Das dicke Blut des Winters ...

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

O Sturm, der sich durchs dicke Blut des Winters wühlt,
An hellen Fenstern rüttelt, die des Nachts nicht schlafen,
Der dunkle Wasser und Matrosen an die fremden Küsten spült,
Während die Finsternis ans Herz der Möwen greift im Hafen,

Während mein Geist, befreit, dir tausend Dinge sagen will:
Du hast geschlafen wie ein Stein, derweil ich starb, mein Lieb ...
Hier auf dem Friedhof träumt der Schnee Laternenträume, winterstill.
Und schrieb ich, dass man mich erschossen hätt, wird eine Meute
Mich ausbuddeln und posthum wohl durchlöchern wie ein Sieb.

Unter den Schiffen seufzt das Eis, weil es zerfließen muss,
Gefroren sind die Straßenschatten, harren auf den Morgen …
Der Mond gibt seiner Nacht den letzten langen Abschiedskuss,
Wird sich vorm Schlafengehen Silber von den Sternen borgen.

Ich gehe jetzt hinunter in die Gruft und bette mich in meinen Sarg.
Durchs kahle Haupt der Pappel fliegt der schwarze Vogel Tod.
Woran ich starb? – Ich weiß es nicht, lass nur nicht locker, frag ...
Aufblitzen wird ein Zeichen, und der Krug findet allein zum Brunnen:
Schöpft Wahrheit dir ans Licht des frühen kalten Morgenrots.

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