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bei einem armseligen Abendmahl beging. Er sagte es und so muß es wohl auch sein. Er sprach: Dies Brot, das Ihr sehet, wird mein Fleisch sein und Ihr werdet es als solches verdauen. Nun: Ich bin Gott, so wird also Gott von euch verdaut werden. Folglich wird sich der Schöpfer des Himmels und der Erde in Kot verwandeln, weil ich es gesagt habe. Und man wird seinen Gott essen und entleeren, weil Gott gut ist und allmächtig.
Schließlich gelangt diese niederträchtige Religion auf den Thron. Und ein schwacher, grausamer, unwissender und fanatischer Herrscher beschmutzt mit ihr die beiden Enden der Erde. O, Justine! Welchen Wert haben derartige Gründe für einen urteilenden und philosophisch geübten Geist! Kann der Kluge in diesem Durcheinander von abscheulichen Märchen etwas anderes sehen als eine bewußte Täuschung etlicher Menschen und eine falsche Vertrauensseligkeit der weitaus größeren Anzahl? Wenn Gott gewollt hätte, daß wir seine Religion annehmen und wenn er wirklich allmächtig gewesen wäre, hätte er uns dann seine Gesetze auf so unsinnige Art und Weise mitgeteilt? Hätte er uns dann durch einen verächtlichen Banditen gezeigt, wie wir ihm dienen müssen? Er möge eines Tages, im Mittelpunkt der Sonne mit Flammenschrift das Gesetz aufschreiben, das er wünscht und das er uns geben will: Von einem Ende des Weltalls bis zum anderen würden die Menschen es gleichzeitig lesen können und nun würden sie sich schuldig machen, wenn sie es nicht befolgen würden. Für ihren Unglauben gäbe es keine Entschuldigung mehr. Aber seine Wünsche in einem unbekannten Winkel Asiens laut werden lassen! Als Zuhörer sich das betrügerischeste Volk, als Verkünder sich den unsinnigsten Spitzbuben aussuchen; die Lehre so gut verschleiern, daß man sie nicht verstehen kann; sie nur einigen wenigen Wesen mitteilen und die anderen in Unkenntnis[62] lassen und sie dann nach dafür bestrafen, nein, Justine, das sind unsinnige Grausamkeiten, die nicht danach angetan sind, daß sie uns leiten könnten. Ich möchte tausendmal lieber sterben, als an solche Dinge zu glauben. Es gibt keinen Gott und es gab niemals einen. Nur in den Köpfen von Narren lebte dieses Wahngebilde. Aber – werden Sie mir entgegnen – die Natur ist unfaßbar ohne einen Gott. Nun, dann forschen Sie wie Fénelon nach den winzigsten Teilen im Körper eines Menschen. Schwingen Sie sich in die Lüfte, um den Lauf der Gestirne zu bewundern. Begeistern Sie sich vor Schmetterlingen, Insekten und Polypen, im denen Sie die Größe Gottes zu finden glauben. Aber alle diese Dinger werden, so viel sie auch sagen mögen, niemals die Existenz dieses eingebildeten Wesens beweisen. Sie werden nur beweisen, daß Sie nicht den nötigen Begriff von der ungeheuren Mannigfaltigkeit der Materie und von den Wirkungen der verschiedenen Kombinationen haben können. Sie werden beweisen, daß Sie gar nicht wissen, was die Natur ist, daß Sie keine Ahnung von ihren Kräften haben, wenn Sie sie für unfähig halten, eine Menge von Formen und Wesen zu erzeugen, von denen Ihre Augen, selbst wenn sie mit dem Mikroskop bewaffnet sind, nur den allerkleinsten Teil sehen können.
Man sagt uns würdevoll, daß keine Wirkung ohne Ursache ist, und man wiederholt uns jeden Augenblick, daß die Welt nicht von selbst entstanden ist. Aber das Weltall ist eine Ursache, es ist keine Wirkung, kein Werk: Es ist nicht geschaffen worden, es war immer so, wie wir es sehen. Seine Existenz ist notwendig. Es hat seine Ursache in sich selbst. Die Natur, deren Zweck es ist, zu schaffen und zu erzeugen, bedarf nicht eines unsichtbaren Bewegers. Die Materie bewegt sich kraft ihrer eigenen Energie durch Verschiedenheit der Bewegung oder der Aeußerungen beruht die Verschiedenheit der Materie. Wir unterscheiden Dinge nur durch den Gegensatz. Wie? Sie sehen, daß alles in der Natur in Bewegung ist und Sie wollen glauben, daß die Natur ohne Energie ist? Sie sind so blöd zu glauben, daß dieses All, dessen Wesen es ist, sich zu bewegen, eines Bewegers bedarf? Ueberzeugen Sie sich von dem Gegenteil, daß sich die Materie aus sich selbst bewegt. Kehren Sie von einer eingebildeten Welt in die Wirklichkeit zurück! O, Justine! Wie ich diese Gottesidee verabscheue und hasse! Wenn der Atheismus Märtyrer verlangen wollte, er fände mich mit meinem Blut bereit, zu sterben.
Sagen Ihnen aber Dummköpfe, daß die Moral verloren geht, wenn es keine Religion mehr gibt, dann fragen Sie sie, wozu der Mensch die Moral benötigt, um zufrieden auf der Erde leben zu können. Ich kenne nur eine Moral, und das ist die, sein Glück durchzusetzen und koste es jeden Preis. Die Natur, die uns einsam gebar, befiehlt uns in keiner Weise, unseren Nächsten zu schonen. Wenn wir es doch tun, so geschieht es aus Schlauheit oder besser[63] gesagt, aus Egoismus. Wir fügen den anderen nichts zu, weil wir nicht wollen, daß man uns etwas zufügt. Aber derjenige, der genug stark ist, um nicht eine Vergeltung befürchten zu müssen, wird ruhig Böses tun, weil es keine stärkere Neigung im Menschen gibt als die, zu schaden und zu unterjochen. Diese Regung liegt von Natur aus in uns und nur die Notwendigkeit des gemeinschaftlichen Lebens mildert sie. Aber dieser Zwang, den uns die Zivilisation auferlegt, hindert nicht, daß der Mensch auch weiterhin sein größtes Vergnügen darin findet, alle Gesetze zu übertreten. Ich frage Sie nun, ist es nicht lächerlich, wenn man von uns fordert, die anderen Menschen ebenso zu lieben wie uns selbst? Und erkennt man nicht an der Lächerlichkeit dieses Tauschgeschäftes die ganze Schwäche eines armseligen Gesetzgebers? Was geht mich denn das Schicksal meiner Nächsten an, wenn ich nur vergnügt bin! Was habe ich mit so einem Wesen anderes gemeinsam als die äußere Form? Wenn Sie das Moral nennen, Justine, dann ist Ihre Moral sehr lächerlich, und ich kann mit ihr nur das gleiche tun wie mit Ihrer Religion: sie verachten. Es gibt nur einen vernünftigen Grund, der einen Menschen bestimmen könnte, seine Neigungen und Liebhabereien zu verleugnen: seine Schwäche. Er wird es niemals tun, wenn er der Stärkere ist; woraus ich schließe, daß jedesmal, wenn die Natur meinem Nebenmenschen mehr Macht gegeben hat wie mir, er gut daran tut, mich seinen Neigungen zum Opfer zu bringen. Ebenso wie er sicher