's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagenen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halbtot
Im Staub vor mir sich wälzten und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend, tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zur Ehre krähten
Von einer Leich herab?
Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Gedichtanalyse: „Kriegslied“ von Matthias Claudius
Einleitung
Das Gedicht Kriegslied von Matthias Claudius wurde 1778 während des Bayerischen Erbfolgekrieges geschrieben. Claudius, bekannt als Verfechter eines friedvollen, christlichen Lebens, thematisiert darin die Schrecken und die Sinnlosigkeit des Krieges. Das Gedicht ist nicht nur eine Mahnung, sondern auch ein zeitloser Appell an die Menschlichkeit und die Vernunft. Die folgende Analyse untersucht Inhalt, Form, sprachliche Mittel und die Botschaft des Gedichts.
Inhaltliche Analyse
Das Gedicht beschreibt die Gräuel und die Konsequenzen des Krieges. Claudius verwendet eine klare, fast schon nüchterne Sprache, um die Zerstörung, das Leid und den Tod, die der Krieg mit sich bringt, zu schildern. Gleichzeitig stellt er die Frage nach der Sinnhaftigkeit und Rechtfertigung des Krieges.
Im Gedicht tritt ein deutlicher Kontrast zutage: Während der Krieg Gewalt und Zerstörung bedeutet, wird der Frieden als Zustand des Menschseins und der Schöpfung beschrieben, den es zu bewahren gilt. Die letzten Zeilen mahnen eindringlich, sich an die Verantwortung gegenüber Gott und den Mitmenschen zu erinnern, anstatt blind den Mechanismen des Krieges zu folgen.
Formale Analyse
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Struktur
- Das Gedicht ist in Strophen mit regelmäßigen Versen gegliedert. Diese klare Struktur steht im Gegensatz zum Chaos des Krieges, das thematisiert wird, und unterstreicht die Botschaft der Ordnung und Vernunft.
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Reimschema
- Es wird ein regelmäßiges Reimschema verwendet (z. B. Kreuzreim), was die Musikalität des Gedichts betont und es wie ein Volkslied wirken lässt.
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Metrum
- Das Metrum ist durchgehend gleichmäßig, was die Eindringlichkeit der Aussage unterstützt. Der ruhige Rhythmus schafft einen Kontrast zu den grausamen Bildern des Krieges.
Sprachliche Mittel
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Wiederholungen
- Wiederholungen bestimmter Wörter und Phrasen verstärken die zentrale Aussage und den appellativen Charakter des Gedichts.
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Kontraste
- Der Gegensatz zwischen Krieg und Frieden wird durch Antithesen verdeutlicht, z. B. zwischen Zerstörung und der natürlichen Ordnung des Lebens.
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Bilder und Metaphern
- Krieg wird oft in drastischen Bildern geschildert, z. B. von „verwüsteten Feldern“ oder „blutigen Schwertern“. Diese eindringlichen Bilder lassen die Leser die Schrecken des Krieges nachvollziehen.
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Personifikation
- Der Krieg wird personifiziert und als zerstörerische Macht dargestellt, die die Menschen entmenschlicht.
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Christliche Anspielungen
- Claudius bezieht sich auf die göttliche Ordnung und das Gebot der Nächstenliebe. Der Krieg wird in diesem Kontext als Verstoß gegen göttliche Prinzipien dargestellt.
Interpretation
Das Gedicht ist eine deutliche Kritik am Krieg und an der menschlichen Neigung zur Gewalt. Matthias Claudius stellt die Sinnlosigkeit des Krieges heraus, indem er dessen destruktive Auswirkungen schildert und ihnen die christliche Idee von Frieden und Nächstenliebe gegenüberstellt. Der Krieg wird als Verrat an den göttlichen Prinzipien der Schöpfung dargestellt.
Claudius fordert die Menschen indirekt auf, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden und nicht blind den Mechanismen des Krieges zu folgen. Die mahnende Stimme im Gedicht spricht universelle Werte wie Menschlichkeit, Vernunft und den Schutz des Lebens an, die bis heute relevant sind.
Das Gedicht kann auch als Appell an die politische Führung seiner Zeit verstanden werden, Konflikte durch Diplomatie und Vernunft zu lösen, anstatt Gewalt anzuwenden. Es steht in der Tradition der Aufklärung, die auf Rationalität und Menschlichkeit setzt.
Schluss
Matthias Claudius’ Kriegslied ist ein zeitloser Antikriegstext, der mit eindringlicher Sprache und klarer Struktur die Sinnlosigkeit von Gewalt und Zerstörung aufzeigt. Es mahnt zu Frieden und Vernunft und erinnert an die Verantwortung jedes Einzelnen gegenüber Gott, der Schöpfung und den Mitmenschen. Die Botschaft des Gedichts bleibt auch in der heutigen Zeit von großer Bedeutung und zeigt, wie Literatur als moralische Instanz wirken kann.