The Awakening - Page 2

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und der Erde schien so unendlich zu sein wie der gesamte Raum, indem sie fuhren. Vorbei an der physikalischen Maschinerie des Universums; vorbei an all den Antworten, nach denen auf der Erde so schmerzlich gesucht wurde. Fuhren sie oder bewegte die Erde sich auf den Bus zu. Würde Einstein im Bus sitzen, er könnte erklären, dass es Ansichtssache war, ob der Zug nach Norden fuhr oder die Erde sich nach Süden bewegte. So undurchdringlich das Geflecht des Seins, der Bestimmung und all dem drumherum war, so klar erschien es Billy, dass es wirklich Zeit wurde nach Hause zu kommen.
Drei verdammte Jahre musste der Amerikaner auf diesen Bus warten. Drei Jahre und nur, weil man nicht auf ihn warten konnte. Die drei Jahre wirkten auf der Erde sicherlich nie endend. Für Billy waren diese drei Jahre nichts. Sie rasten an ihm vorbei, während er in seinen eigenen Gedanken vollständig versank.
Immer wieder fühlte es sich an als würde er verzweifeln und zeitgleich wollte er die Faust in die Luft strecken um die Welt(oder was auch immer) zu erorbern. Momente, in denen er begann ein Imperium aus Sternenstaub zu bauen; Momente, in denen er wieder alles einriss. Zerlaufende Uhren von Salvador Dali huschten um die Haltestelle herum, während seine Gefühle, die Emotionen, die er nicht wirklich wahrnahm, in den schillersten Farben vor ihm herumschwebten als trage er einen von Avas Ringen, die angeblich den Zustand der Seele in verschiedenen Colorierungen darstellen sollte.
„Kommen wir in einen Stau?“, wollte Billy wissen und verzog zeitgleich das Gesicht zu einer Grimasse als wollte er sich selbst ob dieser dämlichen Frage ohrfeigen. Stau im Universum? Eigentlich rechnete er nicht mal mehr mit einer Antwort als die Stimme von vorn ihn wieder aus den Gedanken riss.
„Den Kuiper-Gürtel haben wir bereits passiert. Ich denke mal, dass wir pünktlich sein werden.“
Interessant nicht?
„Meinst du sie warten auf mich?“
Hast du es nicht schon gespürt?
Billy hob die Hand. Er konnte eine Berührung spüren; konnte fühlen, dass wie Schatten getaucht, etwas um ihn herum passierte, doch zu greifen waren diese weit entfernten Dinge nicht.
„Ja, ich kann es spüren.“
Er lehnte den Kopf gegen die Scheibe, während der kleine Schmetterling sich von außen auf den Dichtungsgummi setzte als wolle er sich an die Stirn des Astronauten schmiegen. Seine kleinen Flügel hoben und senkten sich wie zur Beruhigung ehe er sie ganz nach oben klappte. Im Gegensatz zu den meisten irdischen Schmetterlingen hatte dieser eindrucksvolle Ober- wie auch Unterseiten. In einem warmen Orange, als würde man sich durch Glas Flammen ansehen, schimmerte sein ganzer Körper. Billy legte die Fingerkuppe des Zeigefingers gegen die Scheibe.
„Willst du nicht reinkommen?“
Ach nein, ich bleib hier.
Draußen verdichtete sich die Dunkelheit des Orbites als sie durch einen weiteren Nebel fuhren. Grün und blau schimmernde Wolkenfetzen schossen an dem Fenster vorbei. Ein kleiner Fleck erschien. Der Mond, hell angestrahlt von der Sonne.
„Dann lass es dir gut gehen.“
Ich werde dich mal besuchen kommen.
Sanft legte Billy den Finger über den Schmetterling. Just in diesem Augenblick begann jener sich aufzulösen, zersetzte sich in kleine leuchtende Kugeln, die davon schwebten als würde der Bus Funken schlagen.
Der Amerikaner lehnte sich ein Stück zurück, wollte eben die Augen schließen als der Busfahrer ihn nach vorn bat. Billy rutschte über die zweite Sitzfläche, sodass er im Gang zum Stehen kam, hielt sich an den Haltestangen fest und blickte direkt durch die Frontscheibe des Busses.
Das war besser als jedes 3D-Kino. Der Erdball schwebte hell und blau funkelnd direkt vor ihnen; drehte sich für das menschliche Auge kaum sichtbar im immerwährenden Kreis seiner selbst. Wolkenfetzen huschten über die Kontinente; wirkten wie zerrissene Taschentücher, die man aus der Waschmaschine geangelt hatte. Darunter blendete das Grün der Wälder, das Gelb der Wüsten und die okafarbenden Töne der Gebirge. So viel Frieden und so viel Zerstörung. Billy kannte den Anblick der Erde in der Nacht, wenn Licht an einem wolkenlosen Himmel zuckte wie Blitze ohne Gewitter. Er kannte die Krisengebiete; die Regionen in denen Menschen starben.
Ein Luftloch oder der Busfahrer selbst zogen den Bus abwärts. Billy verlor den Halt, rutschte den Gang nach vorn in die Fahrerkabine und flog durch die lautlos zerberstende Frontscheibe. Funkelnde Diamanten begleiteten den fliegenden Körper wie in Zeitlupe in den Orbit hinaus. Es war unnötig, doch Billy hatte den Arm zum Schutz gehoben. Willenlos wurde sein Körper in einer Rolle durch den luftleeren Raum geschleudert.
Unsanft landete der Amerikaner in einem weiteren Gang. Das Licht war unendlich grell; viel zu grell für die dunklen Augen, welche ungläubig die Menschen anblinzelten, die an ihm vorbeihuschten. Er nahm sie nicht wirklich als Personen war, spürte dennoch ihre Gefühle, ihre Emotionen.

Vor einer großen Glastür stoppte die Rutschpartie des Astronauten. Langsam griff er an die Tür, zog sich daran hoch. Der Tanz, der sich seinen Augen bot, war unglaublich. Wehendes Haar in allen Facetten, flatternde Kittel und OP-Anzüge. Seine Hand brannte wieder. Dr. Kieron sprang ihm sofort ins Auge. Langsam senkte Billy den Blick, hob seine Hand an, betrachtete die Stelle, welche langsam begann zu Funkeln. Sie war die Berührung. Sie war sein erster Kontakt.
Der Astronaut trat langsam ein, nahm den Helm vom Kopf und klemmte sich diesen unter den Arm.
Einige Schwestern rempelten die Gestalt an, doch keiner nahm ihn wirklich war. Er blieb neben sich selbst am Krankenbett stehen, holte tief Luft und legte sich schwungvoll zu seinem Körper.
Es war der Moment als Dr. Kieron ihn an den Schultern packte. Billys Muskeln kontrahierten, der Oberkörper schoss nach vorn ehe er wieder wie ein nasser Sack Wasser auf den Rücken fiel.
Langsam öffneten sich die Augenlider. Die Seelenspiegel suchten Dr. Kieron und fanden sie, obwohl er die Frau vorher noch nie gesehen hatte...eigentlich. Die Pupillen, sie brauchten ein paar Sekunden um sich richtig zu stellen, fixierten die Herzchirurgin.
Der Wille war da. Er könnte spontan atmen, wenn sie ihn denn lassen würden, doch noch pumpte die Maschine in schöner Regelmäßigkeit die Lunge auf und sorgte dafür, dass sie beim Ausatmen wieder zusammen fielen. Die Worte, die bildeten sich in seinem Kopf, doch war Billy logopädisch bei Weitem nicht in der Lage überhaupt zu artikulieren was er wollte. Die Worte, sie wirkten wie leere klanglose Hüllen, nachdem er doch die Melodie des Orbits hören durfte. Und noch etwas schoss ihm durch den Schädel.
Bin ich auf der Erde? Man musste ja mal nachfragen. So ein Busfahrer konnte Einen ja sonstwo rauswerfen. Grade, wenn es solche Provinzlinien wie des Sonnensystems waren. Auch nach drei Jahren hatte Billy es nicht geschafft sich den Lageplan an der Bushaltestelle zu merken...wie denn auch? Wer sollte bei den Strecken noch durchsehen.
Ehe Dr. Kieron sich wieder verflüchtigen konnte, griff, eher aus einem Muskelreflex heraus, die Hand des aufgewachten Komapatienten noch Mal nach ihrer. Er hielt sie fest umschlossen. Nein, es war kein Krampf, der noch nicht gelöst werden konnte, denn seine Daumenkuppe strich langsam über ihren Handrücken. Die dunklen, braunen Augen fokussierten Yuri. Richtig klar erkannte er die Ärztin kaum. Seine Augen fühlten sich an als hätte man Sand hineingeschüttet. Dennoch war ein Lächeln, ein Funkeln und sogar etwas fantastischer Schalk in ihnen zu erkennen. Wenn sie doch nur sehen konnte, was er in ihr sah. Ein Feuerwerk aus Farben. Wenn sie nur ahnen konnte, was er gesehen hatte...

©Giulia Strek
Entstehungszeitraum: April 2014

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