AU 2008 03 Melbourne, Straßenbahnbekanntschaft..

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von Willi Grigor

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..und was sich daraus ergab

Ein kurzes, zufälliges Gespräch mit der 102-jährigen Lovisa Ö. und ihrer 78-jährigen Tochter Joy Ö. in einer Straßenbahn in Melbourne hat uns zum geschichtsträchtigen "Toorak House", (heute die "Schwedischen Kirche") und dem dortigen Pfarrer-Ehepaar Kristina und Per-Anders S. geführt.
Es zeigte sich, dass über deren Maria-Ikone ein gemeinsamer Link zu unseren besten Freunden Siv-Britt "Bibi" und Karl-Åke N. in Åmål, Schweden besteht.
Daraus wiederum ergab sich ein erneuerter Kontakt dieser beiden Pfarrer-Ehepaare, die sich aus den Augen verloren hatten.
Darüber hinaus bewirkten das Gespräch auch ein weiteres unerwartetes Zusammentreffen, nämlich mit Kerstin L. aus Åmål, die Gullan (meine Frau) zwar flüchtig kannte, ihren Wohnort in Australien aber nicht.

Lovisa und Joy Ö.
Wie früher schon erwähnt nahmen wir am 16. April am Nachmittag die Straßenbahn nach Hause (die Dreizimmerwohnung im Stadtteil Toorak, die wir zwei Wochen im Rahmen eines Wohnungstausches bewohnen durften). Ein Herr saß uns gegenüber und zwei ältere Damen auf der Bank neben uns. Der Herr sprach uns an und fragte woher wir kommen und was uns hierher führte. Das passierte häufiger, die Leute sind sehr offen und freundlich. Ich erzählte etwas von Sweden und Holiday, worauf die jüngere der beiden Damen sich einmischte und auf schwedisch fragte: “Sie kommen aus Schweden? Meine Mutter auch!” und zeigte auf die ältere Frau, die auch gleich anfing, schwedisch mit uns zu sprechen. Wir waren überrascht, entschuldigten uns bei dem freundlichen Herrn und wandten uns neugierig den beiden Damen zu. Gullan setzte sich neben die ältere und ich zückte die Kamera.
Wir erfuhren, dass es sich um Mutter und Tochter handelte, die wie wir im Stadtteil Toorak wohnen, zwei Haltestellen weiter als wir. Wir konnten uns knapp 15 Minuten lang unterhalten, bis wir aussteigen mussten. Die Mutter, Gertrud Lovisa Ö, war 102 Jahre alt und die Tochter, Joy Ö., 78!

Lovisa, so wollte sie angesprochen werden, kam vor 80 Jahren nach Australien, und sprach noch gut schwedisch und hatte auch noch ein gutes Gehör. Da die Tochter ja so viel jünger war, kamen die meisten Erklärungen von ihr.
Joy erzählte, dass ihre Mutter in Umeå im schwedischen Norden geboren wurde, einen Seemann heiratete und mit ihm nach Australien ging.
Mutter und Tochter wohnen jetzt ganz in der Nähe von der Schwedischen Kirche in Melbourne, wo sie jeden Sonntag die Messe besuchen. Der nächste Tag war ein Sonntag und sie fragten, ob wir nicht auch kommen wollten. Wir waren interessiert, versprachen es aber nicht, da wir nicht wussten, wie der morgige Tag sich gestalten würde.

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Einschiebung

Wie im Weiteren zu lesen ist, hat sich aus diesem Treffen einiges Unerwartetes ergeben. Am Sonntag gingen wir nicht zur Schwedischen Kirche aber einige Tage darauf, haben die Damen aber nicht angetroffen. Als wir bereits im Haus in Scarborough, in der Nähe von Brisbane, wohnten und anfingen unsere Erlebnisse in Berichte zu fassen, telefonierte Gullan mit Tochter Joy, um sich nachträglich zu bedanken und etwas mehr über ihre alte Mutter zu erfahren:
Joys Mutter Lovisa wohnte als Mädchen in Umeå, im nördlichen Schweden. Sie hatte einen Freund, der zur See fuhr. Er kam 1922 nach Melbourne und beschloss, zusammen mit einem Schiffskamerad, dort zu bleiben. Mit Briefen hielt er Kontakt zu seiner Freundin Lovisa. Nach 5 Jahren hielt er um Ihre Hand an. Er fuhr nach Schweden und heiratete Lovisa. Sie fuhren dann mit dem Schiff nach Melbourne. Er hörte mit der Seefahrt auf und begann eine Anstellung in einem Elektrohandel. Nach einigen Jahren startete er einen eigenen Elektroladen. 1930 gebar Lovisa ihre Tochter Joy. 1981 wurde Lovisa Witwe. Sie und ihre Tochter fliegen jedes Jahr nach Schweden. Voriges Jahr (2007) war ein großes Familientreffen in Schweden, wo die damals 101-jährige Lovisa natürlich der Mittelpunkt war.

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Gullan erwähnte, dass wir in Åmål wohnen. Darauf sagte Lovisa, dass eine Frau aus Åmål, die schon seit vielen Jahren in der Nähe von Melbourne lebt, sehr in der Schwedischen Kirche engagiert ist. Gullan wurde hellhörig. Sie wusste von einer Frau aus Åmål, die in Australien mit einem Qantas-Pilot verheiratet ist und die schwedischen Sommer in einem etwas abgelegenen Haus nahe Åmål verbringt. Gullan hat sie auch einmal in Åmåls Heimatmuseum getroffen und mit ihr gesprochen. Sie fragte: “Heißt die Frau Kerstin L.?” Ja, so war es. Gullan gab den beiden Damen die Telefonnummer unseres Appartements mit der Bitte, diese Kerstin morgen zu geben, falls wir nicht zur Kirche kommen sollten. Sie wollte diese durch Zufall gekommene Gelegenheit nicht verpassen, Kerstin aus Åmål in Australien zu treffen.

Wir näherten uns unserer Haltestelle Toorak Road/Grange Road und wir verabschiedeten uns von den netten Damen.

Hier war auch unser Shoppingcenter, in dem wir Wein, Brot und Käse für das Picknick vor dem
Open-Air-Konzert heute Abend kauften. Bis zu unserer Wohnung waren es noch ca. 300 Meter.

Nach unseren Wanderungen bei einem Ausflug nach Frankston am nächsten Tag waren wir so müde, dass wir nicht zur Schwedischen Kirche gingen, sondern dies auf einen anderen Tag verschoben.

Toorak House
Nach einigen Tagen gingen wir dann los, um der Schwedischen Kirche einen Besuch abzustatten. (“Schwedische Kirche” ist eine Institution - ähnlich wie “Anglikanische Kirche” - die außerhalb Schweden Diözesen in vielen Städten der Welt betreibt.)
Wir gingen zu Fuß, da sie nicht weit von unserer Wohnung entfernt war. Wir machten allerdings einen Umweg, da wir hofften, einige Supervillen zu sehen zu bekommen, die es im Stadtteil Toorak geben soll. Unsere Neugierde dahingehend wurde nicht enttäuscht! Dazu mehr in einem anderen Melbourne-Bericht.

An einer Kreuzung sahen wir ein kleines Hinweisschild, auf dem “Swedish Church” stand. Wir folgten dieser Straße, auf der sich Traumvillen aneinanderreihten. Wo soll denn hier eine Kirche sein, dachten wir. Währen da nicht die schwedischen Fahnen gewesen und ein Schild, wir hätten das große weiße Gebäude mit dem großen Garten mit Swimmingpool als eine der vielen Supervillen in dieser Gegend gehalten. Wir waren erstaunt: Das war also die schwedische Kirche in Melbourne!
Wir gingen durch das offene Tor und ich machte gleich einige Fotos.

Nachdem ich den Garten mit den alten Bäumen, das Gebäude und den Swimmingpool, in dem sich Kinder tummelten, fotografiert hatte, merkte ich, dass Gullan weg war. Ich ging durch die mächtige Tür ins Haus und sah sie

© Willi Grigor, 2008 (Rev. 2016)

Prosa und Gedichte:
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