Den Mondweg soll ich gehen ...

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Ich möchte über alle Blätter schweben, die am Boden liegen
Geopfert hat der Baum sein eigen Fleisch und Blut
Dem Gott, der unerkannt in jedem Stamme ruht
Dem Wind, begierig, kahle Äste in den Schlaf zu wiegen.

Ich möchte über alle Schatten springen, die das Jahr vollenden
Den Segen, der in jedem Sterben weilt, empfangen
Indes die uferlose Zeit vorübereilt mit Angst und Bangen
Verblühn die Lippen uns, greift Rost nach unsren Händen.

Der Winter ist darauf bedacht, die Freud mir zu verwehrn
Mich jederzeit auf sonnenwarmen Wiesen auszustrecken
Wenn mich ein Weltschmerz quält, im Gras mich zu verstecken
Den Mondweg soll ich gehn und Eis und Schnee verehrn.

Ich möchte beten, selbst wenn alle Glocken endlos schweigen
Und niemand auf der Welt dem Frieden danken will
Der eintritt, wenn das Kriegsgeheul verstummt und still
Uns nur mehr Jahreszeiten überfallen, lebensnah im Reigen.

Und wenn ich dereinst fort muss, suche ich ein neues Glück
Von dort, wo Ewigkeiten auf mich warten, kehr ich nie zurück ...

Liebe LeserInnen: Das ist jetzt ein Sonett, eine Mischung aus Petrarca-Typ und Shakespeare-Typ: abba, cddc, effe, ghhg, ii. Nicht die Schweizer, ich hab es soeben erfunden. Danke, liebe Yvonne.

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