Das Paradies, von dem ich mir tagein tagaus erzählt hatte, stellte sich als Moloch heraus, dessen Herrscher ich war. Ohne sie greifen zu können, rann die Zeit an mir vorbei, war das Antlitz im Spiegel zunehmend das, eines Fremden. In meinem Moloch war ich Herrscher und Verfolgter in Angst und allein.
Die kommende Befreiung füllte meine Gedanken und gab mir Hoffnung, diese Hoffnung füllte am Ende des Tages meine Ecken und Ränder, floss durch meine Adern und Windungen und rann, wie die Erlösung, an meinen schmerzenden, rastlosen Schläfen herab.
Der Schlaf der Zeronnenen gab mich frei, als ein neuer Morgen anbrach und ich aufstand, um den letzten Funken Hoffnung der deliriösen Nacht meinen Geiern zum Frass vorzuwerfen, gemeinsam mit mir selbst, doch mochten sie mein Fleisch nicht, nur die Hoffnung füllte ihre Mägen .
Du standest in einer Ecke, einer Ritterrüstung gleich hatte ich Dich zur Dekoration auserkoren, in der Katakombe meines Palasts. Mühevoll, hatte ich Dich angemalt und geschmückt, nun warst Du nicht mehr erkennbar unter der Maske die nur mir glich. Hassend, begegnete ich Deinen streichelnden Händen und sorgenden Mühen, heulen und kreischen in meinen Ohren wenn Du mit schönster Stimme sangest. Ich hasste Dich, wenn du mir von Liebe und Paradisischem erzählen wolltest und die Maske, die ich Dir gab, zu bröckeln begann. Als ich sie nachmalte, sah ich Dein Zittern, Deine Haare unter der Perücke waren längst ergraut. Hatten die unzähligen erfolglosen Versuche auch Deine Seele grau gefärbt? Ich hoffte, du würdest es enden lassen. Zum Abschied dann füllte ich Schmerz in Dich, wie in eine Flasche, die ohne ihren Inhalt sinnlos geworden wäre und überließ euch einander.
Geängstigt, von dem schieren Durcheinander welches ihn beherrschte, fand ich mich gegen Mittag in meinem Blumengarten wieder. Ganz ohne mein Zutun wuchsen hier die prächtigsten und feinsten Blumen in größter Vielfalt. Jeden Tag kam ich in den Garten und kümmerte mich um eine Blume, während ich die anderen vergass. Die Leichen vergangener Monate umgaben mich, denn, Opfer meines Wankelmutes, war die heute gegossene die morgen vergessene und sicher des Todes geweiht. Neidend dachte ich an andere Gärten, in denen die Vielfalt weniger erdrückend, ja die klar, gar einfach waren. Hätte ich doch nur eine einzelne Blume, so würde sie gedeihen und leben, groß und stark würde sie über die anderen hinauswachsen, ich würde in ihrem Schatten ruhen und an ihrem Stamm in die Wolken steigen. Ich hingegen, schaute auf das Schlachtfeld von schüchternen Blüten und starrenden Toten und atmete die Verdammnis, die ich in den leeren Beeten ausgesät hatte. Ach wenn sie nur wüssten, die anderen Gärtner, ich war verflucht von der Vielfalt die sie nur ersehnen konnten.
Wenn der Tag einmal ins Land gezogen war, wenn die Schwalben tief flogen und die Berge bebten, so schwamm ich des Abends in meinem See, schwamm um zu trinken und um zu ertrinken. Kostete sein modriges Wasser erquickt wie von süßem Wein, bis ich merkte, dass die Züge schwerer wurden, dass ich in den See sank und er in mir schwimmen wollte. Ich trank und trank, bis die Algen von meiner Schönheit zu singen begannen bis meine Haare zu ihnen wurden und meine Haut zu den Schuppen der Fische, die meinen Magen füllten, bis in enger Umarmung ich in der Tiefe versank. Doch vermochten auch die zähesten Wasser nicht mich zu halten und wieder und wieder fand ich mich ausgestoßen und nackt wie ein Neugeborenes am Ufer vor. Unversehrt, Leer und fett vom Fischmahl, würde ich mich umsehen, um dann über verbrannte Wege und Brücken zu Bette zu wandeln, um mich schließlich von den Sirenen der kurzlebigen Hoffnung besingen zu lassen.
Allein heut ist’s anders, denn ich bin nicht allein. Ich sehe Dich, da stehend am Ufer, maskiert wie ich Dich habe lächelst Du heute weder liebevoll noch flehend. Dein Haar ist lang geworden und weiss, wie der Schnee auf den Bergspitzen umweht es Dich, als Du wie ein Falke Dich erhebst, um wie ein Anderer ins Wasser zu gleiten. War es, sag mir, war es endlich genug? Zeig es mir. Mein Gesicht, Deine Maske, rinnt mit Wasser und Elend an Deinen Wangen hinab in den See hinein, als ich zu mir fließe. Dieser Abend war anders, denn mit wässrigen Lippen habe ich mich getrunken, habe Dich getrunken bis wir beide leer waren, und als wir in nassen Blumenbeeten und überschwemmten Burgen versickerten, dachte ich an Dein schönstes Gesicht und bereute mich.
Text: © Schaganeh Rahel Mertins 09.11.2020
Kommentare
Toller Text !
HG Olaf
Vielen Dank, freue mich über das Feedback!
Liebe Grüße R.
Erfrischend gut formuliert!
LG Alf