Von Menschen, Handys und Langeweile

Bild von Lena Kelm
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Gedankenversunken erreiche ich nach Feierabend den Innenhof meines Wohnhauses. Mich überrascht die Stille. Um diese Zeit, es ist später Nachmittag, ist es für gewöhnlich laut auf dem kleinen Spielplatz im Hof. Kinder aller Altersgruppen ohne und mit Eltern aus dem Viertel spielen hier. Oft übertönen Mütter, auf bequemen Bänken sitzen, ihre Kinder. Jetzt schaukelt hier ein einziges kleines Kind. Vielleicht liegt es daran, dass nach dem Regen Sand und Buddelkasten nass sind, ebenso die Bänke. Dieses Kind braucht noch kein Handy, es beschäftigt sich auch ohne, stelle ich zufrieden fest. Dann sehe ich die Mutter in der Nähe des Kindes, den Blick auf das Handy in der Hand gerichtet. Beiläufig wiederholt sie ständig: „Gut machst du das. Ich muss mal hier schnell…“ Nicht, was Sie jetzt denken, sie tippt anscheinend eine SMS. Diese Mutter langweilt sich nicht einmal auf dem Spielplatz. Oder anders herum, das Handy sorgt dafür, dass sie keine Langeweile hat. Vielleicht ist es eine Notsituation, bestimmt ist es dringend. Eine SMS kommt schneller an als ein Eiltelegramm, eine bequeme Angelegenheit. Sogar die Trennung einer Beziehung wird inzwischen per SMS kundgegeben. So verhalten sich Menschen, mit dem Handy hat das weniger zu tun, oder doch?

Neulich rief mich meine Tochter wegen einer SMS an. Meine Tochter ist in ihr Handy vernarrt wie viele jüngere Menschen heute. Sie kommuniziert mit mir per Handy, wenn sie in der Bäckerei einkauft: „Ein halbes Hausbrot bitte“, höre ich sie plötzlich sagen. Ein anderes Mal, beim Fleischer, heißt es dann zum Beispiel: „Zwei von dieser und zwei von der anderen Sorte.“ Sie redet mit mir unterwegs, auf dem Heimweg von der Arbeit, und ich höre die Ansagen so deutlich, als ob ich mich gerade auf dem Innsbrucker Platz befinde, der eben angekündigt wird. Aber ich verstehe sie schlecht und die Unterbrechungen der Verbindung nerven. Beim Geschirrspülen redet sie mit mir, das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt. Beim Staubsaugen hat sie es noch nicht versucht, glaube ich. Dabei würde sie sich wohl selbst nicht hören. Mein Hinweis auf die schlechte Hörqualität und Unhöflichkeit mir gegenüber, wirkt nur vorübergehend.

Zurück zum Anruf meiner Tochter. Eine Freundin lud sie vor längerer Zeit nach Köln ein. Das Flugticket war besorgt, knapp 24 Stunden vor dem Abflug bekommt meine Tochter eine SMS von ihrer Freundin. „Kann dich nicht aufnehmen. Komm nicht. Marina.“ Las meine Tochter aufgebracht vor. Beneidenswert kurzgefasst, ohne weitere Erklärung. Ich stellte mir alle möglichen Gründe vor. Vielleicht ist sie oder jemand erkrankt, sogar verstorben? Meine Tochter aber meinte: „Hätte sie einen wirklich wichtigen Grund, würde sie bestimmt eine Erklärung schreiben. Nein, sie würde anrufen, mir persönlich die Situation schildern. Sie hat ein schlechtes Gewissen und keinen Mumm, ist zu feige, mich anzurufen und mir etwas vorzulügen.“ Ich verstand diese Logik nicht. Meine Tochter sagte, sie kenne das zu genüge. Seitdem es SMS gibt, ist diese Art der Unterhaltung Gang und Gebe. Sie hasst die Unterhaltung per SMS. Und wieder sage ich mir, der Mensch geht damit so um, das Handy trägt keine Schuld. Na ja, eventuell indirekt, aber es ist und bleibt die epochale Errungenschaft des vorigen Jahrhunderts. Sie heilt Menschen eindeutig von Langeweile.

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