Ein Mann, der irrte durch die Wüste,
war dem Verdursten schon sehr nah
Ein Geist erschien, bereit zu helfen
Der Wanderer, der sagte einfach 'ja'
'Dann folge mir!', so sprach Al-Khidr
Sie gingen ein Stück Weg entlang
Da schrie der Mann: 'Oh Wasser, Wasser!'
Es überfiel ihn wie ein Zwang
'Wenn Du es willst, dann geh dorthin',
so sprach der Geist in Ruh' zu ihm
Der ging und stürzte in den Sand
Der Engel konnte nur entflieh'n
2017 - Nach einer Geschichte von Khidr, die im Osten oft erzählt wird. Er ist im Islam jenes Wesen, das Wanderern in der Dürre erscheint, wenn sie ausweglos und ohne Wasser sind.
Kommentare
Eine Erzählung, die trefflich spiegelt, dass wir zwar im Vertrauen unserem Engel folgen wollen, im Zweifelsfall jedoch lieber eigene Wege gehen.
Ein Gedicht, das mir in seiner schlichten Erzählweise und seiner meisterhaften Kürze sehr gefällt!
DANKE!
Was ich am meisten fürchte, sind der menschliche Wissensdurst und sein Machthunger, aber auch religiöse Verblendung, der Rausch des Reichtums und der unerschütterliche Glaube an den immerwährenden Fortschritt lassen düstere Ahnungen aufsteigen.
Mir gefällt diese sufische Geschichte 'Khidr und der Durstige' auch sehr. Khidr ist im Islam auch der grüne Mann. Hat das Parallelen zum grünen Mann oder Ritter bei uns? LG! Jürgen Wagner
Was Sie an Erschreckendem aufzählen, kann uns in die gleiche Panik versetzen; die der Diener des Propheten Elisa erlebte, als er die Übermacht der Feinde sah, welche die Stadt belagerten. (2. Könige 6, 8 ff) Doch Elisa sprach:
FÜRCHTE DICH NCIHT! DENN DERER; DIE BEI UNS SIND; SIND MEHR , ALS DERER; DIE BEI IHNEN SIND! Und genau dies gilt auch heute: es gibt auch Hilfe mit ungeahnten Möglichkeiten aus der unsichtbaren, geistigen Welt.! Auf die dürfen wir vertrauen! Ich jedenfalls halte mich dran.
Den grüne Chidr bei den Sufis und der Grüne Mann in den christlichen gotischen Kirchen sind wohl nicht gleich zu setzen. Der erste ist mehr ein machtvoller, engelähnlicher Begleiter, der zweite steht mehr für die unerschöpfliche Grünkraft der Natur. Doch geheimnisvoll und wunderbar sind sie beide und finden vielleicht ihre Krönung noch in Chagalls Glasfenster "Der Grüne Christus".
Mit großem Dank für diesen wunderbaren Gedankenaustausch!
Adelheid
Diese Stelle ist sehr bewegend und so manchen ein starkes, tröstliches Bild. Ich kannte sie aus frühen Jahren, hatte sie aber wieder vergessen.
Ob die Himmlischen immer so viel Macht haben wie in dieser Geschichte, die gut ausgeht? Ich bin schon etwas besorgt, ob Präsidenten wie Erdogan und Trump und Putin mit so viel Macht, die alle gerne mit dem Feuer spielen, von den Kräften der Vernunft und des Maßes gezügelt werden können - hoffen wir, dass uns der Himmel dabei hilft!
Habe auch noch mal zum grünen Mann recherchiert. Das ist einfach spannend. Er ist im europäischen Mittelalter mit seinen Haaren aus Blättern ist vielleicht ein Relikt unserer vorchristlichen Frömmigkeit, wo man keinen Vater in der Transzendenz anrief, sondern die Gottheit in der Natur sah und ehrte. - Im Islam spielt Grün eine große Rolle, sie war die bevorzugte Farbe Mohammeds. Aber diese Wüstenreligion verbindet damit etwas anderes: Neubeginn, Freude,Glück, Hoffnung, Gelingen, Frieden, Sicherheit, Ruhe, Erholung. Weil die arabischen Völker Natur nur als Wüste kennen, weil das Leben sowieso ein einziger Kampf mit dieser Gluthitze und Dürre ist, sind sie vielleicht auch so radikal veranlagt und haben wenig Probleme, das Streben nach Glück und Frieden mit dem Kampf und der Eroberung zu verbinden.
Einen guten Sonntagabend wünscht JW
Danke für Ihre Sichtweise! Frage mich, ob Männer mehr homo faber und Frauen mehr für Hilfe offen sind. Auf Ihre Frage: Ja, die Himmlischen haben soviel Macht!
Im Volksmärchen muss ein Mensch meist alles Menschenmögliche tun, dann erscheint die hilfreiche Macht. Manchmal wird auch ohne Vorleistung geholfen, wenn sie oder er sich nur auf den Weg gemacht haben.
Zum Grünen Mann noch eine Ergänzung: Es gibt zahlreiche Beispiele, wo er nicht nur mit Blättern geschmückt ist, sondern wo ihm grüne Blätter und Zweige aus dem Mund wachsen, ja förmlich hervorquellen.
Mit Morgengrüßen Adelheid