Ach, wie geht's dem heilgen Vater!

Bild zeigt Wilhelm Busch
von Wilhelm Busch

Ach, wie geht's dem heilgen Vater!
Groß und schwer sind seine Lasten,
Drum, o Joseph, trag den Gulden
In Sankt Peters Sammelkasten!

So sprach im Seelentrauerton
Die Mutter zu dem frommen Sohn.
Der Joseph, nach empfangener Summe,
Eilt auch sogleich ums Eck herumme,
Bis er das Tor des Hauses fand,
Wo eines Bockes Bildnis stand,
Was man dahin gemalt mit Fleiß
Zum Zeichen, daß hier Bockverschleiß.
Allhier in einen kühlen Hof
Setzt sich der Joseph hin und soff;
Und aß dazu, je nach Bedarf,
Die gute Wurst, den Radi scharf,
Bis er, was nicht gar lange währt,
Sankt Peters Gulden aufgezehrt.
Nun wird's ihm trauriglich zu Sinn
Und stille singt er vor sich hin:

Ach, der Tugend schöne Werke,
Gerne möcht ich sie erwischen,
Doch ich merke, doch ich merke,
Immer kommt mir was dazwischen.

Veröffentlicht / Quelle: 
Busch, Wilhelm (1960): „Ach, wie geht’s dem Heilgen Vater.“ In: Kritik des Herzens. Hrsg. von Friedrich Bohne. Historisch-kritische Gesamtausgabe in vier Bänden. Band 2, S. 505. Wiesbaden u. Berlin: Vollmer.

Interpretation zu „Ach, wie geht's dem heilgen Vater!“

Wilhelm Buschs Gedicht Ach, wie geht's dem heilgen Vater! ist ein humoristisches und zugleich gesellschaftskritisches Werk. Es thematisiert Heuchelei, menschliche Schwächen und die Diskrepanz zwischen Ideal und Realität.

Inhalt:

Das Gedicht erzählt in einfachen, volksnahen Reimen von Joseph, einem vermeintlich „frommen Sohn“, der einen Gulden für Sankt Peter erhalten hat. Doch statt das Geld in den Sammelkasten zu werfen, gibt er es für Wurst und Bier aus, bis nichts mehr übrig ist. Am Ende beklagt er halb selbstironisch, dass ihm „immer etwas dazwischenkommt“, wenn er nach Tugend strebt.

Themen:

  1. Heuchelei und Scheinheiligkeit:

    • Josephs Handeln steht im Widerspruch zur frommen Absicht seiner Mutter. Das Gedicht karikiert den Kontrast zwischen moralischem Anspruch und menschlicher Realität.
  2. Menschliche Schwäche:

    • Busch zeigt mit Humor, dass der Mensch oft seinen Gelüsten erliegt und gute Vorsätze schnell vergisst.
  3. Ironie des Lebens:

    • Der Schlussvers bringt die Pointe auf den Punkt: Trotz des Wunsches, tugendhaft zu handeln, findet Joseph immer eine „Entschuldigung“, warum es nicht gelingt.

Sprache und Stil:

  • Reimschema: Das Gedicht folgt in der zweiten Strophe einem Paarreim (AABB), was ihm einen flüssigen, volkstümlichen Klang verleiht. Die erste und letzte Strophe unterscheiden sich vom Reimschema des restlichen Gedichts.
  • Ironie und Humor: Wilhelm Busch verwendet eine einfache, klare Sprache, die den Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit humorvoll betont.
  • Alltagssprache: Worte wie „ums Eck herumme“ oder „Stückel Brot“ unterstreichen den realistischen und bodenständigen Ton des Gedichts.

Interpretation:

Buschs Gedicht kritisiert auf humorvolle Weise die Tendenz zur Selbsttäuschung und die menschliche Neigung, moralische Prinzipien für kurzfristige Genüsse zu opfern. Joseph verkörpert die Schwäche des Alltagsmenschen, der gute Absichten hat, aber in der Praxis oft scheitert. Der letzte Vers wirkt resigniert, aber auch augenzwinkernd, und spiegelt damit die realistische, lebensnahe Haltung Wilhelm Buschs wider.

Fazit: Ach, wie geht's dem heilgen Vater! ist eine charmante, satirische Miniatur, die Buschs typische Mischung aus Humor, Gesellschaftskritik und scharfsinniger Beobachtung auf den Punkt bringt.

Gedichtform: 
Thema / Schlagwort: 
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