Kerzengrade
wie auf dem Sprung
sitzt sie am späten
Sonntagmorgen
noch im Mantel
in seinem abgewetzten
moosgrünen Schalensessel
aus den Fünfzigern,
die Haare heute offen,
den roten Schal vierfach
um den Hals geschlungen,
grade angekommen
hat sie die Treppenstufen
noch im schnellen Atem,
die Beine in braunen Stiefeln
lässig übergeschlagen,
der Autoschlüssel
mit dem Mickymausanhänger
baumelt in der Rechten,
so nimmt sie,
ein letztes Mal guten Willens,
in Augenschein, was ist,
abwartend.
Schneller Blick auf das Bild
mit den schwarzen Balken,
sie hat es ihm geschenkt
in guten Tagen,
ungeduldiger Blick
zur Badezimmertüre,
wie immer halb offen,
auf dem Boden
wie meistens dreckige
nasse Handtücher,
achtlos hingeknäulter Bademantel
halb unter dem Küchentisch,
alte Strümpfe nach links gedreht
über der Stuhllehne,
das übliche Papierchaos
auf dem Sekretär,
ungespültes Geschirr,
stapelt sich im Ausguss,
es müffelt.
Dunkler Blick auf das Foto
ihrer lächelnden Vorgängerin,
es steht immer noch da,
nach so langer Zeit.
Und er teilnahmslos wie stets
hingelümmelt auf
dem roten Plüschsofa,
durch und durch zögerlich,
sein vorwurfsvolles Blicken
aus braunen passiven Augen
will etwas von ihr, mach mal,
liest sie in ihnen, du kannst es,
ich schaffe’s nicht,
sich los eisen von Zwängen,
Verabredungen einhalten,
das bringt er wohl nie,
stellt sie seufzend fest
und fragt sich, will ich das,
immer so weiter?
Verantwortlich dafür,
ein Teil davon sein?
Nein. Nun nicht mehr.
Obwohl sie ihn riechen kann.
Und seine Farben mag.
Der stille Blick stört sie.
Die Bewegungslosigkeit.
Neugierig möchte ich sein,
denkt sie. Fühlen dürfen.
Klarheit suchen und finden.
Meine Zeit muss fließen.
Leben will ich.
Sie blickt ihn ruhig an,
lächelt resigniert und geht.
Schulterzuckend. Endgültig.
Befreit.
Ungläubig schaut er auf.
Die Tür fällt ins Schloss, klack.
Den Schlüssel findet er auf
der Kommode. Das war’s.