eine kleine Dachwohnung vermitteln. Heidi erzählte mir, dass das Zusammenwohnen mit Günter am Anfang nicht so einfach war. Er wollte es so haben wie gehabt auf der Flügelstraße. Er kam spät nach Hause und fing dann an zu kochen. Das wollte Heidi nicht akzeptieren. Sie begann eine "Umerziehung", die anscheinend funktionierte: 1972 heirateten sie. Da hatten sie aber schon eine bessere Wohnung, in der sie acht Jahre lang wohnten. Danach kauften sie sich eine Eigentumswohnung, 4. Stock, ohne Aufzug.
2003 verkauften sie diese Wohnung und zogen in eine schöne Mietwohnung (mit zwei Balkons!) und Garage, nur einige Häuser weiter. Diese ist behindertengerecht und hat einen Aufzug. Mit Hinblick auf Günters Parkinson-Krankheit war dies eine kluge Entscheidung.
Günter und Heidi reisten viel, sie sind ungebunden, haben keine Kinder. Ihre Lieblingsreiseziele sind Sylt, Reit im Winkl und Kitzbühel, dort wo sich die "Prominenten" treffen. In Hamburg - meint Günter - gibt es das beste Fischlokal Deutschlands. An allen Plätzen haben sie gute Restaurants besucht und viel Prominenz gesehen. Auf der Winklmoosalm waren sie regelmäßig jedes Jahr, manchmal Sommer und Winter. Die bekannten Mittermaier-Ski-Schwestern von der Winklmoosalm in Reit im Winkel trafen sie öfters in deren Berggasthof. Heidi erzählte, dass Günter und sie mehrmals mit Rosi Mittermaier (Olympiasiegerin) und ihrem nicht minder bekannten Mann Christian Neureuther gegessen haben. Günter hatte jedesmal einen mit einer roten Schleife versehenen Sechserpack Schumacherbier mit, der hauptsächlich für Rosis Vater gedacht war. Sie waren so oft dort, dass eine fast familiäre Beziehung entstand, erzählte Günter.
Günter suchte und fand Kontakt mit Sportgrößen.
Kreuzfahrten ist auch etwas, was sie lieben. Günters fortschreitende Parkinson-Krankheit setzt dem Reisen heute jedoch Grenzen.
Nach einigen Jahren als Blumenlieferant wurde Günter arbeitslos. Er versuchte verschiedene Dinge aber ohne großen Erfolg. Da las er eine Stellenanzeige in der Rheinischen Post. Dies war der Beginn einer dritten Karriere für Günter.
Die neue Filiale der "Banque Nationale de Paris" in Düsseldorf suchte einen flexiblen und
© Willi Grigor, 2011/2012 (Rev. 2016)
Siehe auch:
literatpro.de/prosa/270617/de-2011-nostalgisches-wiedersehen-mit-duesseldorf
literatpro.de/prosa/010317/de-1958-gefaehrlicher-spass-im-rhein
literatpro.de/prosa/120117/de-die-vier-dora-die-bierzeitung-und-deren-auswirkungen
literatpro.de/gedicht/031217/in-der-jungen-jugend-zeit