Was war dieser großartige Schauspieler doch für ein Kerl! So ein richtiges Mannsbild, hinter dem die Frauen her waren wie die Teufel hinter der armen Seele. Aber auch die meisten Männer waren ebenso fasziniert. Sie wollten so sein, wie der „Draufgänger“, der „Greifer“, der „Sieger“ oder wie der „Käpt´n Bay-Bay“.
Unvergessene Rollen schon am Anfang der dreißiger Jahre im Film und auf der Bühne.
Raketenartig katapultierte sich Hans Albers durch seine außergewöhnlichen schauspielerischen Leistungen in die erste Reihe der damaligen großen Film- und Bühnennamen. Allein schon die Rolle des „Liliom“ von Franz Molnar machte ihn zum größten und meistgefeierten Berliner Publikumsliebling. Albers berlinerte so herrlich in diesem Volksstück, dass man kaum glauben konnte, einen Schauspieler von der Waterkant zu erleben. Dort, in Hamburg, wurde Hans Albers am Dienstag, dem 22. September 1891 geboren.
In die Zeit seiner ersten, ganz großen Erfolge im Film und auf der Bühne fiel auch meine erste Begegnung mit ihm. Das war genau am Sonnabend, dem 30.April 1932. Wenige Tage zuvor, am 21. März, stand Albers im Mittelpunkt der Premiere seines mit einem Riesenapplaus bedachten UFA-Filmes „Der Sieger“ im damaligen „Gloria-Palast neben dem berühmten „Café Trumpf“ am Ku-Damm und der Gedächtniskirche. Seine Partnerin war die bezaubernde und aparte Käthe von Nagy.
Hans Albers bewohnte damals, nachdem er aus dem „Hotel Adlon“ ausgezogen war, eine Dreizimmerwohnung im feudalen Tiergarten in der Lennéstraße 7 in der ersten Etage eines zweistöckigen villenartigen Hauses mit einem schmalen Vorgarten, umzäunt von einem schmiedeeisernen Gitter. Wenige Schritte von der Haustür entfernt kam es zu unserer ersten Begegnung. Und das lief so ab:
Im damaligen „Theater in der Stresemannstraße“, dem heutigen „Hebbeltheater“, lief mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle das viel bejubelte Bühnenstück: „Der Mustergatte“. Mein Schulfreund Werner und ich – wir waren damals ganze 16 Jahre alt – hatten für die Sonnabend-Nachmittagsvorstellung Eintrittskarten besorgt und freuten uns auf das bevorstehende Theater-Ereignis. Als wir den Musentempel betreten wollten, merkten wir, dass wir uns in der Zeit geirrt hatten. Bis zum Beginn der Vorstellung hatten wir genügend Muße, einen Spaziergang zum nicht weit entfernten Tiergarten zu unternehmen.
So schlenderten wir langsam die Stresemannstraße entlang in Richtung Potsdamer Platz, der zu jener Zeit noch einer der verkehrsreichsten Punkte der alten Reichshauptstadt war. Unversehens fanden wir uns nach Überquerung dieses markanten Brennpunktes an der Lennéstraße wieder, direkt vor dem Café „Dobrin“, unweit des Brandenburger Tores.
Zwischen der Stresemannstraße und dem Kemper-Platz zog sich die nach dem berühmten Gartenbauherrn Lenné benannte Villenstraße hin, auf der einen Seite mit dem Blick auf den Tiergarten, andererseits auf die von Künstlern und Rechtsanwälten bewohnten vornehmen Häuser. Als Werner und ich vor dem Grundstück Nr. 7 ankamen, sahen wir da einen amerikanischen Cadillac stehen, einen offenen Sportwagen mit weinroten Polstern. An den Türen befanden sich in Goldbuchstaben die Initialen „H.A.“ Neben dem Lenkrad saß ein livrierter Chauffeur, in eine Zeitung vertieft. Einer Eingebung folgend sagte ich zu Werner: „Das könnte vielleicht Hans Albers heißen?“ Der Chauffeur nickte mir zu und sagte die geradezu klassischen Worte: „Det stimmt. Kiek ma nach oben inne erste Etage, da wohnta, mein Chef. Mensch, nu kiek doch schon hin, nee, mehr nach links von de Haustür, da wo dat Fenster uff is. So´n bißken kannste noch wat von det jroße Jemälde sehn, det is seine Mutta.“ ( ) (Wenige Monate später durfte ich mir ganz aus der Nähe das Ölbild der alten Mutter Albers anschauen, anlässlich meines ersten Besuches bei Hans Albers.) Plötzlich näherte sich eine Schar von Mädchen mit Filmpostkarten, und sie erwarteten eine persönliche Widmung und einen tiefen Blick aus seinen himmelblauen Augen.
Ich selbst habe in meinem ganzen Leben niemals wieder derartig blaue Augen gesehen. Ihretwegen hatte es Albers in der Stummfilmzeit sehr schwer, an große Rollen heranzukommen. Richard Eichberg, der berühmte Regisseur jener Zeit, soll einmal gesagt haben: „Mensch, Hans, deene Wasseroogen kann doch keen Aas fotojrafier´n. Det beste is, wir filmen dir immer nur von de Seite oder janz von hinten.“ ( ) Albers kam, und als die lustige Autogrammschlacht vorbei war, stieg der große „Liliom“-Darsteller in seinen Wagen, der Motor heulte kurz auf, und der Wagen brauste los. Nun kommt das Merkwürdige an der ganzen Geschichte. Direkt an der Stelle, an der mein Freund und ich uns befanden, bremste das Auto wieder, dass es quietschte. Albers kurbelte das Fenster herunter , lachte und fragte: „Na, mein Junge, willste ooch´n Autojramm?“
Ich stotterte verlegen: „Ja, ja, sehr gern sogar, nur - ich habe keine Fotokarte von Ihnen dabei!“
„Macht doch nischt, ick hab jenuch davon.“ ( ) Mit einem Riesenfüllhalter schrieb er in großen Buchstaben seinen und meinen Namen auf ein Foto und reichte mir an der Nase des Fahrers vorbei sein lachendes Siegerporträt. Jetzt stach mich der Hafer.
„Herr Albers, meine Mutter verehrt Sie auch sehr. Darf ich vor Ihrem Haus ein Foto von Ihnen machen? Ich hab immer meine kleine Kamera dabei.“
„Na, Mensch, denn mach aber schnell. Ick hab nich viel Zeit.“
Er stieg tatsächlich aus, ich machte die Aufnahme, die ich noch heute (über ein halbes Jahrhundert hinweg) besitze. Von da an sammelte ich für ihn alle ihn betreffenden Fotos und Artikel, verzierte sie mit Texten und Zeichnungen. Sehr zu seiner Freude. Wie fast alle Künstler war auch Hans Albers durchaus eitel und sich seiner Wirkung auf Männlein und Weiblein bewusst.
Er lud mich des Öfteren zu sich nach Hause ein. Ein netter Kreis von Schauspielern und Sängern war dort immer anwesend, natürlich auch seine Lebensgefährtin Hansi Burg, die Tochter des damals sehr bekannten Schauspielers Eugen Burg. Hansi wohnte nicht bei ihm, sondern in ihrer eigenen Wohnung Viktoriastraße 2 am Kemperplatz, direkt unterm „Dachjuchhee“.
( ) Durch Hans Albers bin ich, der junge Dachs, auf die Reichersche Schauspielschule in der Uhlandstr 90 gekommen. Meine Prüfungsrolle war – ein Zufall? – die des „Liliom“. Mein Schauspiellehrer, Professor Moest, warnte mich davor, Hans Albers nachmachen zu wollen. Ich sollte so spielen, wie i c h die Rolle empfinde. Das tat ich und bestand die Prüfung. Meine Mutter konnte jedoch nicht lange die monatliche Gebühr von 90 Reichsmark bezahlen. Ich musste die Schule verlassen und unterrichtete Hans Albers davon. Kurz darauf bekam ich eine Aufforderung der Schule, mich noch einmal zu melden. Und man sagte: „Herr Steinkrauß, wir gewähren Ihnen ein Stipendium, obwohl das bei uns nicht üblich ist.“ Ich war dankbar und glücklich, dann fiel mir etwas ein. Ich sagte: „Kann es sein, dass jemand – vielleicht eine bekannte Persönlichkeit - für mich das monatliche Entgelt bezahlt, ein Mann mit den Initialen H.A.?“
Als man mich mit Handschlag entließ, hieß es: „Sprechen Sie Ihren H.A. besser nicht daraufhin an. Wie ich ihn kenne, würde es ihn verlegen machen!“
Hans Albers und – verlegen? Er wurde es tatsächlich, als kurze Zeit später mal die Sprache doch darauf kam. Er sagte nur kurz: „Schön, dass du weitermachen kann!“
Hitler war an die Macht gekommen. Anfang 1936 gehörte ich zum ersten Jahrgang, der in den „Reichsarbeitsdienst“ nach Wittstock an der Dosse eingezogen wurde.
Als ich mich von Hans Albers verabschiedete, schenkte er mir ein Dreimarkstück, drückte mir die Hand und sagte: „Det jeht ooch vorbei!“
Dieses Dreimarkstück hatte ich immer bei mir, auf fast allen Kriegsschauplätzen. In Afrika sind auf der Via Balbia einige Panzer darübergefahren. Ein bisschen komisch sieht der Taler seitdem schon aus. Ich trage ihn noch heute an meinem Schlüsselbund .
Als der Krieg zu Ende war, traf ich Hans Albers wieder im Theater, als er den „Liliom“ neu herausbrachte. Die Regie hatte Karl-Heinz Martin, der auch gerade wieder begann, sich künstlerisch zu betätigen. Das sich nun „Hebbeltheater“ nennende Haus war eines der ersten, das nach dem Krieg bespielbar war. Ich erinnere mich noch ein bisschen mit Wehmut des 29.Juni 1946:
In der Pause während der „Liliom“-Aufführung sitzt Albers vor seinem Schminktisch in der Garderobe , in der ersten Etage gelegen. Plötzlich fällt ihm der Schminkstift aus der Hand. Ungläubig starrt Hans in den Spiegel. Er sieht eine englische Uniform, ein schräg sitzendes Käppi auf rotem Haar, sieht in ein strahlendes Augenpaar und auf einen roten Mund. Hans springt auf, so hastig, dass der Stuhl umfällt. „Hansi!“ ruft er.
Wie schon oft zuvor, hatte ich ihn in der Pause in seiner Garderobe aufgesucht. Nun aber verließ ich angesichts der Rückkehrvon Hansi Burg den Raum. Ich konnte gerade noch sehen, wie diese beiden Menschen sich nach endlos erscheinender Trennung weinend in den Armen lagen. Nie mehr, so glaube ich, hat Albers seine Bühnenrolle so ergreifend gespielt wie an diesem Tag der Heimkehr von Hansi Burg. Sie, eine Jüdin, hatte am Anfang der Hitlerdiktatur Deutschland verlassen, um ihrem Hans die Karriere nicht zu verbauen. Ihm sollte es nicht so ergehen, wie später dem Schauspieler Joachim Gottschalk, der den Freitod wählte. In dem Film „Ehe im Schatten“ wurde nach dem Krieg allen jüdischen und nichtjüdischen Menschen ein Denkmal gesetzt, denen, die aus Liebe zu ihrem Partner entweder emigrierten oder freiwillig aus dem Leben schieden.
Hans Albers hat fast 50 große Tonfilme gedreht, und in allen spielte er die Hauptrolle. Auch schrieb er einige Liedtexte selber wie z.B.: „Weine nicht, wein' doch nicht. Musst nicht traurig sein …“ für den Film „Das Herz von St Pauli“. Im letzten Film, den Albers noch 1959 drehte und der den Titel trug: „Kein Engel ist so rein“ war Sabine Sinjen seine Partnerin. Am Schluss dieses Streifens sagte er, auf das Publikum herunterblickend, die prophezeienden Worte: „… und das ist das Ende!“ Gemeint war natürlich das Ende des Filmes bei der Uraufführung am 18. Februar 1960.
Fünf Monate nach dieser Premiere kam dann wirklich das Ende für den so überaus beliebten Schauspieler.
Im Wiener Raimund-Theater spielte er die Hauptrolle in dem Musical „ Katharina Knie“ nach dem Schauspiel von Zuckmayer. Nach einigen Aufführungen fühlte er sich verausgabt. Man vermutete einen grippalen Infekt und brachte ihn in eine Klinik. Weil er aber nach Hause in sein Heim am Starnberger See in Bayernwollte, tat ihm Hansi Burg den Gefallen. Dort, in Tutzig, konnte er nicht bleiben. Wegen schwerer innerer Blutungen lieferte man ihn in ein Sanatorium in Kempfenhausen ein. Das war Anfang Juli 1960. Am 24. Juli schloss der große Mime, der geliebte und bewunderte Schauspieler für immer seine Augen, deren Glanz in den letzten Monaten so ganz allmählich erlosch…Am 29. Juli wurde er auf dem Ohldorfer Friedhof in Hamburg beigesetzt. So war es sein letzter Wille.
Eine seiner drei Schwestern, Mimmi Tölle, stand noch lange Zeit nach seinem Tod mit mir in telefonischer Verbindung. Am 18. April 1962 schrieb sie mir u.a.: „Hans war in den letzten Jahren kein glücklicher Mann, er war seelisch krank, er lebte einsam fast nur in seinem Bootshaus. Die Welt sah ihn anders, so musste es ja sein!“
Ich bin glücklich, Hans Albers für einen nicht sehr langen, aber für mich doch sehr wichtigen Zeitraum erlebt zu haben.
Zu den Dreharbeiten seines ersten Nachkriegsfilmes „… und über uns der Himmel“, lud er mich ein, mich umzuschauen und mit allem, was zum Entstehen eines Films gehört, ein bisschen vertraut zu machen. Das war in den ehemaligen UFA-Studios in der Oberlandstraße. Hier habe ich auch Hans Albers zum letzten mal gesprochen.
Joachim Cadenbach, der bekannte Funk- und Fernsehmoderator, dem ich selbst den Impuls zu meinen Büchern in Berliner Mundart verdanke, hat über Hans Albers ein sehr eindrucksvolles Buch geschrieben und setzte ihm so ein bleibendes literarisches Denkmal.
Ich bedauere es sehr, dass man bis heute das damalige Versprechen, einer Straße hier in Berlin den Namen des grßen Darstellers zu geben, noch immer nocht eingelöst hat. Vielleicht sollte der Senat enmal darüber nachdenken.
Dann würde der Satz: „Die Nachwelt flicht dem Mimen doch noch Kränze!“ endlich erfüllt werden.
Danke, lieber, verehrter Hans Albers
von Kurt Steinkraus