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Natur zu der Erregung ihrer Seele, Alles das ließ in ihr das Bedürfnis entstehen, zu beten. Sie warf sich auf die Knie vor jenem mächtigen, von der Klugheit verworfenen, vom Unglück aber eingesetzten Gott.
»Heiliges und hoheitsvolles Wesen!« rief sie weinend aus. »Du mein Beschützer und Führer, ich wende mich an Deine Güte, ich bitte um Deine Gnade. Sieh mein Elend und meine Qual! Mächtiger Gott, Du weißt, daß ich unschuldig und schwach bin, daß ich verraten und mißhandelt worden bin. Dein Wille geschehe! Alle deine heiligen Aeußerungen sind mir teuer, ich ehre sie und will mich nicht beklagen. Aber wenn ich hier auf Erden nur Dornen finde, beleidige ich Dich dann, erhabener Herr, wenn ich Deine Allmacht bitte, mich zu Dir zu berufen, um Dich entfernt vor jenen perversen Menschen anbeten zu können, die[48] mir nur Böses zugefügt haben, und die mit Genuß meine Lebenstage mit Tränen und Schmerzen getränkt haben!«
Das Gebet tröstet den Unglücklichen. Der Himmel ist nun einmal sein Wahn, und er stärkt sich an ihm. Justine erhob sich, ordnete ihre Kleider und entfernte sich.
Im Kopfe Saint-Florents herrschten gemischte Empfindungen. Es gibt Seelen in der Welt, für die das Verbrechen so viel Reize hat, daß sie sich daran nie sättigen können; sie sind erst dann befriedigt, wenn auf das erste Vergeben weitere gefolgt sind.
»Ach, wie schön war diese Entjungferung,« sagte der Verräter zu sich, der 100 Schritte von dem Schauplatz des Verbrechens sich unter einen Baum gesetzt hatte. »Welche Unschuld und Unberührtheit! Wie mich dieses schöne Kind erregte! Wie sehr sie meine Sinne verwirrte! Ich hätte sie erwürgt, wenn sie noch fähig gewesen wäre, mir Widerstand zu leisten. Vielleicht habe ich Unrecht, daß ich ihr das Leben schenke, denn wenn sie Jemandem begegnet, wird sie mich beschuldigen. Man könnte mich erwischen. Wer weiß, wie weit die Rache eines geschändeten Mädchens gehen kann? Vorwärts, machen wir ein Ende; ob dieses elende Geschöpf in der Welt ist oder nicht, regt niemanden auf. Ich will zurückkehren!«
Aber die unglückliche Justine war vom Himmel dazu bestimmt, den ganzen dornenvollen Weg des Unglücks zurücklegen tu müssen und sollte noch nicht so jung umkommen. Saint-Florent fand sie nicht mehr vor. Er rief nach ihr und da sie ihn hörte, floh sie desto rascher. Aber lassen wir jetzt den Verbrecher seinen Weg weiter gehen; vielleicht finden wir ihn eines Tages wieder. Die Reihe der Geschehnisse erlaubt uns jetzt nicht etwas anderes, als die Abenteuer unserer interessanten Justine zu verfolgen.
»Da ist es noch, dies Ungeheuer,« sagte sie, indem sie ihre Schritte verdoppelte. »Was kann er von mir wollen? Hat er mir noch nicht genug angetan? Was bleibt ihm noch?« Und sie flüchtete ins Gesträuch, wo sie die Nacht in furchtbarer Unruhe zubrachte.
Als der Tag erwachte, gab sie sich bitteren Gedanken hin. Noch rannen ihr die Tränen aus den Augen, als unvermutet Lärm an ihre Ohren drang. »O Gott!« rief sie schaudernd aus, »vielleicht ist er es noch, der Barbar. Er will mich umbringen, ich bin verloren.« Sie verkroch sich noch tiefer in das Gestrüpp, besaß aber dabei so viel Mut, weiter zu lauschen.
Das Geräusch ging von zwei Männern aus. »Komm, mein Freund,« sagte derjenige, der der Herr zu sein schien, zu dem Knaben, der ihm nachfolgte, »komm, hier wird es wunderbar gehen. Hier wird mich nicht die Anwesenheit einer Mutter, die ich verabscheue, daran verhindern, mich an dir zu erfreuen.« Bei diesen Worten näherten sie sich Justine derart, daß ihr keines ihrer Worte und keine ihrer Bewegungen entgehen konnten. Nun zog der Herr, der 24 Jahre alt zu sein schien, dem andern, der[49] höchstens 20 Jahre zählen mochte, die Hosen herab, kitzelte und leckte ihm das Glied und brachte es zum Stehen, worauf andere Greuel folgten. O, wie langsam verging Justine die Zeit, während welcher das Schauspiel vor sich ging, und wie peinlich war der Anblick des Verbrechens für die Tugend.
Endlich, nachdem sie zweifellos beide befriedigt waren, erhoben sie sich, um sich auf den Rückweg zu begeben. Dabei näherte sich der Herr dem Gebüsch Justines, um dort den Samen aus seinem Hintern herausfließen zu lassen, mit dem ihn der andere überschwemmt hat, und beim Aufstehen bemerkte er das Taschentuch, mit dem der Kopf Justines umhüllt war.
»Jasmin,« sagte er zu meinem Diener, »wir sind verraten, wir sind entdeckt ... Eine Frau ... ein unreines Wesen, hat unser Geheimnis belauscht. Treten wir näher; fragen wir, welchen Grund sie dafür hatte.«
Aber die zitternde Justine ließ ihnen nicht Zeit näher zu treten, Sie sprang von selbst auf und warf sich den Männern, die sie entdeckt hatten, zu Füßen. »O, meine Herren!« rief sie aus, indem sie die Hände faltete, »haben Sie gütigst Mitleid mit einer Unglücklichen, deren Schicksal beklagenswerter ist, als Sie glauben. Die Lage, in der Sie mich fanden, darf keinen Argwohn in Ihnen hervorrufen. Sie ist mehr die Folge meines Elends, als meiner Schlechtigkeit. Vermehren Sie nicht noch mein Unglück, sondern seien Sie so gut und geben Sie mir die Mittel, mich den Verfolgungen des Schicksals entziehen zu können.«
Herr v. Bressac – so hieß der junge Mann, in dessen Hände Justine gefallen war – der der Bösartigkeit und der Ausschweifung zugeneigt war, besaß keine große Dosis von Mitgefühl. Unglücklicherweise sieht man es nur zu häufig daß das Mitleid von der Wollust vertilgt wird, und ein ausschweifender Mensch ist selten ein empfindsamer Mensch.7
Aber zu dieser natürlichen Härte gesellte sich bei Bressac noch ein tiefer Abscheu vor Frauen, so daß es Justine nur schwer möglich war, ihn für die Empfindungen empfänglich zu machen, die sie in ihm zu sehen wünschte.
»Turteltaube der Wälder,« sagte Bressac zu ihr, »wenn du Leute suchst, die du betrügen willst, so bist du nicht an die richtigen gekommen. Weder mein Freund noch ich berühren Frauen. Sie flößen uns Abscheu ein und: wir fliehen vor ihnen. Wenn du Almosen verlangst, so suche dir Leute, die gute Werke vollbringen. Wir begehen nur schlechte. Aber jetzt sprich, Elende, hast du gesehen, was sich zwischen diesem jungen Mann und mir abpielte?« – »Ich habe gesehen, daß Sie im Grase miteinander plauderten,« sagte klug Justine, »nichts weiter, meine Herren, ich schwöre es