Er ist ein Wolf im Schafsgewand,
hat Homo Sapiens sich genannt,
Intelligenz steckt ihm im Kopf,
die nutzt er falsch, der tumbe Tropf.
Seht ihn nur an, den Menschenstamm,
wie er erstickt im eig’nen Schlamm,
der Herr der Welt meint er zu sein,
indes, das ist ein falscher Schein,
er hält sich für das größte Licht,
die Schöpfung schützen will er nicht,
er rottet Pflanzen, Tiere aus und
baut für sich das schönste Haus,
schottet sich ab mit hohen Mauern,
betrachtet Elend ohn’ Bedauern,
die Überheblichkeit herrscht vor,
man hört ihn brüllen laut im Chor:
der Mammon bringt uns weiter nur,
ganz ohne Rücksicht auf Natur,
der Norden reich, der Süden arm,
niemand ist gleich, dass Gott erbarm,
es wandern schon der Erde Achsen,
die Türme in die Wolken wachsen,
er schürt den Hass, führt weiter Kriege,
und weiß doch, es gibt keine Siege,
schaut man genau hin, dann erscheint,
er ist sich selbst der größte Feind,
erfinden kann er, denken, dichten, und
wird sich demnächst doch vernichten,
er liebt die Macht, schreit leere Worte,
und bald ist Nacht an diesem Orte,
die Pole schmelzen, Meere steigen,
der Sapiens tanzt den Todesreigen,
wenn nicht ein Wunder bald geschieht
und Weisheit in die Herzen zieht -
dem Nachbarn in die Augen schauen,
der Redlichkeit erneut vertrauen,
den Nächsten lieben, das macht Sinn,
es wär’ für Mensch und Tier Gewinn.
So kommt es nicht, das ahn’ ich jetzt.
Jedoch - die Hoffnung stirbt zuletzt.
Kommentare
Drum fliegt zum Mars er ja schon morgen!
(Dort kann man Plastikmüll entsorgen ...)
LG Axel
Der Sapiens, er muss sich verwandeln,
nicht länger jammern, sondern handeln ...
LG und Dank
Marie
Liebe Marie
"Krone der Schöpfung" wird er genannt
-wohl nur von sich sellber!-
Denn es liegt klar auf der Hand:
da lachen ja die Kälber!
Du hast so Recht mit deinem Gedicht! Ganz toll gemacht!
Liebe Grüße
Anouk
Das Thema ist als Dauerschleife in meinem Kopf installiert, deshalb wiederhole ich es ununterbrochen in unterschiedlicher Form, danke für Deine freundliche Reaktion und liebe Grüße, Anouk -
Marie
Ein sehr gutes Gedicht, liebe Marie. Danke dafür. Die Gier kennt wohl keine Grenzen. Auftrumpfen ist Trumpf (Trump(f) vorneweg) geworden. Lug, Betrug, (Staats-)Affären, Unfrieden, wo auch immer man hinschaut.
Liebe Grüße,
Annelie
Es beschäftigt uns alle, das behaupten wir jedenfalls. Dennoch sind mir heute in der Stadt jede Menge Menschen mit Plastiktüten begegnet, dabei läge es auch in der Hand der Konsumenten, diesen Irrsinn zu beenden, immer eigene Behälter mitnehmen, nichts Eingeschweißtes mehr kaufen, dann würde sofort reagiert werden, doch ganz offensichtlich - wollen wir es nicht, weil es unbequem ist, nicht nur umzudenken, zu reden, sondern im Alltag zu handeln. Nicht die Anderen anklagen, sondern selbst tun, was im kleinen Rahmen möglich ist, das wäre die einzig hilfreiche Devise.Ziemlich zäh und deprimierend, das Ganze, und ich schließe mich selbst von der Anklage nicht aus.
Liebe Grüße - Marie
Wahnsinn, wie wahr! Spiegelt genau meine Gedanken wieder!
Danke, das glaube ich Dir unbesehen, liebe Lena ...
LG Marie
hab meinen Kommentar gerade zurückgenommen.
lG
ulli
Warum? Schade, hat mich angesprochen, ich wollte grade ausführlich antworten, dann lass ich es eben ...
Marie
Der reinste Poetryslam, wieder einmal, einer mit wichtigem Inhalt, bin beeindruckt, stell Dich einem Wettbewerb. Auch ich bin immer wieder zu lässig im Umgang mit umweltgerechtem Verhalten. Habe mir heute einen Pullover gekauft, hatte den Einkaufsbeutel wie meistens vergessen, habe aber immerhin auf die Plastiktüte verzichtet und ihn in der Hand nach Hause getragen. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Grüße zu Dir D.R.
Danke Detmar; das Zitat stammt, meine ich, aus dem Markusevangelium, letztes Abendmahl, muss mal nachschauen ...
LG Marie
alles gut.Aber nach einem ausführlichen Austausch heute,
wollte ich einfach nicht mehr kontrovers sein.
einen schönen Sommerabend
ulli
Dir auch, schönen Abend - mit dem gegenteiligen Gefühl von kontrovers - einvernehmlich?
Marie
Ich bin wahrlich kein Pessimist – doch Hoffnung, hab ich in diesem Fall, leider nicht …
Viele liebe Grüße
Soléa
Danke Dir, liebe Soléa, ohne Aussicht auf Besserung kann ich nicht leben, sich an den kleinen schönen Dingen erfreuen, ist die Devise - und die WELT wäre ja noch zu retten, deshalb ruhig weiter hoffen ...
Liebe Grüße - Marie
Guten Morgen liebe Marie, welche Aussicht auf Besserung meinst Du? Die Menschheit ist seit Jahren durch Medien und Co auf dem aktuellsten Stand und doch stagniert alles, nein wir gehen auch noch Rückwerts. Als Beispiel nenne ich mal aktuell die Autoindustrie. Diese Bescheißen uns seit Jahren, die Politik macht mit, und wir Zahlen jetzt durch Fahrverbote und Umrüstung die Zeche, ganz zu schweigen von unserer Gesundheit. Den k l e i n e n Mann zu gängeln und Rauchverbote in den Kneipen, wegen Gesundheitsgefährdung, durchzusetzen, das klappte wie Butter, aber sobald Industrie und Lobby im Spiel sind, werden alle Blind und Handlungsscheu.
Sich an kleinen Dingen zu erfreuen, manchmal auch an Großen tue ich auch! Mein Blick und Herz ist weit und was ich um mich herum sehe und habe, behandle ich mit Respekt und auch mit bedacht, ist aber zu gering um die Welt zu retten. Da braucht es die Masse und die denkt, wie es aussieht nicht wie du und ich und manch anderer. Das einzige was ich hoffe ist, das es hoffentlich keinen Krieg oder Weltuntergang gibt, beides wäre/ist selbstgemacht.
Herzliche Grüße zu dir nach Frankfurt
Soléa
Ich meine ganz einfach - nur schimpfen nutzt gar nichts, macht krank, und damit ist keinem gedient. Da hilft nur, im kleinen eigenen Umfeld das Beste zu versuchen, immer wieder auf's Neue.
Herzliche Grüße dahin, wo Du grade bist, liebe Soléa!
Marie
Liebe Marie,
bevor ich meinen Tag beschließe,
anbei hier doch noch meinen zurückgenommenen Kommentar.
Er war ja nicht ohne Respekt.
Dann kann ich nachher besser schlafen.Alles ist für
diesen Tag getan :
da stimme ich nicht ganz zu.
homo hominis lupus
ist nicht mein Menschenbild.
Dass wir als Spezies Homo bis heute überlebt
haben, macht überzeugend deutlich,
wir sind primär ein ' zoon politikon', ein soziales und
politisches Wesen.
Wir sind verführbar zu fast allem, aber 'Das Böse' ist für mich
eine Metapher, oder ein seltenes Phänomen.Bin da bei
H. Arendt ' Die Banalität des Bösen'.
Jeder möge das für sich beurteilen und bei sich selbst beginnen,
die Welt zu einem besseren Ort zu machen.Schwer genug.
Du formulierst es ja auch ähnlich liebe Marie.
An dem Strohhalm sollten
wir uns bei unserem Blick auf die Welt festhalten.
Mir gibt das Zuversicht . .. hin und wieder.
ulli
Wie ist es JETZT um Deine Zuversicht bestellt, ulli?
Vergangenheit und Zukunft finden stets im Jetzt statt. Das ist alles,was wir haben. Es ist nicht wenig. Zuversicht, ich bekenne es, war die die nicht ganz treffende Vokabel.Aber ich schrieb ja 'Strohhalm' und 'hin und wieder'. Und hin und wieder auch 'advocatus diaboli'. Muss einfach sein.
Ich bin kein Optimist, kann es für unsere Welt nicht sein. Der dem Menschen wohl eigene, oft unbegründete Optimismus hat den Planeten und uns alle in die jetztige Situation gebracht. Vielleicht ist er gefährlicher als die die Vorstellung 'homo hominis Lupus' ? Ich bin mit ganzer Überzeugung Skeptiker, im Sinne Odo Marquard's. Er hat mich auch zur Kritik am Monotheismus inspiriert. Ich halte ihn nach wie vor für eine schlechte Erfindung.Bin mit dieser Meinung in guter Gesellschaft, die Liste ist lang. Die fehlende Gewaltenteilung im Absoluten, die misslungene Theodizee, Dualismus usw. Es geht nicht für mich. Ein richtig verstandener demütiger Existenzialismus ist dagegen mit menschlicher Autonomie vereinbar. Wir sollten keine Kinder bleiben.
Dann bleibt an Stelle von 'Zuversicht' eine inzwischen tief empfundene Gelassenheit und Akzeptanz. Das Luther unterstellte Zitat mit dem Apfelbäumchen . . . so sehe ich das auch und es ähnelt sogar ein wenig der Haltung des 'Steinewälzers' ,oder ? Wir brauchen kein Jenseits,meine ich, und die landläufigen Vorstellungen von Transzendenz sind im Grunde eine Beleidigung von Verstand und Vernunft, erinnern an verschwurbelte Verschwörungstheorien unserer Zeit. Ohne mich. Offenbarung ist eine abstruse Idee. Arrogant irgendwie.
Lebe Marie , verzeih, aber ich musste es mal wieder kurz skizzieren. Ich kann übrigens Menschen lieben, die an gott glauben. Meine Mutter, mein Vater, eine meiner Schwester, mein bester Freund aus der frühen Schulzeit. Es ist OK. Unsere Existenz ist flüchtig, wir sind zum Tode(Heidegger). Man sollte lernen, es auszuhalten.(Camus, Epikur, Schopenhauer B Russell etc.) Es ist möglich. Dir ein herzliches Love&Peace.
ulli
Der umfassende Kommentar eines reflektierten hoch gebildeten Philosophen, danke dafür. Mag sein, dass unbegründeter Optimismus die Welt erst in diesen Zustand gebracht hat. Ich brauche ihn dennoch für mein Leben, denn ohne Hoffnung falle ich in die Depression. Kann nicht alles nur vom Kopf her betrachten. Über Odo Marquard habe ich (vorläufig oberflächlich) recherchiert. „Krankhaft ist nicht Einsamkeit. Problematisch ist vielmehr die Schwächung der Kraft zur Einsamkeit.“ Schreibt er. Über diesen Satz denke ich nach, werde mehr darüber lesen. Vielleicht lerne ich so, besser damit umzugehen; denn mich macht Einsamkeit und mangelnder Austausch krank. Muss also meine Kraft zur Einsamkeitsfähigkeit stärken. Aber wie geht das? Ein Buchtitel von ihm heißt „Zukunft braucht Herkunft.“ Das meine ich auch. Du schreibst: Vergangenheit und Zukunft finden stets im Jetzt statt. Widerspricht sich das nicht? Fragen über Fragen und keine Antwort. Gesetze und Gebote der Religionen sind niemals von welchem Gott auch immer den Menschen verordnet worden, sondern von Menschen erdacht, um das Leben zu regulieren. Schweinefleisch zu essen war in früheren Zeiten – wegen der Trichinen lebensgefährlich. Freiwillig hätten die Menschen nicht darauf verzichtet. Aber wenn ein strafender Gott es anordnete, wurde es befolgt. Diese religiösen Gesetze wurden von der Aufklärung, dem Humanismus eigentlich entmachtet. Ich bin eine aufgeklärte Frau, glaube keinesfalls an die Auferstehung. Brauche aber das Vertrauen darauf, dass es da irgendwo eine wie immer geartete HÖHERE MACHT gibt, die das Ganze im Blick hat, kontrolliert. Wir werden nämlich mit unserem begrenzten Horizont niemals begreifen können, was die Unendlichkeit von Zeit und Raum bedeutet. Außerdem bin ich in einem liberalen und recht freien evangelischen Umfeld aufgewachsen und durfte immer alles in Frage stellen. Das hat mich positiv geprägt, deshalb bleibe ich Mitglied meiner Kirche. Gemeindeleben hat eine soziale Funktion. Mein Denken ist offen nach allen Seiten – die Grenze ist die Intoleranz, der Alleinvertretungsanspruch. Offenbarung mag eine abstruse Idee sein. Aber die Offenbarung des Johannes – besteht unabhängig von der Botschaft, die mich nicht interessiert, aus hoch poetischen Texten mit starken Bildern. Durchaus lesenswert auch für Atheisten – aus diesem Grund. Mehr fällt mir nicht ein. Bin eben eher eine Praktikerin. Mein Gehirn funktioniert aber noch recht gut – für eine Frau meines Alters … das lasse ich einfach so stehen. Auch, wenn kein roter Faden zu sehen ist … was Du sicher bemängeln wirst. Tat gut, sich wieder einmal mit Dir auszutauschen, lieber Ulli. Gibt mir Stoff zum Nachdenken. Schade, dass ich auf meine laienhaften Einlassungen keine Antwort erhalten werde.
Love&Peace, ja!
Marie
Liebe Marie,,
ich kann das so nicht unerwidert lassen. In bin NICHT hochgebildet. 'Gott bewahre' sagt man wohl. Es gab Zeiten, da wollte ich es sein, merkwürdig. Oder einfach nur eine Sehnsucht geboren aus einem schon immer vorhandenen Gefühl der Minderwertigkeit. Ein Mangel an Selbstwertgefühl.
Es hat mir fast nie jemand geglaubt, das ist mindestens genauso merkwürdig. Ich habe damit zu leben gelernt und die Ursache nie ergründen können.
Ich stamme aus einer Familie, die ich als christlich liebaral und weltoffen erlebt habe. Alle durften am Familientisch frei reden. Kein(e) Herrscher(in) in damals durchaus üblicher Machtausübung.(50iger Jahre)
Mein Vater war Schreiner, ein ehrenwerter guter Mann, im Kirchenvorstand, Gemeindevorstand, Gesangverein etc.- er stammte aus Ostpreußen. Es gab keine Probleme zwischen uns, er ist immer für mich eingetreten, war immer für mich da. Er starb mit 55 an einem Bronchialkarzinom. Hat zwei Jahre gedauert Sein unerschütterlicher Glaube hat ihm bis zum Schluss große Kraft gegeben. Bewundernswert.
Meine Mutter habe ich dann in den letzten Jahrzehnten als Mensch verstehen gelernt. Sie starb letztes Jahr mit knapp 96. Näher kann man sich nicht kommen. Ihr Verstand war bewundernswert scharf. Potenzial für eine Uni-Karriere. Neugierig und belesen, sie hat jeden Tag noch dazugelernt. TV bietet viel zu Kultur, Geschichte etc. - sie hatte keine Chance auf weiterführende Bildung. Ihre Mutter starb als sie selbst erst 26 war und sie musste von heute auf motgen den 'Laden' einer bäuerlichen Familie zusammenhalten.
Bis zu meiner Konfirmation war ich in der Lage, zu glauben. Die Erosion meines geschlossenen Weltbildes muss so mit 13, 14 Jahren begonnen haben.
Es hat Jahrzehnte gebraucht, bis mein jetziges Weltbild Konturen annahm. Ein oft schmerzhafter Prozess. Wie sagt Schopenhauer : Religion gleicht einer Infektionskrankheit. Erfolgt die Ansteckung in frühester Kindheit, dann ist sie unheilbar.
Inzwischen sehe ich mich als geheilt. Unserem Pfarrer habe ich es mal versucht zu erklären. Er war einigermaßen irritiert. Ich erklärte ihm, dass es mein großes Ziel ist, auf dem Sterbebett nicht zu widerrufen. Ob ich es durchalten werde ?
Das waren ein paar Gedanken zu mir. Fast hätte ich im September bei uns im Schlosspark ( da gibt es einen musikalischen Sommer) ein Solokonzert gegeben Nur mit Gitarre. Ich hab 2 Monate dafür gearbeitet. Als Überschrift 'Gassebub' . Das Konzert (haha) fiel dann wegen Regen aus.Aufgebaut hatte ich schon, erstaunlich mutig. Ich seh mich oft a bisserl als kleiner Junge der 50iger.
Und nun zu Dir.
Du beeindruckst mich sehrMarie. Du bist klug, weise, eine gute Poetin. Du bist ganz sicher ein guter Mensch. Ich kann es an Deinen Gedichten und Kommentaren erkennen. Ich mag Menschen, die gleichzeitig gut,warmherzig und klug sind. Ich übe noch daran.
Ich konnte nie sein wie mein Vater und mein Verstand ist bei weitem nicht so scharf wie der meiner Mutter.Aber irgend etwas, was ich nicht recht ergründen kann, ist mit mir.Vielleicht einfach nur eine ausgeprägte Neigung zu den 'Großen Fragen'.Sterblichkeit, Lebenssinn, was und wie ist der Mensch, was können wir wissen, verstehen, erforschen? Wo sind die Grenzen unserer Spezies ? Schon bevor ich zur Schule kam gab es in meinem Kinderhirn das Thema Tod, das meine Eltern sterben werden etc. - ich hadere nicht mit meinem Menschenschicksal und lebe sehr gern.
Einem guten Freund, er war angesehener Neurologe und Psychiater in unserer Region ( inzwischen 77) schrieb ich neulich. ' wir werden es nicht verstehen.
Und zur Problematik unserer Endlichkeit, Verletzlichkeit und Schwäche schrieb ich 'Wir kriegen es hin'.Er versteht mich und er ist wirklich hochgradig gebildet.
Love& Peace liebe Marie
Fast Mitternacht; ich kann mich nicht mehr konzentrieren. Antworte morgen ...
Doch, Ulli, überaus gebildet bist Du, das „hoch“ ist ein blödes Wort, ich nehme es zurück. Du befasst Dich mit den wesentlichen Dingen, liest und recherchierst und denkst nach, „Sterblichkeit, Lebenssinn, was und wie ist der Mensch, was können wir wissen, verstehen, erforschen?“ „Wir werden es nie verstehen“ - das ist auch meine Überzeugung. Gegen das Gefühl der Minderwertigkeit kämpfe ich ebenfalls an – doch je mehr Menschen ich besser kennen lernte, desto überzeugter wurde ich davon, dass dies auf viele von ihnen zutrifft. Sind es nicht eher die Sensiblen? Die es zugeben können? Auch, wenn ich mit der Selbstunsicherheit ein Leben lang gekämpft habe und immer verletzlich war, möchte ich doch nicht tauschen mit den scheinbar dick Gepanzerten. Ganz so frei wie in Deiner Herkunftsfamilie ging es bei mir nicht zu. Ich war ein Nachzögling, wir waren sechs insgesamt, haben zwar weltanschaulich offen miteinander diskutiert, gelacht, gespielt, musiziert – aber über allem schwebte das Gebot der CONTENANCE, sich zusammen nehmen war die Devise. Vor allem mein Vater (Pfarrer) war noch von dem Geist des Preußisch-Protestantischen geprägt. Davon habe ich mich später bewusst distanziert. Trotzdem blicke ich mit Dankbarkeit auf meine Stammfamilie zurück. Für mich waren die letzten beiden Kriegsjahre allerdings ein Desaster. Als Siebenjährige wurde ich alleine in den Schwarzwald zu einer Bauernfamilie geschickt, weil meine Mutter sich von der Kinderschar überfordert fühlte. Dort verbrachte ich ein Jahr in großer Angst, denn es gab keine Kinder, die Bäuerinnen in Trauer wegen Gefallener. Da habe ich gelernt, was Einsamkeit bedeutet. Ich kam als verstörtes Kind am Ende des Krieges nach Hause zurück. Da es niemandem gut ging zu dem Zeitpunkt, wurde mein Zustand nicht bemerkt, was mich nicht wundert. Angstneurosen haben mein Leben begleitet, das ich dennoch mit Sinn gefüllt habe. Ich meine, von mir sagen zu können, dass ich den Kindern, die ich mit Zuneigung unterrichtet und ein Stück auf ihrem Weg begleiten durfte, helfen konnte. Habe viele gute Rückmeldungen bekommen. Leider scheine ich diese Ängstlichkeit auf meine Töchter, die Kriegsenkel, übertragen zu haben. Ohne mich dafür schuldig zu fühlen. Du schreibst sehr liebevoll und dankbar über Dein Elternhaus. Dazu bin ich jetzt auch in der Lage, nachdem ich mir mein Leben und das meiner Eltern aus ihrer Perspektive heraus gründlich angeschaut und viel darüber aufgeschrieben habe. Es gibt keine Baustellen mehr in meinem Leben; mein Ziel ist es, als ringsherum versöhnte Frau sterben zu dürfen in vielleicht nicht allzu weiter Ferne. Du hast mich inspiriert zum Schreiben – und jetzt stelle ich das auch ein und schicke es Dir. Hat mir gut getan, mich mit Dir auszutauschen. Und ich bleibe bei Love& Peace, lieber Ulli!
Marie
Danke Marie,
Deine Seele hat meine berührt. Ziemlich tief innendrin.
Ein gutes Gefühl für mich.
Angst ist übrigens mein Lebensthema. Agoraphobie, soziale Ängste, Panikstörung etc. ? Da bin ich ein wirklicher Experte in Praxis und Theorie.
Eine große Herausforderung. Der Versuch der Bewältigung macht unvermeidbar demütig.
Ein kleiner Trost.
Anyhow, ich werde Deine Gedichte im Auge behalten.
Das Leben ist wie es ist.
Herzlichst
ulli
Lieber Ulli, ein letztes Mal; unser Austausch hat mir gut getan, denn ich lebe seit einem Jahr, seit dem Tod eines allernächsten Menschen, nicht mehr jung und mit wachem Geist in großer Einsamkeit hier in meiner Wohnung, und was mir am meisten fehlt, ist ein zugewandter Austausch von Gedanken „über die letzten Dinge.“ Danke dafür und ein letztes Mal: Love& Peace.
Marie