Justine oder vom Missgeschick der Tugend - Page 25

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sie vergewaltigen, erfreut Sie das nicht?

Was mir wieder unendlichen Spaß macht, ist die hübsche Geschichte von den Sodomitern, die die Engel im Hintern ficken wollen und dem guten Loth, der lieber seine Töchter von hinten bearbeitet sehen möchte, was aber offenbar den Kennern vom Asphaltsee nicht genügte.

Aber die Frage, die Sie zweifellos auf der Stelle beantworten werden können, ist die, wieso die Salzsäule in die Loths Frau verwandelt wurde, so lange dem Regen widerstehen konnte?

Wie wollen Sie das Glück rechtfertigen, das Jakob genießt, der seinen Vater Isaak täuschte und seinen Schwiegervater Laban bestahl? Wie erklären Sie die Gotteserscheinung auf der Leiter und den Zweikampf Jakobs mit einem Engel? O, wie das hübsch, wie das interessant ist!

Aber sagen Sie mir, was Sie von dem kleinen Rechenfehler von 195 Jahren halten, den man findet, wenn man den Aufenthalt der Juden in Aegyptan nachprüft? Wie erklären Sie das Baden der[57] Tochter Pharaos im Nil, in dem wegen der Krokodile niemals jemand badet?

Wie kommt es, daß Moses, der die Tochter eines Götzenanbeters heiratete, von Gott, der keine Heiden leiden mochte, doch zu seinem Propheten erwählt wurde? Wieso taten die Magier des Pharao dieselben Wunder wie Moses? Warum flüchtete Moses mit seinem Volk, da er doch von Gott geführt wurde und sich an der Spitze von 630.000 Streitern befand, statt sich Egyptens zu bemächtigen, dessen Erstgeborene alle durch die Hand Gottes umgekommen waren? Wieso verfolgte die Reiterei Pharaos dieses Volk in einem Land, in dem sich eine Reiterei überhaupt nicht bewegen konnte? Wie konnte übrigens Pharao eine Reiterei haben, da Gott bei der fünften Plage gestreicherweise alle Pferde hatte umkommen lassen.

Wie konnte ein goldenes Kalb in acht Tagen geformt werden? Und wie verbrannte Moses dieses goldene Kalb zu Asche?

Und wie denken Sie über die Gerechtigkeit Gottes, der wegen eines einzigen Mannes, der mit einem Mädchen aus Mediam geschlafen hat, 24.000 Menschen töten läßt? Waren diese Hebräer, die man uns als grausame Leute schildert, nicht doch sehr gutmütig, daß sie sich das gefallen ließen?

Aber erst, wenn er Gesetzgeber spielt, dann wird Ihr erhabener Gott geistvoll. Gibt es etwas klügeres und wichtigeres, als daß er den Männern befiehlt, nicht mit Frauen zu schlafen, wenn diese die Regeln haben und daß er, wenn es doch geschieht, die Todesstrafe darauf gesetzt hat? Als daß er die Art, wie man sich den Arsch auswischen und waschen muß, genau beschreibt? In der Tat, das alles ist von höchster Wichtigkeit und man liebt leicht ein ewiges Wesen, das so schöne Sachen vorschreibt.

Wie wollen Sie die Notwendigkeit eines Wunders beweisen, wenn man den Jordan überschreiten will, der höchstens vierzig Fuß breit ist?

Wie wollen Sie beweisen, daß gerade die Mauern von Jericho nur durch den Ton der Trompeten einstürzten?

Wie wollen Sie die Handlung der Hure Rahab entschuldigen, die ihre Vaterstadt Jericho verriet? Wozu war dieser Verrat nötig, da es bloß eines schwachen Trompetenstoßes bedurfte, um in den Besitz der Stadt zu gelangen?

Warum muß gerade aus den Lenden dieser Hure Rahab Gottes geliebter Sohn entstehen? Wie wollen Sie entschuldigen, daß Josua einunddreißig Personen hängen läßt, nur weil er nach ihrem Vermögen trachtete?

Wie beurteilen Sie die Schlacht Josuas gegen die Amorrhiter, während welcher Gott, der gütige Herr, durch fünf Stunden hindurch Felsblöcke auf die Feinde des jüdischen Volkes regnen läßt?

Wie können Sie, bei Ihren Kenntnissen von dem Lauf der Gestirne den Befehl Josuas begreifen, die Sonne möge stillstehen, während doch gerade die Sonne still steht und die Erde sich bewegt? Ah! Ich weiß, Sie werden mir antworten, daß Gott noch[58] nicht wußte, daß wir solche Fortschritte in der Astronomie machen würden. Ihr Gott ist ein großer Geist!

Was halten Sie von Jephta, der seine Tochter schlachtet und 42.000 Juden hinrichten läßt, bloß weil ihre Zunge das Wort Schiloleth nicht aussprechen kann?

Warum wird in Ihrem Neuen Testament das Dogma von der Hölle und der Unsterblichkeit der Seele aufgestellt, während das Alte, an das doch das Neue anschließt, nichts von diesem ekelhaften Unsinn weiß?

Wie wollen Sie die Unsittlichkeit jener hübschen kleinen Erzählung von dem Leviter mildern, der auf seinem Esel nach Gaba kommt und den die Bewohner dieser Stadt im Hintern ficken wollen? Der arme Teufel läßt seine Frau im Stich, um sich aus der Verlegenheit zu ziehen und die Arme stirbt unter den sodomitischen Angriffen. Ich bitte, sagen Sie mir, wozu nützen derartige Niedlichkeiten in einem vom Geist Gottes geleiteten Buche?

Sie müssen mir auch erklären, wieso es möglich ist, daß Simson in seinem Lande, das keinen Wald besitzt, die Getreidefelder der Philister durch Fackeln entzündete, die er an die Schwänze von 300 Füchsen band; da doch Füchse gewöhnlich im Walde wohnen. Dann, wieso er 1000 Philister mit einer Eselskinnbacke erschlagen konnte und wieso aus einem dieser Zähne ein Strahl Wassers entspringen konnte? Sie werden zugestehen, daß man selbst ein wenig Eselskinnbacke sein muß, um ein solchem Märchen zu erfinden oder daran zu glauben.

Dieselbe Aufklärung erbitte ich mir von Ihnen über den wackeren Tobias, der mit offenen Augen schlief und durch den Kot einer Taube erblindete und auch ferner über den Engel, der eigens aus dem Himmelreich herabstieg, um mit Tobias Geld holen zu gehen, das der Jude Gabel dem Vater des Tobias schuldete. Diese Geschichten sind wirklich merkwürdig. Außer dem Märchen vom kleinen Däumling kenne ich nichts Hübscheres.

Nicht ohne Ihre Hilfe aber kann ich mir den heiligen Text erklären, der besagt, daß Judith von Simeon, dem Sohne das Ruben, abstamme, obgleich mach derselben heiligen Schrift Simeon der Bruder Rubens war. Und die heilige Schrift kann doch nicht lügen?

Ich liebe Esther und ich finde es von Aßnerus sehr vernünftig, eine Jüdin zu heiraten und sechs Wochen mit ihr zu schlafen, ohne zu wissen, wer sie ist.

Auch Ihr David macht mir Kummer. Ich sehe mit Aerger in einen solchen Verbrecher einen Ahnherrn Ihres Jesu. Es ist hart für ein Wesen, das sich Gott nennt, seinen Ursprung von einem Mörder, Ehebrecher, Frauenräuber, Syphilitiker und Betrüger, mit einem Wort, von einem Manne herzuleiten, der, wenn ihn unsere europäischen Gesetze erreicht hätten, zwanzigmal gerädert worden wäre.

Wie wollen Sie, bitte, die prachtvollen Versprechungen der jüdischen Propheten mit der dauernden Sklaverei in Einklang bringen,[59] in

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Veröffentlicht / Quelle: 
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. 1906
Prosa in Kategorie: 
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