Beyond the veil: Der Hüter

Bild von Q.A. Juyub
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Einst befand sich auf dem längst erloschenen Schildvulkan ein keltisches Oppidum, von dessen einstiger Größe nach mehr als 2500 Jahren noch diverse Mauerreste kündeten. Lange galt der einige hundert Meter hohe Asenstein bei den Einheimischen als verwunschene Gegend, in der des Nachts die Geister der Altvorderen umgingen. Seit Beginn des letzten Jahrhunderts jedoch transformierte das dicht bewaldete Terrain jedoch in eine beliebte Wandergegend, zumal die nächste Stadt sich in bequemer Reichweite befand. Ganz den Nimbus des Unheimlichen wurde jedoch der Asenstein nie los und zog immer wieder esoterisch angehauchte Zeitgenossen an.
Bei der fünfköpfigen Gruppe die im Schein zwei fetter Taschenlampen durch die Botanik stolperte, handelte es sich allerdings nicht um erdverstrahlte Entdecker paranormaler Parallelwelten, vielmehr waren hier abenteuerlustige Nachtwanderer auf der Suche nach einem Kick in gelockdownten Corona-Zeiten am Werke.
„Mensch Heini, Du alte Pflaume, das war wieder mal ne voll bescheuerte Idee!“
Frank Meyer, von einsichtigen Freunden wegen seiner charakterlichen und körperlichen Ähnlichkeit auch ‚die wilde Wutz‘ genannt, betrachtete den Angesprochenen belustigt aus seiner an die Äuglein diverser Rüsseltiere gemahnende Optik. Wie liebte es der ehemalige Zeitsoldat mit unehrenhaftem Ende seiner Dienstzeit diesen Eierkopf zu schikanieren.
„Darauf kannst nur Du Kasper kommen, mitten in der Nacht auf Geisterjagd zu gehen!“
Also doch Jäger verlorener Scheinwelten? Keineswegs, denn erwähnter Kasper, mit bürgerlichem Namen Heiko alias ‚Heini‘ Großknecht, hatte im Dienste der Luftfahrt während seiner Bemühungen als Flugleiter im schönen Karlsruhe aus reiner Langeweile eine diverse Geisterjäger-App ‚Ghostbusters Deluxe‘ auf seinem I-Phone - ‚Poser 99 ½‘ mit der Goldkante - installiert. Nicht, dass bei Rhein Radar in normalen Zeiten nicht die Post abginge, aber in Zeiten der Pandemie war es auch mit dem Flugverkehr nicht weit her. Erste Versuche während des Nachtdienstes ergaben außer dem normalen Langeweile-Mobbing der werten Mitflugsicherer keine astralverseuchten Resultate. So entschloss sich der radarkeulige Kontrolleur des temporär luftfahrzeugleeren Raums, sein Glück in geeigneteren Gefilden zu suchen. So schlug Lotsen-Heini während eines nicht ganz nicht Regierungsregeln konformen Treffens mit Freunden vor, zur Auflockerung des von einfältigen Konventionen restringierten Freizeitlebens doch ‚spaßeshalber‘ zur Geisterjagd auf dem benachbarten Asenstein zu blasen. Frank, eigentlicher Veranstalter jener verunglückten ‚Corona-Party‘ und falschester aller Amigos, stimmte dem mit begeisterter Boshaftigkeit zu. Zwar gehörte unsere menschgewordene Wildwutz nicht gerade zu den Jägern verlorener Seelen und schon gar nicht gönnte er dem Scheinkönig der Lüfte irgendetwas Erfreuliches, aber der ehemalige Hauptgefreite der flügellahmen Luftwaffe einer wenig bundeswehrhaften Schrottarmee betrachtete diese spezielle Art der Nachtwanderung als prima Gelegenheit, die restlichen Teilnehmer in sadistischem Genuss allerlei peinliche Situationen auszusetzen.
Lisa, die dritte im Bunde und goldgrabende Anglerin des aeronautischen Großknechtes, beschloss vergnügt, am Meyerschen Spiel teilzunehmen.
„Hat unser Dackelsche mal wieder Mist gebaut? Na, wo sind denn Deine Geister, Du Knallkopp? Seit ner Viertelstunde stapfen wir hier durch die Wälder und nix is passiert!“
Die vollbusige Blondine befand sich in einer äußerst ausgelassenen Stimmung, da sie kurze Zeit vorher ihrer besten Freundin eine lustige Fake-Mail via vom Flugleiter finanzierten I-Phone-Deluxe (mit Brillanten) zukommen ließ – wen es interessiert: ‚Ich habe gerade mit deinem Alten gepoppt! Kein Wunder, dass der Schlappschwanz Dich Pummelchen genommen hat. Knalle ihn gleich wieder!‘ Da nun besagte, unglückliche Freundin zu irrationalen Eifersuchtsanfällen neigte, freute sich Lisa mit diebischer Häme auf die durchgeknallte Reaktion dem auf Geschäftsreise befindlichen Ehemann gegenüber. Irgendwann am nächsten Tag würde sie dann ihr Mobiltelefon wiedereinschalten und das neckische Spielchen aufklären, vorausgesetzt der übliche Suizidversuch der besten Freundin wäre -as usual- nicht von Erfolg gekrönt.
Mit einem entschuldigenden Blick, der in seinem treudoofen Ausdruck dem der oben erwähnten Hunderasse glich, begegnete der wenig begnadete Lotse durch die Lufträume paranormale Welten den Vorwürfen der geliebten Partnerin und des in seinen Augen getreuen Freundes mit eifrig demütiger Stimme.
„Entschuldigt vielmals, aber wir haben doch gerade erst angefangen. Mit der App braucht man ein wenig Geduld…“
„Genauso wie mit dem App-Depp!“
Wie gewöhnlich lachte die frühere Zierde eines kläglich gescheiterten Militarismus lautstark über seinen eigenen, hirnfurzigen Geisteswitz. Hämisch schloss sich die wohlproportionierte Lisa mit hysterisch schriller Stimme dem fränkischen Heiterkeitsausbruch an, während sich die restlichen Mitglieder der illustren Wandergruppe, Uta und Beate, sich in eher betretenem Schweigen hüllten.
So mancher meiner geduldigen Leser mag sich nun fragen, warum die launige Lisa sich ausgerechnet mit einem Exemplar von Mann zusammengetan hatte, das in jeder Beziehung so gar nicht vom psychischen und physischen Setting her ihren Idealvorstellungen vom anderen Geschlecht entsprach. Des Rätsels Lösung dürfte so mancher schon erahnen und begründete sich in dem überdurchschnittlich hohen Einkommen des eigentlich wenig begehrten Partners. Nach einer wiederholt abgebrochenen Ausbildung zur Kosmetikfachpackerin und gewissen, finanziellen Engpässen kam unserem ‚material girl‘ der jungfräuliche Flugleiter gerade recht. Vom Jobcenter als 1-Euro-Sklavin für die Kantine der Kontrollzentrale in Karlsruhe als Küchenhilfe zwangsrekrutiert, lernte sie ihren Liebsten in derselbigen kennen. So durfte die schöne Hilfsküchenmagd bei einigen Gelegenheiten beobachten, wie wehrlos ihr ‚Goldeselche‘ – neben Dackelsche ein bevorzugter Kosename - auf das betriebsbedingte Mobbing seiner Kollegen reagierte und beschloss, diesen Goldfisch mit ihrem kurtisanenhaften Charme zu becircen, da es mit dem Küchenchef trotz gelegentlichem Geschlechtsverkehr im Lebensmittellager nicht so richtig klappte. Tja Freunde, so wurden die beiden ein ungleiches Paar, das sich zumindest finanziell gut ergänzte.
Wie ein getretener Hund wartete der krallenlose Scheinkönig bundesdeutschen Luftraums geduldig das Ende des Heiterkeitsausbruchs ab, um ablenkend die Initiative zu ergreifen.
„Ich habe gerade einen Anstieg der EMF-Werte registriert. Das kommt anscheinend von da vorne!“
Natürlich griff hier der Großknechtling zu einer Notlüge, zumal er mit seiner berühmten App keine Schwankungen elektromagnetischer Felder messen konnte, aber das war bedingt durch einen gewissen Mangel der schweigenden Mehrheit an kognitiven Fähigkeiten keinem außer Uta bewusst, die es aber vorzog, zu schweigen. Zufällig hatte nämlich Lotsen-Heini mit Adlerblick – so ziemlich die einzige Gemeinsamkeit, die unser Mann mit dem edlen Federvieh besaß, sonst glich er eher einem Wellensittich – eine Einbuchtung im Felsen am Fuße des Asenstein im Lichte seiner Taschenlampe erspäht.
„Ach da, die Höhle auf 12 Uhr!“
Stolz auf seine luftwaffentechnischen Kenntnisse deutete der nassforsche Exsoldat mit erhobener Hand auf die erwähnte Lokalität, die sich allerdings rechts von ihm befand.
„Entschuldige Frank, aber Du meinst doch sich eher 2 Uhr?“
Geringschätzig blickte das militaristische Genie den besserwisserischen Störer seiner Kreise an.
„Laber

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Kommentare

05. Apr 2021

Lagert man in Höhlen Bier,
Wird die Krause auch zum Tier ...

LG Axel

06. Apr 2021

erfrischend, ganz erfrischend!

LG Alf

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