Es wohnte eine arme Frau
Und ihre beiden Töchter
Alleine an dem Hörselberg
Dort windete es öfter
Es klopfte abends an die Tür
Die Jüngste machte auf
Ein Mütterchen, zerzaust, gebückt
Die schaute zu ihr auf
'Um Obdach bitte ich Euch, Kind!'
So ließen sie sie ein
Sie gaben ihr den Ofenplatz
Und Grütze obendrein
Sie sah die Spindeln, nickte kurz
'So manches gute Jahr
Sei Euch gewährt bei diesem Werk
Mit gar so manchem Haar'
Sie gaben ihr noch Apfelwein
Von ihrem einz’gen Baum
Sie sprach den Segen und trank aus
Da wurd‘ es hell im Raum
Sie wiesen ihr das Kammerbett
Die Nacht ging still vorbei
Am Morgen schauten sie herein
Das Bett war leer und rein
Es duftete nach Rosen hier
'Das muss die Holle sein
Die gestern war in uns’rem Haus
Und kam zu uns herein'
Der Winter ging dahin mit Spinnen
Der Frühling kam herbei
Vier Apfelbäume wuchsen da
Es war wie Zauberei
Gedeihten gut in ihrem Garten
Die sie doch nie gepflanzt
Das war wohl die Frau Holle
Da haben sie getanzt!
Und kelterten darauf den besten
Süß Apfelwein am Ort
Und so viel Leute kamen her
Und wollten nicht mehr fort
Nach einer Sage zur Entstehung des Dorfes Weingarten am Hörselberg in Thüringen.
Die Holle, eigentlich die Göttin Hulda in Mitteldeutschland, besuchte gerne in verborgenener Gestalt die Menschen und prüfte sie. Ihre Attribute waren u.a. die Spindel und der Apfelbaum.
‚So manches Haar, so manches gute Jahr' ist ein Segensspruch der Holle zu Beginn des neuen Jahres.Wird aber während der Ruhezeit in den geweihten Nächten gearbeitet, kehrt sich der Spruch um: 'So manches Haar, so manches böse Jahr'.