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anpassungsfähigen Mitarbeiter für verschiedene Aufgaben wie Postverteilung, Chauffeurdienste, Einkäufe und, und, und - ein "Mädchen für alles" eben. Günter fühlte sich angesprochen. Er bewarb sich, obwohl er außer der Ausbildung als Tankwart und seinen Führerschein keine Qualifikationen vorzuweisen hatte. Französische Sprachkenntnisse waren glücklicherweise keine Bedingung. (Ein Lieblingssatz von Günter war: "Französisch kann ich, nur mit der Sprache hapert´s.")
Das Vorstellungsgespräch fand, man höre und staune, im Steigenberger Park-Hotel an der Königsallee statt, dem feinsten Düsseldorfer Hotel. Günter marschierte hin, 37 andere Suchende machten es ihm gleich. Als Günter an der Reihe war, mit dem Filialleiter Herr Dr. A. zu sprechen, geschah etwas Sonderbares. Nach einem kurzen Gespräch erklärte Herr Dr. A., ohne nach irgendwelchen Papieren zu fragen: "Herr Kohnen, Sie sind eingestellt." Die Chemie zwischen dem Bankchef und dem Tankwart a. D. stimmte zu 100%. Günter enttäuschte seinen Gönner nicht. Er machte alle Arbeiten, die ihm auferlegt wurden und noch einiges mehr. Er war mehrfach als Fahrer mit seinem Chef in anderen deutschen Filialen und in Paris. Er organisierte firmeninterne Tennis-und Fußballspiele. Nicht ohne Stolz erzählte Günter, dass er in zwei Tennis-Endspielen stand: In Paris gewann er und in Monaco verlor er. Beim (verlorenen) Fußballendspiel in Straßburg stand er im Tor (in unserer Thekenmannschaft war ich der Tormann). Zusammen mit Frankfurter Kollegen spielte Günter auch Serienspiele im Tennis gegen französische Kollegen. Freitag Nachmittag mit dem Auto nach Paris und am Sonntag wieder zurück. Und das fast jede Woche, während zwei Saisons.
Als Dr. A. nach New York versetzt wurde, bot er Günter und Heidi an, ihm dorthin zu folgen. Das war aber Günter dann doch zu weit. Er blieb lieber in Düsseldorf. Mit den folgenden Chefs hatte er dann nicht mehr ein so gutes Verhältnis. Nach 18 Jahren wurde die Filiale in Düsseldorf geschlossen. Günter wurde Rentner.
Diese Zeit bei der Bank war "wie ein Sechser im Lotto", sagten sowohl Günter als auch Heidi zu mir. Es war nicht nur eine befriedigende Arbeit, sie wurde auch gut bezahlt und in den Genuss einer Firmenrente kam Günter auch. Das war ein willkommener Ausgleich für die Enttäuschung als sich herausstellte, dass sein Arbeitgeber an der zweiten Tankstelle für die zehn Jahre seiner Anstellung keine Rentenbeiträge für Günter eingezahlt hat. Günter ist viel zu gutgläubig, so etwas zu hinterfragen.
Günter sagte einmal folgendes: Ohne Heidi und die "Bank de Paris" läge ich heute "in de Jöss" (in der Gosse).
Die Anstellung bei der Bank hat ihm finanziell geholfen. Heidi hilft ihm durchs Leben. Günter leidet an der Parkinson-Krankheit im fortgeschrittenen Stadium und ist dadurch bei seinen Bewegungen und beim Sprechen stark beeinträchtigt.
Am 30. Oktober 1990 saßen ich und meine Frau in Åmål, Schweden, am Fernseher und sahen über Satellit im ZDF Wim Thoelkes beliebte Sendung "Klassentreffen". HEINO und seine früheren Klassenkameraden aus der Grundschule an der Stoffeler Straße in Düsseldorf Oberbilk waren die Gäste. Günter war Heinos Klassenkamerad und natürlich mit dabei. Ich erkannte auch einige bekannte "Typen" von damals. Es wurde viel von früher erzählt und viel gelacht. Es fiel auf, dass Günter immer mit einer gewissen Verzögerung den Mund zu einem Lächeln verzog. Wir, und alle anderen Zuschauer dieser beliebten Serie, waren Zeuge der ersten Anzeichen der Parkinson-Krankheit, mit der Günter heute richtige Probleme hat. Zwanzig Jahre kam er gut zurecht damit, dank neuer Medizin und vor allem seines täglichen Trainingsfleißes in der "Muckibude", im Schwimmbassin und auf dem Fahrrad sowie seiner positiven Einstellung und seinem sozialen Umfeld.
Im August 2011 brach er sich dann bei einem Sturz vom Fahrrad den Schenkelhalsknochen. Es war unsicher, ob er bei unserem geplanten Wiedersehen im September bei Freund Erich in Ratingen mit dabei sein konnte. Aber er kam, mit Heidi. Ohne sie käme er nicht mehr zurecht. Er tat sich ziemlich schwer beim Laufen aber er war, wie immer, gut drauf.
Günter und der Sport
Günters große Leidenschaft war der Sport! Er war an fast allen Sportarten interessiert, Hauptsächlich Fußball und Eishockey.
Günter hatte drei sportliche Devisen:
- Selbst Sport machen.
- Sport vor Ort miterleben.
- Nahkontakt mit Sportgrößen suchen und bekommen.
Fußball (Schwarz-Weiß 06 und FC Total 62) und Tennis hat er regelmäßig gespielt und das gar nicht so schlecht. Einen ausgeprägten "Sportkörper" hat er aber nie gehabt. Gutes Essen und Trinken haben dies verhindert.
Die Liebe zum Sport zeigte sich aber vor allem daran, dass er unzählige Sportereignisse besucht hat und immer noch besucht, Woche für Woche. Seine heutige Parkinson-Behinderung behindert ihn dabei wenig. ("Mit dem Rolli und der Straßenbahn zum Rheinstadion und mit dem Aufzug direkt zu meinem Platz auf der Tribüne.") Nur wenige Heimspiele seines Heimat-Vereins Schwarz-Weiß 06, von Fortuna Düsseldorf und der Düsseldorfer Eislauf Gemeinschaft (DEG) hat er versäumt. Günter gab gerne einen Beweis seines Fußballwissens, indem er die Mannschaftsaufstellung und die Torschützen von früheren, großen Spielen der Fortuna Düsseldorf herableierte. Bei den großen Tennisturnieren des Rochusclubs war er Stammgast. Eine Zeit lang war er auch interessierter Zuschauer (vielleicht auch Wetter) bei den Pferderennen auf der Düsseldorfer Rennbahn.
Günter ist ein nach außen gerichteter und kontaktfreudiger Mensch. Es ist logisch, dass er auch Kontakt mit Sportgrößen suchte - und bekam. Seine Autogrammsammlung und vor allem die an ihn persönlich gerichteten Kartengrüße von Sportlern und Fußball-Nationalmannschaften ist imponierend.
Meine erste Erinnerung in dieser Hinsicht ist von Anfang der 1960-er Jahre. Ich erinnere mich, dass Günter von einer Telefonzelle auf der Königsallee Bubi Scholz in Berlin anrief und mit ihm sprach. Bubi Scholz war damals der bekannteste Profi-Boxer in Deutschland und Europameister im Mittelgewicht.
Mein erster Arbeitseinsatz nach der Lehre führte mich 1963/65 nach Hamburg. Ich wurde Fan des HSV und von Uwe Seeler und steckte damit Freund Günter in Düsseldorf an. Am 3. Juni 1967 fuhren wir - zusammen mit zwei Freunden - nach Hamburg, um im alten Volksparkstadion das Bundesligaspiel HSV gegen Fortuna Düsseldorf zu sehen. Am nächsten Tag rief Günter spontan von einer Telefonzelle Uwe Seeler in seinem neuen Haus in Norderstedt an und fragte, ob wir ihn sehen dürften. Uwe sagte zu und wir trafen ihn mit seiner kleinen Tochter am Gartentor. Wir, vor allem Günter, sprachen eine ganze Weile mit ihm. Ein Freund hatte einen Fotoapparat und machte ein
© Willi Grigor, 2011/2012 (Rev. 2016)
Siehe auch:
literatpro.de/prosa/270617/de-2011-nostalgisches-wiedersehen-mit-duesseldorf
literatpro.de/prosa/010317/de-1958-gefaehrlicher-spass-im-rhein
literatpro.de/prosa/120117/de-die-vier-dora-die-bierzeitung-und-deren-auswirkungen
literatpro.de/gedicht/031217/in-der-jungen-jugend-zeit