Er überreichte ihr diese goldgelben Blumen, die aussehen wie kleine bronzirte Lilien – – –.
»Bei mir verwelken alle Blumen – –« sagte sie und steckte das Bouquet in das braunseidene Gürtelband.
Dann stiegen sie in den Wagen und fuhren in den frischen Morgen hinein – – –.
Frisch war der Morgen, frisch – – –.
Der junge Mann sang: »den Finken des Waldes die Nachtigall ruft – –, von Geigenstrich hallt es goldrein durch die Luft – –«
»Singen Sie nicht – – –« sagte sie.
Er schwieg – – –.
»Singen Sie, wenn es Ihnen Vergnügen macht –«, sagte sie, »Sie haben eine hübsche Stimme – –. Singen Sie die letzte Strophe: »auf blumiger Höh' – – –.««
Er schwieg und blickte in dieses süsse geliebte Antlitz – – –.
Sie lächelte – –. Dann sah sie gleichgiltig in die Natur. Mit der konnte man nicht spielen. Die war kalt, gelassen und lächelte selbst – – –.
Lärchen mit hellgrünem Flor standen da auf hellbraunem Boden. An sonnigen Stellen auf kurzgrasigen Wiesen standen Blumen im Herbstkleid wie grauseidene Watta und dunkelgelbe Compositen auf graugrünen Stengeln.
Im marmorweissen Bachgerölle standen dunkle Weidengruppen und längs des Weges hellrothe Berberitzen – – –.
Es kam ein steiles Stück.
Der Kutscher stieg ab und ging neben dem Wagen.
Der junge Mann, das junge Mädchen stiegen aus – – –.
Sie pflückte heliotropfarbigen Enzian und band ihn zu den Blumen.
Er empfand das wie eine Auszeichnung. So wenig braucht man – –. Er sagte: »Wie Sie das gestern Abends gesagt haben – – –: »Sie werden morgen nicht mitfahren, Sie bleiben zu Hause, monsieur, wenn Sie so sind – – –.« Dann wandten Sie den Kopf um, weil ich zurückblieb, von ihrer Seite wich. Sie lächelten – – –. Sie lächelten wie wenn man sagt: »Nein, Du darfst mitfahren, ich bin wieder gut, aber sei nur nicht so dumm, bist Du denn ein Mann oder ein ganz kleines Baby?! Vielleicht möchtest Du sogar weinen – –?!««
Diese Art sich auszudrücken, die Seele plastisch hinzustellen, verstand sie gar nicht – – –.
Sie wurde nervös und sagte: »Sie, lassen Sie mich in Ruhe mit Ihren überspannten Sachen – – –.«
Dann sagte sie ein bischen schüchtern, unsicher: »Sie, monsieur, wie heissen diese rothen Beeren – –?! Sie wissen doch Alles – – –.«
»Berberitzen, Weinscharl – –« sagte er und hatte ein Gefühl wie Blei-Schwere.
Und sie: »Die sind hübsch – –.«
Das hiess: »Siehst Du, ich bin gar nicht so, ich führe mit Dir liebenswürdige Conversation – – –!«
Dann sagte sie: Ich kann nicht mehr gehen, steigen wir ein zu den Anderen – – –.«
Sie gab ihm den écrüseidenen Schirm zu halten und blickte ihn an wie wenn man sagt: »Bist Du böse –?!«
Der müde Zug verschwand aus seinem Antlitz. Er sah aus wie ein Zwanzigjähriger, der blonde Locken schüttelt und jauchzt – – –. Aber er war viel älter und es ging vorüber – – –.
Tannen in Trauer, Lärchen mit grünem Flor; Lärchen mit grünem Flor, Tannen in Trauer; Lärchen, Tannen, Tannen, Lärchen – –.
Der junge Mann summte das Cello-Motiv aus Manon. Dann sang er es sanft wie der Cellist in der Hofoper – – –.
Auf sumpfigen patschigen leuchtenden Wiesen standen weisse Sternblumen und gelbe Dotterblumen – –.
Wiesen, Wiesen – – –. Irgendwo begann ein Zaun und grenzte Sumpf ab – – –.
Plötzlich lag der See da, milchblau, mare austria cum – – –
Man stieg aus. Man badete im See und dinirte auf der Terrasse – – –. Spät Abends war die Rückfahrt. Alle nahmen Plaid's.
Der junge Mann sass ihr gegenüber – – –.
Sie hatte nicht mehr den triumphirenden Lach-Blick. Sie war müde – – –.
Die Wagenlaternen beleuchteten hellbraune kerzengerade Stämme und gelblichgrüne verwaschene Teppiche – – –.
Wie wenn man die Natur aus dem Schlafe weckte mit einem grellen Lichte – – –. Sie hat nicht mehr den triumphirenden Lach-Blick – – –.
Der Wagen fuhr langsam, vorsichtig, durch den dunklen, kalten Wald – – –.
Da dachte der Herr an die Stunden, in welchen die Dame sich mit ihm spielte wie mit einem Püppchen, Hündchen und quasi in die Händchen klatschte und jauchzte über ihre riesigen Ungezogenheiten – – –.
Es war wie eine Sehnsucht in ihm nach diesem goldenen Zeitalter – –. Es war die Jugend, das leichte launige Glück – – –.
Aber der Wagen fuhr langsam durch den kalten Wald und sie hatte den triumphirenden Blick verloren und war müde – – –.
»Singen Sie das Cello-Motiv aus Manon – – –« sagte sie sanft.
Er schwieg.
Aber sie fühlte, dass er es innerlich sang, mit lauter süsser Stimme, wie wenn die erste Begegnung im Gasthofe darin läge zwischen Des Grieux und Manon und alles Andere und der Tod auf fremder Erde, wo er sie begrub – – –.
Der Wagen fuhr langsam durch den kalten dunklen Wald –.
Landparthie
von Peter Altenberg
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Veröffentlicht / Quelle:
Wie ich es sehe 1896 / 1904; See-Ufer (Studien-Reihe)
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Interne Verweise
- Autorin/Autor: Peter Altenberg
- Prosa von Peter Altenberg
- Prosakategorie und Thema: Kurzgeschichten & Kurzprosa, Gesellschafts- & Entwicklungsinhalte