Gegenstück - Page 3

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Todesangst gegen die nie zu durchstoßende Wand.

Der Töter blickt überlegen herab. Belächelt die Blödheit des Inhaftierten. Wie kann einer hoffen, mit seinem puren Fleisch das stählerne Gefängnis auch nur anzukratzen?

Einer Ratte, die ihre Absicht zeigt, legt der Feind Gift. Eine Ratte, die sich zum Kampf stellt, erschlägt der Feind. Nur wenn die Ratte ihre Situation erkennt, wird sie eines Tages triumphieren.

Herrschen nicht nur mittels Betrug, letztenendes mit Gewalt.

Herrschende Gewalt ist unterdrückende Gewalt. Gewalt der Unterdrückten ist Herrschaft verdrängende Gewalt.

Unterdrückte sollen nicht mit den herrschenden Waffengattungen kämpfen. Darin sind die Herrschenden überlegen. Sie würden sonst nicht herrschen.

Satisfaktionsfähige Waffen, Mann gegen Mann, sind den Herrschenden ein Vorteil. Die Unterdrückten verlieren damit den Vorteil der vielen gegen die wenigen.

Wer die Situation nicht erkennt, greift zu den falschen Waffen. Das ist schlimmer als keinen Kampf zuführen. Das läßt den Herrschenden die Unterlegenheit des Kämpfers demonstrieren. Dann verachtet sich der Kämpfer am Ende selbst. Kann nur noch sich fügen oder sterben.

[2]
Mann, von Speise und Trank erhoben. Gegenstände kargen Lebens in seinen Händen und Gedanken. Gastgeber breitet Kleidungsstücke von dahingerafften Familienmitgliedern aus.

Nicht nur erkennen die Eingeborenen die Wurzeln des Unglücks nicht. Sie verstehen auch nicht die Sprache dessen, der viel davon weiß.

Versteht auch der Gast deine Sprache nicht, er kennt dein Entsetzen. Der Planet wird von den Menschen deines Bluts entledigt. Blankgefegt von der leisesten Spur eurer Existenz.

Du hast kein steinernes Haus, kein metallenes Werkzeug. Hütte, Holzgerät, Ornament, Lieder. Die leicht zerstörte Seele deines Volkes wird das erste Jahr auf dem Müllhaufen der Sieger nicht überdauern.

Kalt schaudert mich deine Ausrottung. Ausrottung all deiner Menschen. Des kleinsten Zeichens, daß ihr die Erde bewohntet. Des Wissens, daß es euch gab.

Eine Frau mit den Beinen nach oben in einen Baum gehängt und mit zwei Machete-Schlägen zerteilt.

Dem schreiend davon laufenden Kind in fremder Sprache Hände hoch oder ich schieße rufen und schießen.

Keiner fürchtet die Rache eines todgeweihten Volks.

Söldner fragen erschreckte Zeugen. Wenn der Tod beschlossen ist, was soll dann human, inhuman? Scheinheiligkeit.

Das weltbeherrschende Unbekannte tilgt alles deinige aus und alles, das deine Austilgung bemerken könnte. Du verstehst nicht, was die Herren in ihren strahlenden Palästen veranlaßt, die kargen Hütten deines friedliebenden Volks zu vernichten.

Erkenne es. Das Verderben hat im Grunde schon seine Arbeit getan. Die Quellen deines Bluts sind versiegt. Bald hat der letzte deines Volks die Luft des Planeten zum letzten Mal geatmet.

Dein Leben hat für deine Rasse keinen Belang mehr. Eure Lenden sind erkaltet.

Wenn die Nachkommen der Mörder sich einst über die Taten ihrer Väter entrüsten, hat das für dein Volk keine Bedeutung mehr.

Das Wehgeschrei einer späten Rache erreicht euch nicht. Kein Tropfen eures Bluts fließt in den Adern der Rächer.

Keiner bringt euer Blut je wieder zum Kreisen. Eure Lieder zum Klingen, euren Lebenssinn.

Was soll es dem Letzten eines Volkes, wenn sein Tod eine unverwandte Menschheit läutert? Er hat keine Mutter, keine Tochter mehr.

Was noch geschieht, hat mit den Getöteten nichts mehr gemein.

4 Hügelland

[1]
Hügelland. Äcker, Wiesen, kleine Wälder. Nicht zu enges Netz von Straßen und Wegen. Vielleicht in der Ferne Einzelne, Kolonnen, Zugtiere. Gehender Mann.

Ich gehe auf den Wegen dieser Landschaft. Aber das ist wie ohne Weg.

Kein Weg bringt mich näher, wohin mich verlangt. Wege und Straßen führen mich nicht zum Ziel. Wahrscheinlich keinen.

Wären diese Wege und Straßen nicht, wäre wenigstens ihre Sinnlosigkeit weniger. Ohne befestigte Routen gibt es nichts Sinnloses auf dem Planeten.

Die ausgetretene Erleichterung eines Weges ergötzt mich dennoch nach beschwerlichem Acker. Selbstverständlich Wege und Straßen betreten, obwohl sie nicht bringen, wohin mich lüstet.

Ein Wegstück in Richtung des Zieles zur Erleichterung nehmen. Es rechtzeitig verlassen, wo es eher weg als hinwendet.

Auch einen Gefährten nehmen. Wenn er auch nur für eine kurze Strecke danach ist. Seine Absicht letztenendes ganz anders als die eigene. Bedeutungslos ist sein Ziel, imaginär, eine Sage.

Nicht mit jedem ein Stück. Vielen folgen ist nichts. Mit einem ans Ende ist nur Konvention.

Doch ist einer danach, auf den gemeinsamen Wegen ohne Schaden zur gegenseitigen Erquickung gehen.

Schemen, Wanderer, unbekannte Orte. Molekularbewegung.

Ich weiß nicht, wohin. Nicht welchen Weg, einerlei wohin. Kein Ziel und schon gar keinen Weg.

Mit einem, der sich nicht wundert, daß ich, ohne den Weg weiß, gehe. Wohin ich den Namen nicht weiß, ein Stück gemeinsam gehen.

[2]
Jüngling. Kräftig, ernst, stumm, später Diktator. Mann.

Der versteht mich auf Straßen, die führen, woran ich vorbei will. Zumindest frägt er nicht.

Der preist kein Ziel. Überredet nicht. Obgleich es paßt. Der macht mich nicht herab.

Das ist ein Gefährte. Ich fühle mich wohl. Achte sein anderes Wollen. Sein Ort befremdet mich nicht. Der gern mit mir geht, der ich nicht gehe, wohin es ihn zieht.

Ein verzweigtes Netz von Wegen und Straßen haben die Einwohner, schwach und klein, übers Land gelegt.

Menschen schufen ein Werk, tausendmal größer als ihre Schritte. Breit, daß Völker darüber ziehen.

Verstand und Beharrlichkeit haben dieses Netz im Land verankert. Gegen die riesige Natur die Schäden immer wieder ausbessernd. Regen, Sturm, winters, sommers. In der langen Reihe der Vorfahren und Nachkommen.

[3]
Jüngling, illusionslos.

Nichts Verwunderliches ist an diesen Wegen. Siedlungen entstanden im Land. Menschlicher Drang zur Verbindung.

Auch nicht zu verwundern, in einem Straßennetz über Wege zu gehen, die anderswo hin führen, als zu Wanderers Ziel.

Ich versteh, daß du jetzt mit mir gehst, obwohl du anderswo hin willst. Nur selten gibt es direkte Verbindung.

[4]
Mann, Jüngling, schweigend. Weite und Wellen in ihren Schritten. Auf Hügeln ragende Gestalten. In Tälern Vegetation. Ebene halbiert die Körper.

Straßen, Gleitbahnen in beschwerlicher Fläche. Kanäle für Körper, Produkte, Gedanken. Zur entfernten Liebe, zum Abenteuer des Geistes. Ausgleich von Mangel und Überfluß.

Aber auch für Kontrolle, Krieg.

Gefährte, zufrieden meiner Begleitung. Wenn es auch Trennung geben wird.

Die Ruhe der Landschaft ergreift uns. Wortlos neben dem Wortlosen. Nicht zum Sprechen veranlaßt.

Es würde nicht stören, wenn der andere spricht, doch warten, was ihn veranlaßt.

Schön, daß er nicht spricht, um mein Schweigen nicht zu teilen.

Das ist es ja, schweigend beisammen.

Wohlgefühl. Nicht unbedingt erstes Wort. Nicht vor Unbehagen die Richtung bestimmen. Ohne Mißtrauen.

Freunde, den Schritten überlassen. Die Liebe nicht benutzen.

Sich ungeliebt fühlend immer der erste sein müssen.

Meine Hand auf seiner Schulter. Seine Hand auf mir.

[5]
Mann, oft nur Gesicht, Oberkörper. Gefährte vor oder hinter ihm. Gehen beschwerlicher, Schweigen jetzt auch Müdigkeit. Landschaft flacher, Agrarland, steiniger, Gebirge. Fortgeschrittener

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