Brondo liebt Herta, seine Rose, blutrote Rose - Page 3

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von Monika Laakes

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Unterholz des Uhlenhorster Waldes. Seine Umarmung sollte innig sein, so inniglich wie das Erspüren von Ewigkeit. Ewiglich würde sie ihn stützen können. Herta, Lehrerin und fürsorgliche Gefährtin, mit sicherem Ein- und Auskommen. Das tat seiner Künstlerseele gut. All seine Existenzängste würden sich zur Jahreswende in Nichts auflösen. Er würde Herta wie einen Augapfel hüten und umhegen. Herta, seine große Liebe.
Brondo drückte zärtlich Hertas Arm. Sie erwiderte mit einem Streicheln über seine Hand.
„Ach Liebste. Ich werde die Ringe besorgen“, entfuhr es ihm. All seine Leidenschaft floss in diesen Satz. Er küsste ihre Stirn und genoss den Anblick des wunderschönen Mundes.
Herta indes blieb stumm. Brondo ergötzte sich an der Statik dieses Moments. Auch diese Qualität würde sich im Verlauf der bevorstehenden Ehe noch vertiefen lassen. Herta war tatsächlich stumm. Ihre Oberlippe quoll über den Schneidezähnen hervor. Ach, wie liebte er diesen Moment, diesen glücksbringenden, köstlichen Moment. Könnte er ihn nur festhalten, über die Dauer seines Lebens einfach festhalten.
„Wann, Liebste, wann werden wir?“
Herta zog hörbar Luft durch ihre Nasenflügel. Sie schnaubte wie ein Füllen.
„Ach Brono. Brondo mein Herz. Was du nur denkst.“
Sie blickte ihn durchdringend an. Sie strich sich die langen Haare aus dem Gesicht. Der helle Sonnentag machte Blitze auf ihren Brillengläsern.
Brondo musste ihr heute einen Vorgeschmack auf die Hochzeitsnacht bieten. Heute würde all seine Sehnsucht und Zärtlichkeit in eine innige Umarmung fließen. Er suchte mit den Augen den Waldboden ab. Dort, auf dieser Wurzel würde sie sich ihm entgegenstrecken. Mit sanftem Druck zeigte er ihr die Lagerstätte. Herta zierte sich eine wenig.
„Ach du.“
Herta, die geliebte Frau, die sich nur an ihn verschenkte, nur an ihn. Die ihm alles schenkte. Wie sie sich zu zieren verstand, das ließ Brondo vor Leidenschaft verglühen. Mit unnachgiebigem Druck bettete er sie auf der ausgesuchten Stelle. Ihr leises Stöhnen war für ihn ein zusätzlicher Liebesbeweis. Der harte Boden mit dem hervorstehenden Wurzelwerk würde ihren Rücken malträtieren. Doch ihre Liebe zu Brondo war grenzenlos. Sie ertrug einfach alles für ihn, seine Traumfrau. Geliebte Herta. Er bedeckte ihr Gesicht mit heftigen, feuchten Küssen. Er stöhnte voller Inbrunst. In ihr schlummerte seine Zukunft, in ihr würde er seine Sicherheit finden.
„Brondo, mein Herz“, hörte er ihre Stimme. Sie hatte an Festigkeit gewonnen. Sie wirkte kühl und sachlich.
„Also höre mir bitte einmal zu. Hier liegt ein Irrtum vor, du Guter.“
Brondo erstarrte. Eben noch im Rausch der Leidenschaft, traf ihn ihr sachlicher Ton bis ins Herz.
„Irrtum? Was meinst du mit Irrtum, Liebste?“
„Brondo, wie du mich rührst.“
„Oh Herta.“
Wieder entfachte in ihm die Glut der Leidenschaft. Er nestelte an ihrer Jeans und verfluchte insgeheim den schwer zu öffnenden Knopf.
„Bitte lass das. Ich muss mit dir reden.“
Dieser Ton konnte nicht Hertas Kehle entsprungen sein. Wie fremd sich das anhörte. Ob auch sie einen zweiten Menschen in sich beherbergt, so wie Brondo? Gabriel, sein Alter Ego, der in seiner linken Hälfte wohnt. Brondo blickte in ihr Gesicht. Ihr Lächeln glich eher einem Zähnefletschen. Ihre Augen blickten kalt.
„Nun lass mich erst einmal aufstehen“, sagte sie in gereiztem Ton.
„Nicht jetzt. Bitte Liebste, nicht jetzt. Bitte zerstöre nicht den großen Zauber dieses Augenblicks.“
„Ich will dir doch erklären.“
Brondo bedeckte ihren Mund mit Küssen.
„Ich will dir endlich sagen, dass ich uns angemeldet habe“, stieß sie atemlos hervor.
„Ah.“
Aus Brondo quoll dieser himmlische Ton der Erleichterung. „Ah.“
„Ja. Wir werden gemeinsam.“
„Ah.“ Nochmals unterbrach er sie und bedeckte ihren Mund mit seiner Seele, die sich in seinem Mund festgesetzt hatte. „Ah.“
„Schön. Du bist einverstanden?“
Sein „Ja!“ war ein spontaner Jubelschrei. „Jajajaja, geliebte Frau!“
„Dann singen wir gemeinsam im hiesigen Kirchenchor? Du bist einverstanden? Wie ich dich liebe, du Guter.“
Brondo atmete schwer. Herta zwitscherte erneut: „Du hast so eine schöne Stimme. Wir singen im Weihnachtschor. Die Proben für die Mette sind schon voll im Gang.“
Sie hatte feuchte Augen.
Brondo mochte es schier das Herz zerreißen. Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.
„Und was ist mit der Hochzeit?“ hakte er nach. „Hast du uns beim Standesamt nicht angemeldet?“
„Aber Liebster. Was du nur sagst. Wie einfältig du doch bist. Wie sehr ich das, genau das an dir liebe.“
„Sei ruhig.“
Die Stimme Gabriels war hart. Diese Frau konnte nicht Herta sein. Aus diesem Munde sprach nicht seine geliebte Herta. Die Zukunftsperspektive war mehr als belastend, sie war schier unerträglich. Zu all seiner verschmähten Liebe und Zärtlichkeit sollte er auch noch die Qual der zerstörten Schönheit Hertas ertragen müssen. Dieser Mund, den er nun betrachtete, würde bei all ihren Begegnungen niemals geschlossen bleiben. Ihm würde keine Chance der stillen Versenkung gegönnt. Zudem müsste auch Brondo seine Stimme hergeben und seine Manneskraft in den Gesang einfließen lassen. Brondo und Herta im Kirchenchor, ein unerträglicher Gedanke.
Gabriel mochte Brondo nicht leiden sehen. Er ertrug es einfach nicht, seinen Kumpel von Gott und der Welt und vor allem von Herta so verlassen und unverstanden zu sehen. Herta, die ja nicht Herta sein konnte. Es musste Loretta sein, der Geist seiner verstorbenen Frau. Ein Racheakt der Natur. In Brondo wuchs die Erkenntnis um Lorettas Anwesenheit. Sie hatte ihn ein Leben lang mit Eifersucht und Machthunger verfolgt. Auch damals tröstete ihn Gabriel, sein Intimus. Er warf sie mit aller Kraft auf die Leinwand. Er hielt Lorettas Körper, Geist und Seele fest. Unverfälscht als Portrait. Zerstückelt in alle hässlichen Einzelheiten. Entblößt bis in ihre versteckte Hölle. Lorettas Portrait hängt seitdem im Museum der Stadt. Dies war seine Art, sich zu befreien. Im Rausch der Farben und im Rausch der Formen mit Loretta abzurechnen. Sie konnte das nie verzeihen und trennte sich von ihm auf eine ihr eigene Art. Sie räumte alle Konten und verschwand mit einem jungen Mann. Der liebte sie ins Grab hinein.
Brondo fürchtete sich seitdem vor ihrem Geist. Der schien in Herta gefahren zu sein. In seine überaus geliebte Herta. Gabriel zögerte nicht. Er wollte und musste Loretta zum Schweigen bringen. Es kostete nicht viel Mühe. Loretta schloss ihren Mund, während Gabriel sich anstrengte, diesen beseligenden Status zu erhalten. Er schöpfte die Kraft der Hand, seiner linken, voll aus und drückte mit aller Macht, bis zum Erzittern, Lorettas Kehle zu. Zuletzt zuckten ihre Beine wie bei einem vogellahmen Hühnchen. Dann war Herta von Loretta befreit. Ein

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