Der (f)e(h)lende Kopf

Bild von Alf Glocker
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Wenn wir geradeaus nach vorne schauen, dann erblicken wir? Eine Wand! Ob man mit dem Kopf durch kann, ist noch fraglich ... wir müssten erst mal einen haben. Es sieht jedoch ganz so aus, als wenn wir den verlegt hätten, deshalb sehen wir ja auch die Wand nicht ... an der wir die rosa Brille aufgehängt haben. Die hatten wir, als die Wand noch nicht da war aus einer nie stattfindenden Zukunft gestohlen und sie fest entschlossen auf die Nase gesetzt, auf die Nase am Kopf, den wir jetzt nicht mehr finden können.

Deshalb stolpern wir in der Gegend herum, während uns Ganoven, die wir, des fehlenden Kopfes wegen, nicht erkennen können, alles zwischen die Beine werfen, dessen sie habhaft werden können. Meistens sind es Buchenstäbe (Buchstaben) für ein Orakel. Das Orakel beschäftigt sich mit einer Art Selbsterfüllender Prophezeiung: der Prophezeiung, daß wir vom Erdboden verschwinden sollen, weil ihn jemand besser gebrauchen kann, der ihn noch viel lieber kaputt macht als wir das tun.

Je öfter man uns diese Buchstaben getreu zwischen die Beine wirft (oft sind sie mit Gesetzen verbunden), desto strauchelnder gebärden wir uns. Aber darauf haben die großen Zauberer im Lande der Kopflosen nur gewartet. Ihr Hexentanz mit den Dämonen aus der Schandwelt spricht ganze Bände voller Staben davon. Und dann dieses Geschwätz!! Leider können wir es nicht hören, denn auch dazu bräuchten wir ja einen Kopf – und der liegt leider irgendwo, jetzt unter einem Haufen rosa Brillen begraben, im Sumpf.

Unsere Schuhe werden's wohl auch nicht mehr lange machen – sie sind zu groß, und wer will sich denn die noch anziehen, wenn er keinen Kopf dafür hat?! Das Schlimmste ist, wenn es an unsere Hinrichtung geht und wir können dabei keinen Kopf zum Abschlagen vorweisen, dann blamieren wir uns erst recht. Die Henker lachen uns ja jetzt schon aus ... und schnitzen fleißig an den Buchstaben (des Gesetzes) herum, die uns zu Fall bringen sollen, müssen, werden.

Ein bisschen unheimlich ist das schon – so kopflos durch die Gegend zu hasten und dabei ausgerechnet mit dem Rücken zur Wand zu stehen, durch die wir ursprünglich wollten. In unserem nicht vorhandenen Gesichtsfeld sammeln sich die Ganoven und die Dämonen aus der Schandwelt - zu unseren Füßen sind verschollen, die Köpfe, die Brillen und der Sumpf ... und doch ist da dieses Gefühl des Versinkens. Man spürt es bereits an den Zehen, daß da was Schleimiges ist, in das wir immer tiefer geraten, und wenn wir uns an den Kopf greifen wollen, um uns mittels Haarschopf aus der Misere herausziehen, dann merken wir, daß wir ja gar keinen Kopf haben.

Wie entsetzlich ist dieser Zustand eigentlich? Entsetzlich, oberentsetzlich, oder obergrauenvollentsetzlich? Wir können es nicht einmal sagen, denn der Mund ist uns verboten, genauer gesagt unerreichbar. Auch der befindet sich schließlich in einem Kopf, und wer keinen hat, der erhebt auch keinen Einspruch gegen die Schandwelt die ihm bevorsteht. Aber das hat auch sein Gutes: Denken tut ohnehin meistens weh und das können wir uns sparen. Tasten wir uns durch die Dunkelheit ... eines Tages wird es wieder hell und dann merken wir beim Aufwachen, daß wir schon lange tot sind.

*

Kopflos gegrübelt

Ohne Kopf lebt es sich besser,
drum geben wir ihn gerne her -
doch dazu brauchen wir kein Messer,
wir machen ihn erst völlig leer
und werfen uns den Schweinen vor:
Das ist ein Schlag in das Kontor!

Denn dort sind auch die Köpfe rar -
wie sollt' es anders sein?!
Man rätselt schwer: was ist nun wahr?
Das kann doch keine Absicht sein ...
Allein, wer keinen Kopf besitzt,
der hat die Lösung auch verschwitzt!

Drum tanzen wir den Kopflosschritt
und drehen uns adrett im Kreis,
denn dabei müssen alle mit -
auch der, der wirklich etwas weiß!
Doch wer den Kopf noch sitzen hat,
den machen wir besonders platt!

Der seh' sich vor, der halte fest,
was unhaltbar und dämlich scheint ...
wir schicken ihm dafür die Pest -
und das ist letztlich gut gemeint.
Sonst müssten wir ihn wohl erschlagen!
Verpönt ist's einen Kopf zu tragen.

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Kommentare

03. Dez 2016

Hier finde ich wieder Satire vom Feinsten. Als Krönung das Gedicht - Kopflos gegrübelt. Ach, es ist ja soooooooooooo schön mit einem Schmunzeln den Tag zu beginnen. Danke.
LG Monika

03. Dez 2016

Einst Geist trug Kopf noch unterm Arm -
Geist-los fehlt selbst jener Charme ...

LG Axel

05. Dez 2016

Vielen Dank liebe Freunde!

LG Alf