Wie es begann, wie es endete
Mein erster Flug so ganz alleine,
ich spreche jetzt vom Segelfliegen,
war ein Gefühl, das, wie ich meine,
vergleichbar ist mit Nachwuchs kriegen.
Mein erster Flug als Passagier
weckte Neugier, Lust in mir,
möglichst schnell herauszukriegen
wie es wäre, selbst zu fliegen.
Telefonkontakt mit Flugverein,
Mitgliedschaft, Anmeldeschein
Information, Aufmerksamkeit,
Fliegerarzt, Flugtauglichkeit.
Den ganzen Winter Theorie:
Luftrecht, Navigation, .. Meteorologie.
Im Mai fünfundachtzig dann Flugbeginn.
Der nahe Flugplatz in Karlstad gab Zeitgewinn.
Arbeitskollege Sven war mein Segelfluglehrer,
ich war betreffs Fliegen sein großer Verehrer.
Er war als Pilot eine Naturbegabung,
ein Meister der Flugsteuerungshandhabung,
mit schwedischer Fluglehrerlizenz Nummer zwei,
war WM-Fünftbester, bei einer SM Platz drei.
Die ersten Flüge im vorderen Sitz
sind wie Höllenfahrten in den Tod,
mit einem Schutzengel im hinteren Sitz,
der dich rettet in höchster Not.
Der Flugzeugschlepp, ich meine es ehrlich,
war so himmelgottverdammt beschwerlich.
Ich kam zu hoch oder zu niedrig
oder zu weit auf eine Seite.
Es war bedrohlich, ja es war widrig,
wär ich am Boden sucht' ich das Weite.
Doch Lehrer Sven saß lachend nur
und machte schnell die Korrektur.
Sven war ein Typ, der ließ dich machen
die Fehler bis kurz vor dem Blutsturz.
Dann hörte man hinten sein lauthelles Lachen
und rettete uns vor dem Absturz.
Wer nicht aufgibt, erlebt bei den weiteren Flügen
außer Panik auch eine Art von Vergnügen.
Der lernt das Beherrschen der schweren Momente,
legt ab was am Anfang die Freude so hemmte.
Nach zwanzig Flügen, sechs Stunden Flugzeit
kam sie für mich, die Stunde der Wahrheit:
Der erste Alleinflug war kurz und gab Klarheit:
Sven lief mir entgegen, mit Lachen und Loben,
mich lähmte ein Glücksgefühl, siehe ganz oben.
Und es gab weiterhin Gründe zum Frohsein:
Noch ein paar Stunden, dann hab ich den Flugschein!
Die Prüfung bestand ich bequem, ohne Not,
und war jetzt ein Segelflug-Anfangspilot.
Ein Greenhorn hat Glück, das ist nun mal so.
Bald kam es zu mir, welch herrlicher Freitag.
Früh fuhr ich zum Platz, ganz locker und froh,
an einem cumulus-sonnigen Maitag.
Ich mache es kurz, es war mein Rekordflug,
ein schneller Aufstieg, wie mit dem Aufzug.
Auf 3000 Meter verließ ich den Aufwind,
das war nach den Regeln geboten:
Mir war das Fliegen in Wolken verboten.
Dieser Flug in einer alten K8
hat mich in die Club-Annalen gebracht.
Es wurde ein Langflug, eisig und harsch
und ich geehrt mit dem "Silbernen Arsch".
Mein Hintern war, ich weiß es genau,
vom Gefühl her tot und farbmäßig blau.
Ich hab ihn verdient, ganz unbestritten.
Nun sind wir drei, die in diesem Schlitten
über fünf Stunden die Mühsal durchlitten,
im Sitzen geflogen, doch eher geritten.
Es kamen Jahre mit vielen Stunden
auf dem Flugplatz und viel weiter oben.
Mit vierzig hatt' ich mein Hobby gefunden,
es viel zu lang vor mir hergeschoben.
Den Reiz des Schwebens in höheren Sphären
kann man erfahren jedoch nicht erklären.
Unter den Wolken die Thermik erfassen
und kreisend sich nach oben ziehn lassen,
ist ein Erlebnis der besonderen Art,
mit Freude, Genuss und Frohsinn gepaart.
Ein Motorsegler gab neue Erfahrung
und meiner Fluglust ganz neue Nahrung.
Nun konnte ich fliegen, beliebig, nach Laune,
und viele mit mir, wie ich heute noch staune.
Familie, Freunde, Verwandte, Bekannte
saßen im Cockpit und jeder erkannte:
Dalsland mit Wäldern und glitzernden Seen,
ist reizvoll und prächtig von oben zu sehn.
Fliegen war in dieser Zeit
ein wahrer Quell der Freudigkeit,
eine außereheliche Leidenschaft,
die reine Freude, nicht Leiden schafft.
***
Zehn Jahre mit Herz bei der Fliegerei,
Ein Fehler am Herz, dann war es vorbei.
Der Traum war zu Ende, erst hab ich gebebt,
nun bin ich froh, denn ich hab ihn gelebt.
© Willi Grigor, 2014 (rev. 2016)
Aus dem Leben
Sven "Fakiren" Jonsson starb 1988 bei einem tragischen Unglück mit dem Ultraleichtflugzeug ULF-1. Bei einer Vorführung ließ er sich von einem Pferd hochschleppen. Bei einer Höhe von ca. 100 m koppelte er sich ab, und leitete die Kurve zur Landung ein. Ein Teil der Flügelbespannung löste sich und das Flugzeug war manövrierunfähig.
Link zum zugehörigen Gedicht:
literatpro.de/gedicht/160317/segelflug-5-ein-typ-der-wohl-im-grab-noch-lacht
Mein Fluglehrer, Freund und Arbeitskollege Sven Jonsson (besser bekannt unter dem Spitznamen "Fakiren") kaufte sich Anfang der 1980er Jahre in Deutschland den Bausatz für ein ULF-1, ein ultraleichtes Segelflugzeug mit nur ca. 50 kg Gewicht. In langer, penibler Heimarbeit baute und klebte er es zusammen.
Mit den Beinen durch den offenen Sitzbrunnen, kann man dieses Flugzeug auf die Schulter spannen, eine kurze Strecke einen Hang oder Berg hinunterlaufen bis es abhebt und dann nach unten schweben.
Sven entwickelte aber auch andere Startmethoden: Sich mit einem Pferd oder mit einem Schwebegleiter auf einem zugefrorenen See hochziehen lassen. Er montierte auch einen Motor mit einem selbst geschnitzten Holzpropeller auf und schwebte einige Meter über einen zugefrorenen See.
Dies alles habe ich mit meiner Super-8-Kamera seinerzeit dokumentiert. Auf mir unbekannte Weise kam ein Video mit Ausschnitten aus meinen Filmen auf YouTube. Hier ist der Link zu meinem Video:
http://www.youtube.com/watch?v=86rOfjhsIIM
Anschauen empfehlenswert, das ist erlebte Filmgeschichte!
Konstrukteur Dieter Reich stellt das ULF-1 vor:
http://www.youtube.com/watch?v=joKakC0318o