Beyond the veil: Der Hüter - Page 3

Bild von Q.A. Juyub
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der Exsoldat -anwesende Weiblichkeit dezent zur Seite stoßend- die circa 15 Meter zum Stein der Weisen und seinem Bewunderer einer durchgeknallten Wildwutz gleich im Rekordtempo zurück.
„Gold! Mensch Heini, Du alter Waschlappen, ich bin reich! Reeiiich!“
Mittlerweile hatten sich die Damen halbwegs aufgerappelt und näherten sich fasziniert bis verwundert dem Ort des Geschehens. Derweil hüpfte der nachgemachte Kriegsherr um den getreuen Heini und das Objekt der Begierde in einer Art von Freudentanz wie Rumpelstilzchen umher.
„Sorry, Frank, ich glaube, das ist Pyrit! Sieht aber trotzdem faszinierend aus und ist aus geologischer Perspektive interessant!“
Der Angesprochene unterbrach ungehalten seinen skurrilen Tanz.
„Red doch nicht, Du alte Pflaume. Du gehst jetzt ab und holst gefälligst Spitzhacke und Werkzeug von daheim, Du Tiefengnom. Ab jetzt – zack, zack!“
„Jawohl!“
Angesichts der bedrohlichen Mimik seines wenig einsichtigen Freundes zog es der Großknechtling vor, der unsinnigen Order in urdeutscher Art Folge zu leisten und zog denn auch im Eiltempo ab.
„Das ist ein richtiger Mann!“
Lisas ehrfürchtiger Kommentar bewegte sich in schier unbekannten Dimensionen der Verzückung, während Beate mit stolzgeschwellter Brust ihren maulgroßen Freund liebevoll betrachtete, der wiederum anfing den Pyritblock mit seinem Schweizer Armeemesser zu bearbeiten.
Perplex hatte Uta die Situation beobachtet und fand nun endlich die von derartiger Idiotie verschlagene Sprache wieder.
„Meine Güte, bin ich hier im falschen Film! Mein Gott, ist der bescheuert! Das ist sogenanntes ‚Narrengold‘, Du Vollidiot! Das sieht man schon alleine an der Würfelform der einzelnen Bestandteile.“
Der von falsch verursachter Gier Erfüllte hielt mit seinem sinnfreien Werk ein und warf seiner Kritikerin einen zweifelnd ängstlichen Blick zu. Während Lisa voller Verwirrung dümmlich kicherte, erfüllte Beate allmählich der heilige Zorn der Einfältigen.
„Du musst immer alles kaputtmachen! Jetzt lass doch endlich mal den armen Frank in Ruhe, Du eifersüchtige Schnepfe…“
Bevor Beate ihre Philippika fortsetzen konnte, unterbrach sie recht unsanft der gigantische Höhlenbär, der förmlich aus dem Nichts hinter ihr auftauchte und das Problem zwischen ihren Ohren mit einem gewaltigen Prankenhieb von ihren Schultern entfernte, sodass der Kopf mit noch Worten formenden Lippen in hohem Bogen davonflog.
Noch während die Blutfontäne aus dem Halsstumpf der Unglücklichen sprudelte und ihr Körper zu Boden sackte, reagierte der tapfere Exsoldat mit ungewöhnlicher Geistesgegenwart. Einen spitzen Schrei ausstoßend, ließ die Zierde militaristischer Traditionen sein Taschenmesser fallen und trat behände den taktischen Rückzug in den Tropfsteinwald an, da sich erwähntes Untier blöderweise zwischen Versturzblock und Ausgang befand.
Die verbleidende Weiblichkeit betrachtete starr vor Entsetzen, die sich nun anbahnende, widerliche Szene. Wohlig grunzend fing nun der gemütliche Meister Petz an, Beates Überreste zu zerlegen und zu fressen.
Ihre Fassung wiedererlangend, versuchte Uta, die geschockte Lisa mit sich ziehend, das speisende Monster seitlich in Richtung Ausgang zu umgehen. Nach einigen Schritten jedoch, blickte der Höhlenbär von seiner Vorspeise auf und betrachtete den zweifach köstlichen Fraß mit ausdruckslosen Augen, die in einem unheimlichen Rot erstrahlten. Fast sah es so aus, als wenn die blutverschmierte Schnauze des Untiers sich zu einem Grinsen verzogen hätte.
Lisa schrie entsetzt auf und folgte nun im Eiltempo dem großmaulheldigen Kriegerfürsten, während Uta langsam in Richtung des steinernen Waldes zurückwich, um sich nach Erreichen der Stalagmitengrenze eilig zurückzuziehen.
Aber er, der hässliche Bär, setzte sein grausiges Mal fort.

(…)

Lisa warf dem rückzugserfahrenen Exsoldaten einen leicht verwirrten Blick zu. Auf ihrer wilden Flucht, war sie förmlich über den sich hinter einem fetten Stalagmit versteckenden, zitternden Meyerling gestolpert, der denn auch leicht hysterische Schreie ausstieß, bis er erfasste, wer da über ihn gekommen war.
„Hey Baby, mit meinen Kampfschreien habe ich mich richtig heiß gemacht, um das Mistvieh endlich aus dem Hinterhalt zu erledigen. Strategie, wie damals als ich und van Damme noch bei der Legion waren!“
„Ich bin froh, dass mich ein richtiger Kerl beschützt!“
Die von wenig Weisheit gesegnete Flugleiterbraut betrachtete ihren verkannten Helden mit einem ehrfürchtig verheißungsvollen Blick.
„Wo ist eigentlich die Kampf-Lesbe abgeblieben? Na hoffentlich hat die der Bär gefressen!“
Jene mit echtem Hass vorgetragenen Worte erweckten bei Lisa trotz allem Terrors beinahe hormongesteuerte Gefühle.
„Du bist so männlich! Ich weiß nicht, wo die Alte abgeblieben ist, aber Du bist ja bei mir!“
„Klar Baby, ich bin schon toll, aber sag mal, hast Du Dein I-Phone griffbereit? Wir sollten die Bullen anrufen! Ich mach das Vieh zwar mit einer Hand stehend freihändig fertig, aber wir sollten doch den uniformierten Clowns ne Chance geben, den Kadaver wegzuräumen.“
Allmählich kam auch dem militaristischen Verstand die naheliegende Idee, eventuell mobiltelefonisch Rettung herbeizurufen.
„Du bist so intellent! Hallo Bullelei? Hallo? Hallo?“
„Zu blöd zum Telefonieren, gib das mal her! Hallo? Verdammt, kein Empfang!“
Voller Furcht bedingter Wut schleuderte der verbale Bärentöter das Mobiltelefon zu Boden.
„Das macht mich echt an, wenn Du so dominant bist!“
So viel geballte Fake-Männlichkeit ließ Lisa fast ihre missliche Lage vergessen und ein feuchtes Versprechen lag in ihren Augen. Das Objekt unangebrachter, lustvoller Gedanken wiederum taxierte die Gefährtin mit kaltem Blick.
„Okay Baby, wir sollten in Bewegung bleiben, wegen der Gefechtsbereitschaft. Ich kämpfe den Weg frei und Du deckst mir den Rücken. Wenn Du das Mistvieh hinter Dir bemerkst, schrei laut, dann mache ich es platt!“
Ein lautes Brüllen, das eine merkwürdige Ähnlichkeit mit menschlichem Gelächter besaß, kündigte die Gelegenheit zur großen Schlacht unmittelbar an. In einigen Metern Entfernung hatte sich hinter dem Paar, dass sich nach der lautstarken Ankündigung auch sofort umdrehte, besagtes Mistvieh aufgebaut. Wiederum handelte der verwegene Krieger mit geistesgegenwärtiger Widerwertigkeit. Mit einem kräftigen Stoß verfrachtete der heldenhafte Militarist die völlig entgeisterte Lisa in die Arme des fast vor Fleischeslust zitternden, tierischen Liebhabers und entfernte sich eilig.
„Besser Du als ich, Schlampe!“
Während noch die Schreie seiner Schutzbefohlenen seine wilde Flucht begleiteten, glitten jene Worte leise über die Lippen des fränkischen Kriegsgottes und er fühlte sich prima dabei.

(…)

Uta schlich vorsichtig durch den steinernen Wald, als sie die entsetzlichen Schreie hörte. Trotz der korrekten Einschätzung ihrer geringen Chancen, konnte sie es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, die grauenvollen Laute zu ignorieren. Eilig bewegte sie sich in Richtung des grausamen Geschehens und erblickte letztendlich ein entsetzliches Bild. Eine halbzerfleischte Lisa lag wimmernd halbbegraben unter dem mächtigen Untier, das wohl angefangen hatte sie langsam lebendig zu fressen. Einige am Boden liegenden Steine stachen der Zuschauerin ins Auge, die ohne großartig nachzudenken einen ebenso verzweifelten wie sinnlosen Rettungsversuch startete.
„Komm her, Du Scheißvieh!“
Obwohl die nachfolgenden Steinwürfe, dem mächtigen Höhlenbären nicht wirklich Schaden zufügten, so lenkten sie ihn doch von seinem Opfer ab. Behäbig erhob sich das Untier und näherte sich langsam Uta, die den effektlosen Bärenbeschuss einstellte und ihrerseits die Flucht ergriff. Gierig auf ein weiteres Mal stürzte der tierische Feinschmecker hinterher, tat sich aber aufgrund seiner Größe bei der Verfolgung durch den Stalagmitenwald etwas schwer.
Natürlich zeitigte die Aktion einen begrenzten Effekt, da Lisa wenige Minuten später verschied.

(…)

Unmittelbar nachdem Frank Meyer den steinernen Wald verlies, erblickte er den Monolithenkreis aus Bergkristall in dessen Mitte sich ein alter Mann in seltsamer Gewandung befand, der ihm zulächelte.
„Komm nur mein Sohn, hier bist Du sicher!“
Obwohl der vorsichtige Exsoldat nach den vorhergehenden Ereignissen keine besondere Neigung empfand, der freundlichen Einladung Folge zu leisten, übte die sanfte Stimme des Alten eine magische Wirkung auf ihn aus. Mit einem Mal empfand der maullastigste aller falschen Helden den Drang, den Kreis zu betreten.
„Was willst Du altes Elend? Steckst Du hinter der Sache mit dem Bärenvieh?“
„In gewisser Weise schon.“
„Jetzt kannst Du was erleben, Du alter Sack!“
Froh endlich einen Gegner zu haben, der ihm eindeutig körperlich unterlegen war und an dem er endlich seine Aggressionen ausleben konnte, machte sich der heldenhafte Militarist grinsend daran, sein Opfer anzugreifen.
„Schweige nun und steh still! Wir müssen noch auf die Reisende warten!“
Entsetzt stellte der siegessichere Exsoldat fest, dass er nicht dazu fähig war, sich zu bewegen oder eine seiner hirnfurzigen Bemerkungen zu äußern.
Fast am Ende ihrer Kräfte eilte Uta unfern der Monolithen aus dem Stalagmitenwald.
„Komm her, mein Kind, hier bist Du geschützt!“
Trotz ihres Misstrauens übte die Stimme des Alten auch auf Uta die beschriebene Wirkung aus, sodass sie außer Atem ebenfalls den Kreis betrat.
Wenige Minuten später traf auch unser gefräßiger Teddy ein, der einen enttäuschten Brüller von sich gab und sich außerhalb des Monolithenkreises niederließ.
„Keine Sorge, meine Kinder, Witichis kann den magischen Kreis nicht betreten und euch nichts tun. Nun magst Du, die Reisende reden!“
Mit einem aufmunternden Nicken blickte der Alte Uta an, die sich mittlerweile erschöpft auf den kristallenen Boden innerhalb des Kreises gesetzt hatte.
„Mein Gott, was geschieht hier? Wer bist Du?“
„Um mit Deiner letzten Frage anzufangen: Einst hieß ich Vertorix und ein Druide mit großer Macht. Es gelang mir ein Portal zur Anderswelt zu öffnen, dessen Hüter ich nun bin. Wo wir schon bei Deiner ersten Frage sind. Einmal in einhundert Jahren öffnet sich das Tor zwischen den Welten und Sterbliche mögen die Anderswelt betreten. Leider sind die alten Götter zwar mit Größe aber nicht mit Mitleid gesegnet. Ein Wächter tötet jene, die nicht würdig sind. Aber es gibt da eine Ausnahme! Unser Witichis war einst ein hinterhältiger und skrupelloser Schurke, der mit einer Bande Plünderer hier eindrang. Zur Strafe wurde er in seine jetzige Bärengestalt verwandelt und ist seit langer Zeit Wächter der Zwischenwelt. Du musst wissen, dass er in den hundert Jahren die Qualen des Hungers ertragen muss, ohne zu verhungern und nur das eine Mal fressen darf. Glaube mir, sein Schicksal ist schlimmer als der grausamste Tod.
Du wiederum hast Deinen Mut und Verstand bewiesen. Es steht Dir frei die Anderswelt mit ihren Wundern zu betreten oder in Deine Welt ohne Erinnerungen an dieses hier zurückzukehren!“
Uta betrachtete den Druiden ernst und fasste tief aus ihrer Seele einen Entschluss.
„Ich bin bereit für die Reise, nichts hält mich in der Welt der Menschen!“
„So soll es sein!“
Die türkisene Pforte zur gefährlich wunderbaren Welt der Fabelwesen und vergessenen Götter öffnete und Uta trat in das Mondlicht der Anderswelt ein.
Nachdem sich das Portal geschlossen hatte, betrachtete Vertorix mit freundlichem Blick den bewegungslosen Meyerling.
„Du darfst nun wieder reden, mein Sohn!“
Wie immer, wenn er mit stärkeren oder mächtigeren Zeitgenossen konfrontiert wurde, schaltete der verwunderte Militarist in den anus-krabbelnden Schleimmodus um.
„Mächtiger Druide, vergib mir. Ich dachte Du wärst mit diesem dreckigen Verbrecher-Bären im Bunde. Du Ausbund der Güte, auch ich habe viel gelitten. Aber schicke mich doch besser in meine Welt zurück, ich flehe Dich an. Vielleicht mit einer klitzekleinen Truhe voller Gold oder Diamanten?“
Der Hüter lächelte gütig.
„Du wirst nun das bekommen, was Du verdienst!“
Der sich unheimlich listig fühlende Meyerling setzte ein ebenso schmieriges wie falsches Lächeln auf.
„Danke eure Gnaden, aber eigentlich verdiene ich ja zwei Truhen, nicht wahr?“
„Witichis versieht nun seinen Dienst seit 2000 Jahren und hat genug gebüßt. Er darf nun sterben!“
Mit einer bösen Vorahnung beobachtete der Exsoldat wie der gewaltige Bär innerhalb von Sekunden zu Staub zerfiel.
„Du wirst nun seine Aufgabe übernehmen, Wächter. Tja, Witichis war zwar auch ein hinterhältiger Dreckskerl, aber nie feige. Ich fürchte, die Bärengestalt kommt für Dich nicht infrage und Du wirst wohl ein wenig länger dienen müssen als Witichis.“
„Nein, bitte Gnade…“
Bevor der verfluchte Exsoldat sein winselndes Flehen beenden konnte, fand er sich schon als gigantische, stinkende Ratte außerhalb des Monolithenkreises wieder. Statt seines normalen Gezeters, war nur protestierendes Fiepen zu hören.
„Wächter, tu nun Deine Pflicht! Essen gibt es vielleicht in hundert Jahren!“
Unmittelbar nach den Worten des Hüters, zerriss ein unvorstellbares Hungergefühl die Eingeweide der militaristischen Ratte.

(…)

Ratlos stand Lotsen-Heini vor der glatten Felswand mit einem prallvollen Seesack, indem sich die gewünschte Ausrüstung befand. Vor knapp zwei Stunden hatte er das seltsame Höhlensystem verlassen und sich eilig auf den Heimweg gemacht, schließlich beabsichtigte er ja nicht, seinen besten feindlichen Freund zu enttäuschen.
Vielleicht hatte ihm Frank einfach wieder einen Streich gespielt und die ganze Truppe lachte sich irgendwo über ihn kaputt; so musste es sein! Also machte sich der irrende Großknecht auf den einsamen Heimweg und weinte die halbe Nacht heimlich im stillen Kämmerlein.
Als dann die Suche nach den Vermissten begann, erlangte auch Heiko Großknecht seine 15 Minuten Ruhm als vermeintlicher Massenmörder in unwahrheitsliebenden Medien und lebenslänglich Knast auf Basis eines ruhmsüchtigen Staatsanwalts und getürkter Indizien.
Tja Freunde, wie man sieht, Karma ist eben halt ne Bitch.

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Interne Verweise

Kommentare

05. Apr 2021

Lagert man in Höhlen Bier,
Wird die Krause auch zum Tier ...

LG Axel

06. Apr 2021

erfrischend, ganz erfrischend!

LG Alf

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