Ich zog mir das Federbett über den Kopf. Sie hatten wieder Streit. Meine Mutter geiferte und Vater brüllte. Nachts um drei. Mutter hatte ihn abends beim Fremdgehen erwischt. Das Gebrüll steigerte sich und ich verkroch mich immer weiter unter meine Decke. Plötzlich flogen Türen. Vater rannte durch den Flur und schrie, dass er sich jetzt aufhängen wollte. Mutter heulte. Türen flogen wieder. Ruhe. Ich entspannte mich und lauschte in die Nacht. Plötzlich knallte wieder die Türe und Vater rannte die Treppe hinunter. Ein paar Minuten danach meine Mutter. Das Schlachtfeld hatte sich nun in das Wohn- und Esszimmer verlagert. Es flog Geschirr. Mein Vater schrie vor Schmerz. Meine Mutter hastete wieder die Treppe hinauf. Fluchend kam mein Vater hinterher. Er schloss die Schlafzimmertür. Ruhe. Nach ein paar Minuten hörte ich ihn schnarchen. Der Haussegen pendelte sich also wieder auf normal ein.
Ein paar Wochen später stritten sie über das Fernsehprogramm. Vater wollte Fußball sehen und meine Mutter eine Show. Mit wüssten Verunglimpfungen und drohenden Gesten arbeiteten sie sich wieder aneinander ab, bis Fußball und Show vorbei waren. Doch der Konflikt schwelte weiter bis in die Nacht. Nachts, wenn alles schlief, flogen abermals die Fetzen. Türen knallten aus Neue. Die Treppe wurde wieder hoch und runter gerannt. Zwischendurch die Drohung meines Vater, sein Jagdgewehr hervorzuholen und die komplette Familie zu erschießen. Das Geifern meiner Mutter. Und ich unter meinem Federbett zusammengekauert auf den nächsten Morgen wartend.
Auf einer sonntäglichen Ausfahrt wagte meine Mutter, »fahr bitte nicht zu schnell« von sich zu geben. Mein Vater reagierte wie eine entsicherte Handgranate. Aufgrund seiner Körpergröße passte er nicht durchs Schiebedach, sonst wäre er durchgestartet. Dafür hielt er mit dem Auto auf den nächsten Baum zu und teilte uns mit: »Dass war‘s jetzt.« Vom Beifahrersitz versuchte meine Mutter, ins Steuer zu greifen. Das löste eine Eruption von drohenden Äußerungen und Anpöbeleien aus. Leider kein Federbett. Dafür kauerte ich mich auf der Rückbank in eine Ecke. Nach zehn Kilometern war es überstanden.
Monate später spielte ich mit meinem Freund auf der Straße Fußball. Ein Nachbar sagte über unsere Familie zu einem Fremden: »Ja, die Wetzels. Das ist eine ganz nette Familie!«
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