Die dunkelste Zeit des Jahres hat begonnen. Du wachst eines Morgens mit einem schlechten Traum auf und weißt es, sie ist wieder da, die Furcht vor dem Absturz. Wer gibt dir Vertrauen und Mut, wenn du da liegst und nicht hochkommst, Auge in Auge mit der Angst, die dir den Hunger und den Durst nimmt und die Freude an allem, die dich nicht mehr tanzen, singen lässt, die dich stumm macht und blind und taub?
Du willst fliehen, aber wohin, dir fehlt die Kraft, an einen anderen Ort zu reisen, und du weißt ja, dich selbst nimmst du dahin mit, so wie du grade bist, von Angst verdunkelt.
Deinen besten Freund, deine besten Freundin willst du in deinen Kummer nicht mit einbeziehen, denn du hast dich mit ihm oder ihr zerstritten und bist zu mutlos, um den ersten Schritt zur Versöhnung zu wagen, du verbeißt dich in dem Gedanken, dass du ihn oder sie nicht brauchst und er oder sie dich nicht mag.
Jetzt hilft dir nur hoffen. Auf die Kraft, die dich hell machen kann, es gibt sie, vielleicht nennst du sie Gott, welchen Namen du ihr auch zu geben bereit bist, sie ist da, sie ist in dir, sie ist in jedem lebendigen Wesen, diese Kraft, du musst sie suchen, ihr vertrauen, du wirst sie finden, sie zeigt dir den Weg zurück zur Freude am Licht des Morgens und an dem Dunkel der Nacht nicht nur bei klarem Sternenhimmel. Auch der bewölkte Himmel bei tosendem Nachtsturm ist mächtig, lässt dich staunen. Macht dich froh.
Wenn die du Beziehung zu diesem dir so wichtigen Menschen geklärt, ihm oder ihr mitgeteilt hast, wie wichtig er oder sie für dich ist, wenn du über diesen Schatten gesprungen bist, dann hast du den Anfang gemacht.
Es kann gut sein, dass du dich dann wieder freuen kannst an der roten Farbe der Amaryllis, der du beim Wachsen zugesehen hast, deinem liebsten Bild an der Wand, dem hellen Lachen deiner Kinder oder Enkel oder an dem fremder Kinder auf der Straße, am Gezwitscher der Vögel, an der Musik, die du magst, an einem Gespräch mit jenem besten Freund, jener besten Freundin, einem Chat mit dem Bruder, der Schwester, einem Gang durch den Wald oder deine festlich beleuchtete Stadt, dem Reden mit wildfremden Menschen in der Straßenbahn, dem Duft des frisch gebrühten Kaffees am Morgen, deiner Lieblingssendung …
Raff dich auf. Versuch es. Vertrau dir selbst. Du kannst es. Du bist stark.
Selbstaffirmation. Du kannst es. Du bist stark.
von Marie Mehrfeld
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