Und dann hatte die gute Fee genug von Schnicks Greueltaten. Schnick aus Schnicknieland war ein außergewöhnlich athletischer Mann. Er lebte gewissenhaft nach den Regeln seines Herrn. Der hatte ihm aufgetragen, den raschesten und zudem sanftesten Tod zu finden. Dafür müsse er entsprechende Mitmenschen suchen, um der Bitte seines Herrn gerecht zu werden. Übrigens war ihm der Herr ganz plötzlich während des mittäglichen Schlafs erschienen in einer weißblitzenden Wolke. Schnick, zuvor ein ungläubiger und wilder Barbar, hatte von nun an einen göttlichen Gefährten namens Schnack. Und da er ihn liebte, war er ihm restlos ergeben.
Er lernte mit Dolch und Degen umzugehen, denn Schnack hatte ihm zugeflüstert, das Trennen des Kopfs vom Torso sei die mildeste Art ins Jenseits zu gelangen. Und wenn er ihn liebt, so liebt er auch die Mitmenschen und so könne er ihnen auf schnelle und barmherzige Art die Reise ins Jenseits ermöglichen. Und er, Schnack, wolle die Köpfe zählen und könne daran Schnicks Liebe und Ergebenheit zu ihm feststellen.
Inzwischen hatte Schnick schon 10x den Degen blitzschnell geschwungen und zielgerecht die Köpfe vom Rumpf gelöst. Die rollten dann mit überraschtem Gesichtsausdruck vor seine Füße. Bei jeder gelungenen Enthauptung schrie Schnick sein "Ehret Schnack!" zur Ehre seines Herrn. Seines Helden und seines Allerhöchsten. "Ehret Schnack!"
Und dann kam sie. Immer schon hatte er die Frauen gefürchtet und, um sie in Schach zu halten, unterdrückt und gedemütigt. Und nun kam sie. Eine Frau. Zudem eine Fee.
Sie war ebenso mächtig wie Schnack und nutzte eine eigene unbekannte Zauberformel, um Schnick in einen anderen Kontinent zu versetzen und dort in einen überdimensionalen schwarzen Käfer zu verwandeln.
Der fand sich wieder in einer ihm unbekannten westlichen Großstadt. Er lag auf dem Rücken, mitten auf der Straße, und strampelte mit seinen acht Beinen. Schnick erstarrte. Acht Beine, auf einem ungelenken Körper, der sich nicht bewegen ließ. Das konnte nur ein Albtraum sein. Sein Kopf, so fremd. Zangen als Arme. Dazu Facettenaugen. Schnicks Schreie? Wer mochte sie hören?
Von Fern Motor- und Rollgeräusche.
Dann eine Frauenstimme: "Was ist das? Siehst du den riesigen Käfer mitten auf der Straße?"
"Ja, komm schnell weiter, das ist ein Ungeheuer", so eine Männerstimme.
"Der strampelt und kommt da nicht weg", die Frauenstimme.
"Komm, schnell", drängt der Mann, "bevor er uns angreift, verletzt oder tötet mit seinen mächtigen Zangen."
"Er tut mir so leid. Er kann sich nicht umdrehen. Das nächste Auto wird ihn plattfahren", so die Frau.
"Mach, was du willst. Ich gehe."
Rasche Schritte entfernen sich. Die Frau spricht noch mehrere Menschen an, die mit sonoren und tiefen Stimmen abwehrend antworten.
Dann eine Frauenstimme, dann noch mindestens dreie, die sich miteinander unterhalten.
"Der arme Käfer. Wir müssen ihn retten." "Und wenn er gefährlich ist und uns angreift?"
"Glaub ich nicht, der wird dankbar sein, dass wir ihm das Leben retten."
"Gut, ich hol die Plane aus dem Auto, wir schieben ihn darauf und zerren ihn zum Straßenrand und dann ins Grüne. Dort richten wir ihn auf. Und dann ist er frei."
Für vier tatkräftige Frauen gibt es kein Problem. Was ihr Geist ersonnen, wird sofort Wirklichkeit.
Und dann fand sich Schnick, der riesenhafte Käfer, am Rande eines angrenzenden Parks. Mit Schwung wurde er auf seine acht Beine gestellt. Und mit all seiner noch verbliebenen Kraft schwang er seine Zange um den Hals seiner Retterin, die ihn aufgerichtet hatte, nahm die zweite Zange hinzu und schnitt im Handumdrehn der Frau den Kopf ab.
"Ehret Schnack!" schrie es in ihm. Ein Jubel machte sich in ihm breit, denn als Käfer brauchte er keine Dolche oder Degen. Die waren ihm sozusagen als Arme angewachsen. "Ehret Schnack!"
Jedoch das Entsetzen im Land war groß. Wieso hatte eine Frau, zudem noch eine gute Fee, diesen mordlüsternen Käfer in das friedliche Land gebracht? War es wirklich die gute Fee? Und Schnick, der Käfer, war nun nicht mehr aufzugreifen und zu bändigen kraft seiner Intelligenz und seiner unbeugsamen Liebe zu Schnack.
Seitdem hatte die Angst Einzug gehalten und der innere Frieden war gestört, denn überall im Land fand man seine Spuren durch entsprechende Greueltaten.
"Ach hätten wir doch nur diesen Käfer nicht gerettet", jammerten die Frauen.
"Warum habt ihr nicht auf uns gehört", schimpften die Männer.
Dann fanden Männer und Frauen im friedlichen Gespräch eine Lösung.
"Wir müssen gemeinsame Wege finden, um das Monster zu finden und von den Zangen zu befreien. Dann erst werden auch wir wieder frei sein von Angst und Wut."
Schuld oder Nichtschuld? Sein oder Nichtsein? Was sollen diese Fragen? Sie ändern nichts am Jetzt. Packen wir's an.
Und hier endet die Geschichte, denn das Ungeheuer wurde noch nicht aufgegriffen, die Menschen sind wachsam geworden und haben ihre Unbekümmertheit verloren. So schützt sich jeder Mensch, so gut er kann und hofft, dass es ihn nicht erwischen möge.
"Ehret Schnack!"
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...
Schnicks Verwandlung - ein Märchen
von Monika Laakes
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- Autorin/Autor: Monika Laakes
- Prosa von Monika Laakes
- Prosakategorie und Thema: Kurzgeschichten & Kurzprosa, Märchen
Kommentare
Ein Märchen ist dies nur - zum Glück!
(In Wahrheit heißt er Schnuck - nicht Schnick ...)
LG Axel
Ja, wer Ungeziefer rettet
hat sich nicht grad weich gebettet!
LG Alf
Ach die schlauen Frauen,
können sich sehr viel versauen
hört auch manchmal auf die Männer
denn auch sie sind Lebenskenner
LG Micha
Drei originelle Kommentare, über die ich geschmunzelt und herzhaft gelacht habe. Danke an Axel mit Schnuck, vielleicht auch Duck?
Und Alf sei Dank, (doppeldeutig lustig) das Lachen hält ja schlank. Ja, Micha, auch der Vierzeiler ist gelungen, denn gemeinsam werden von Mann und Frau um beste Ergebnisse gerungen. Nochmals danke an Euch.
LG Monika
Auch für die Klicks an Klickende ein Merci