Schwule haben etwas bizarr Geschmäcklerisches. Allzeit finden sie eine seltsame Kultur richtig himmlisch. Wie ja auch das Flicken mit Männern. Darum ersinnen sie Raumschiff-Enterprise-Folgen mit flickenden Mister Spocks oder Arztromane, bei denen die Karbolmäuschen großschwänzige Schrilltunten sind. Weil sie eben schwul sind, ist es immer witzig, schräg und manieriert.
Es muss mir jemand erklären, warum es in deutschen Schwulenbüchern astrein gesittet zugeht. Ihre Protagonisten sind zwischen achtzehn und achtunddreißig Jahren alt und halten sich in anständigen, nicht zu protzigen Wohnungen auf. Dazu gehören dann Autos, Jobs, Freundeskreise. Konflikte ballen sich auf Ebenen, wo man die große Liebe finden kann. Warum nur müssen Bücher von Schwulen, in denen schwule Protagonisten schwules Dasein leben, ablaufen wie Trivialromane oder die Jugendbücher von Heterosexuellen?
Weil wir als Schwule das Gefühl haben, wir hätten keine richtiges Leben, das hinge mit uns zusammen. Und so erzählen wir uns diese richtigen Leben. Jeder der Schwulen zwischen 18 und 38 hat weltweit inzwischen superschönen Sex mit superschönen Partnern, supergute Freunde und supercoole Kinder, zumindest im Rahmen von Beruf, Verein oder ehrenamtlichem Engagement.
Heterosexuelle schreiben oft Bücher mit sogenannten Typen. Das sind verquere Existenzen, die garantiert nicht wie die Autoren sind, dafür farbiger. Genannt seien blinde Bibliothekare, kurz geratene Jazzschlagzeuger, rockmusikalische Serienmörder, achtzigjährige niederbayerische Bäuerinnen, bretonische Fischer, alpine Trafikbesitzer, die durch unseren Kopf kreisen. Die Protagonisten in schwulen Romanen strecken eine Hand aus. „Hey, ich heiße Stephan, ich fahre E-Roller, hatte mal eine Eintrittskarte für die Bayreuther Festspiele und lade dich zum tollsten Eisbecher dieser Stadt ein.“
Erbrechenslangweilige Biederputzigkeit.
Schriebe ich meinen schwulen Roman, hätte jeder von denen eine Totalmeise, die er für topgeil ausgibt. Sie kommunizieren, doch die Kommunikationen verunglücken. Alle gehen davon aus, dass der andere ihre Macke doch auch hat, aber jeder hat eine andere. Einige fügen sich ungeschälte Bananen zu; zu Vintage-Videobändern von den Eurovision Dong Contests der neunziger Jahre. Andere flechten Einkaufnetze aus Blei für Anselm Kiefer.
Wundervolles Wetter. Nico chattet am Abend auf dem Balkon. Zuverlässig hält er diese Dating-Verabredung ein. Lässige Jeans, geföhnt, gespült und rasiert. Seine Blicke erglänzen. So viel hatte er gar nicht erwartet. Jan ist als Akademiker von Berlin nach Frankfurt umgezogen. Sachliche Wohnung, ruhig und hoch. Unter der Vorgabe Sexdate sind diese zwei Männer, Anfang und Mitte dreißig, ins Gespräch gekommen, gehen aber erst noch aus auf einen kalifornischen Rotwein, wodurch sie beim Thema Liebe landen. Jans Familienname ist Bleibtreu und auf Treue legt Nico Wert. Unterdessen lässt Attila, der Grieche, dessen Freund Jens ihm eine Karte aus Marokko geschickt hat, ein Vanilleschaumbad ein. Hoffentlich wird er später nicht schwach werden wegen dem Premium Eis. Attila versucht, die ihn verfolgenden Reuegedanken zu unterdrücken. Kürzlich hat er mit einem kleinen 22-Jährigen rumgemacht, den er auf dem Flughafen Athen mit seinem Trolley gefällt hatte. Aber Attilas Vater liegt in diesem Moment in einer griechischen Provinzstadt im Sterben. Neben Attilas Wanne poppt die Message im Tablet. Fred, ein Bekannter, mit dem er Konzerte in London besucht hat, lädt ihn auf einen Sprung ein. Auch Fred liegt in der Wanne. So arrangiert Attila seinen glatten Körper neben Freds und sie verkehren oral. Attilas Kopf ist mit einem Mal weg, versunken unter der Schaumgrenze. Die letzten Tage, mit Jens, seinem Freund in Marokko, und diesem griechischen Jungen vom Flughafen, haben Attila überfordert. Zum Abschied bekommt Nico von Jan einen Kuss auf die Stirn. „Ich komme wieder, ich lasse dich nicht zurück“, sagt er.
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Anmerkung:
An dieser Stelle wäre es nicht schlecht, das nächste Kapitel [Vorstoß M/ Und alles wird so schön] noch mal zu lesen.