Ungemütlicher Empfang in Sydney

Bild zeigt Willi Grigor
von Willi Grigor

Die ersten zwei Stunden nach unserer Landung in Sydney am 24. Januar 2010 waren, gelinde gesagt, etwas ungewöhnlich. Und das in vierfacher Hinsicht: In der Ankunftshalle, am Taxistand, bei der Taxifahrt zum Stadtteil Dolls Point und der Ankunft in unserer Austauschwohnung für eine Woche.

In Sydneys Stadtteil Dolls Point begann unsere dritte Rundreise durch Australien, diesmal nur zwei Monate, dafür aber zusätzlich einen Monat in Neuseeland.

In der Ankunftshalle
Der Flug von Singapur nach Sydney dauerte ca. acht Stunden. Meine Frau hat die Toilette im Flugzeug nur einmal aufgesucht. Sie tut das nicht so gerne in einem vollen Flugzeug. Sie hat diesbezüglich eine beneidenswerte Unterdrückungsbegabung. "Das mach ich in der Ankunftshalle in Sydney." Auf dem Weg zu dieser wurde man durch diverse Tax-free-shops geschleust, was Nerven kostet wenn man es eilig hat. Als wir endlich in der Halle ankamen, war diese aber so voll von Menschen, dass sie keine Lust hatte, eine Toilette zu suchen und dort vielleicht in einer Schlange stehen zu müssen. Sie verdrängte den Drang. Schnell raus, ins Taxi, zu unserer Wohnung, die nicht so weit vom Flughafen weg war. Dort wartete ganz sicher eine freie und saubere Toilette auf sie. Es ging aber nicht ganz so glatt, es sollte noch an die zwei Stunden dauern, bis sie sich erleichtert hinsetzen konnte.

Am Taxistand
Wir rollten mit unserem Gepäckwagen durch die große Glastür ins Freie, spürten den Temperaturunterschied zu Singapur und winkten, wie im Film, nach einem Taxi, die vorbeifuhren aber nicht anhielten. Erst nach einer Weile sahen wir das Schild, das uns mit Hilfe eines Pfeils zu einem Taxistand dirigierte. Danach brauchten wir nur noch den vielen anderen zu folgen, die dieses Sydney-Taxi-System vielleicht schon kannten. Nach einem kleinen Spaziergang bekamen wir fast einen Schock, als wir die lange Schlange von Reisenden mit Gepäckwagen sahen, die ein Taxi haben wollten. Zum Glück war alles ganz gut organisiert. Die Schlange bewegte sich im Zickzack auf einem engen, mit Stangen markierten Weg auf diesem überdachten Taxistand nach vorn. Ich zählte ca. 200 (!) Gepäckwagen mit im Durchschnitt drei Personen vor uns. Einige hatten nicht nur Koffer, sondern auch übermüdete Kinder auf dem Wägelchen. Andere hatten so große Koffer, dass sie nur schwer durch die 180-Grad-Kurven kamen. Hinter uns wuchs die Schlange weiter an. Es war nicht so, dass keine Taxis kamen, sie kamen am laufenden Band. Es war wohl einfach so, dass wir in einer Peak-hour gelandet sind: Viele Großraumflugzeuge landen innerhalb kurzer Zeit.

Die Taxifahrt
Nach vielleicht 45 Minuten waren wir an der Reihe und hatten prompt Pech. Ein älterer Chauffeur (ein Grieche, wie er uns später erzählte) stieg aus seinem anscheinend noch älteren Taxi, ging nach hinten, öffnete die Kofferraumklappe und hielt sich daran fest, bis ich unser Gepäck verstaut hatte. Der Innenraum des Autos war milde gesagt unsauber und heiß.
Wir fuhren los und ich kontrollierte mit meiner feuchten Handfläche, ob der Kühlluft-Einlass an meiner Seite offen war. Er war offen, aber es kam keine merkbar kühle Luft. Nach einigen Sekunden sahen wir, dass aus dem Lufteinlass des Fahrers Rauch kam, der unangenehm roch. Ich dachte an Feuer und daran, dass meine Frau ihre Blase entleeren musste. Der Fahrer war aber nicht beunruhigt und sagte: "Kein Grund zur Sorge", während er sein Fenster öffnete und die Klimaanlage ausschaltete.

Er bekam von uns die Adresse, 188 Russell Avenue, die er anfahren sollte. Er hatte kein GPS aber wusste angeblich genau, wo er anhalten sollte. Mit Hilfe von Google Earth wusste ich wirklich genau, wie unser Haus an der steilen Kurve und dem gegenüberliegenden kleinen Park, an dem sich ein Sandstrand mit dem zugehörigen Meer anschloss, aussah. Er fuhr mit hoher Geschwindigkeit daran vorbei. Als ich laut "Stopp" rief, reagierte er etwas beleidigt, kehrte um und hielt vor dem Haus. Das Ausladen des Gepäcks erfolgte wie das Einladen: Er hielt die Gepäckraumklappe und ich packte aus. Diesmal erfuhren wir aber, dass er sie halten muss, weil sie sonst runterfallen würde. Ich weiß nicht, ob es in Australien üblich ist Trinkgeld an Taxifahrer zu geben. Wir machen das normalerweise, diesmal aber nicht.
Jetzt war die Toilette nicht mehr weit!

Ankunft in der Wohnung
Aber leider gab es noch eine weitere unerwartete Verzögerung. Die Wohnung lag im Erdgeschoss. Schlüssel hatten wir nicht aber einen Code, den wir früher schon via E-Mail erhalten hatten. Der Eigentümer der Wohnung war nicht da, er wohnt in der Nähe von Brisbane und hat diese Zweitwohnung erst vor einigen Wochen gekauft. Wir gaben den Code ein und waren erleichtert, als wir einen freundlichen Willkommenston hörten, worauf sich die Tür nach innen öffnen ließ. Wir stellten das Gepäck in den Flur, ließen die Tür offen und wollten uns nur kurz in der Wohnung umsehen.
Nach ca. 30 Sekunden begann das Drama: Ein ohrenbetäubendes Alarmsignal setzte ein. Wir waren total überrascht und wussten nicht, was wir tun sollten. Wir hatten keine Informationen über eine Alarmanlage, wussten nicht, was sie aktivierte, während gleichzeitig dieser durchdringende Ton unser Denkvermögen minimierte. Vielleicht kommt ja gleich die Polizei oder ein Hausmeister. Da erinnerten wir uns: Die Frau in der Wohnung nebenan war uns als Hilfsperson angegeben worden, wenn wir Fragen haben sollten. Jetzt hatten wir eine dringende Frage, aber die Dame war nicht zu Hause. Ein Informationsheft sollte in einer Schale in der Küche liegen. Wir fanden die Schale aber kein Heft.
Das Alarmsignal verlor nicht an Lautstärke. Was tun? Kein anderer Nachbar zeigte sich. Da sah ich einen vielleicht 15-jährigen Jungen auf dem Weg vor der Eingangstür. In diesem Alter weiß man einiges. Er war freundlich, fummelte herum hatte aber auch keine Idee. Man gewöhnte sich fast ein bisschen an diesen aufdringlichen Ton. Wir fragten uns, warum sich kein Mensch zeigt. Da sahen wir eine ältere Dame langsam die Treppe herunterkommen. Wir erklärten ihr unsere Situation. Sie wurde unser rettender Engel. Sie kam auf die Idee, dass man vielleicht den Code noch einmal eingeben müsste. Tatsächlich, das Alarmsignal erlosch.
Wir unterhielten uns noch eine Weile mit der netten Dame und gingen dann erleichtert in die Wohnung, um sie uns genauer anzusehen. Meine bessere Hälfte begann in der Toilette.

"Unseren Engel", die freundliche Dame, die im ersten Stock wohnte, sahen wir die ganze Woche nicht. Als wir vor dem Haus auf das Taxi zum Flughafen warteten, kam sie durch die Haustür. Sie war stilvoll gekleidet, sie wollte ihre Tochter besuchen. Wir konnten ihr mitteilen, dass wir vom Wohnungseigentümer erfahren haben, was wir bei der Ankunft falsch gemacht hatten (unsere Version: Was man uns nicht mitgeteilt hatte.): Die Tür muss nach dem Öffnen spätestens nach 29 Sekunden wieder geschlossen sein.

Die obigen, im Grunde doch harmlosen Unannehmlichkeiten gehören zu den relativ wenigen negativen Episoden, die wir in den insgesamt 12 Monaten in ca. 20 Orten in allen Bundesstaaten Australiens und Neuseeland mit Wohnungstausch erlebten. Ich erzähle sie gerne, da ich sonst befürchte, dass man mir meine durchweg euphorisch angehauchten Berichte nicht abnimmt.

© Willi Grigor, 2016 (Rev. 2017)

Link zum kompletten Reisebericht Sydney Dolls Point:
literatpro.de/prosa/231016/au-2010-sydney-dolls-point

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