Lebenskünstler O: Eine ganz blöde Angelegenheit - Page 2

Bild von Klaus Mattes
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es bei ihm sofort, muss man fast nichts machen.
Hab noch die Oberhand, denke ich.

Wie immer, wenn ich glaube, ich hätte die Oberhand, was nicht oft ist, verliebe ich mich in den Kerl. Wie immer stellt es sich als Irrtum raus.
Gönnen würde ich Marc, dass es ihm kommt, wenn ich ihn blase, denn das kann ich gut und ich weiß das. Aber es hat noch kein einziges Mal funktioniert. Dennoch nehme ich Marcs Schwanz schon wieder in den Mund.

Marc sagt: „Hast du zwei Kondome da?“
Schon lange habe ich keine so bizarre Frage gehört. Jeder fragt doch: „Hast du einen Gummi?“

„Mal sehn.“
Ich wuchte mich aus dem Bett und gehe zum Schrank. Weiß schon, dass ich nur ein einziges, nur eins, nur das allerletzte Kondom in diesem Augenblick mein Eigen nennen kann. Und es befindet sich logisch in der Tasche von der Windjacke. Ich hatte es natürlich dabei im Park.
„Ah! Nur dieses eine!“

Auf Ellbogen schaut Marc, wie ich die Verpackung aufpfriemle. Erst so herum, dann anders probiert, dann sitzt es auf dem Steifen eines sehr verdutzten Marcs.

Denn würde dieser einzig verfügbare Gummi über meinen Schwanz gezogen, hätte ich die Absicht einen jungen Athleten zu bumsen je bekundet, dann hätte ich mich auf ein Unterfangen eingelassen, das bei der notorischen Teilnahmslosigkeit meines muskulösen Bisexuellen allzu schnell in Lächerlichkeit hätte wegsacken können. Wäre ich blamabel baden gegangen, wäre das einzige Kondom verschmutzt und vergeudet. Dem jungen Marc wäre die Möglichkeit genommen, nachdem ich schwacher Bock gescheitert, mir im Gegenzug zu weisen, wo der Most von Barthel gehammert wird. Genau, wenn er es nicht länger ausgehalten hätte, hätte Marc es nämlich bestimmt gern selbst ausprobiert gehabt und wäre anschließend überzeugt gewesen, ihm wäre es natürlich gelungen, hätte es ein weiteres Kondom noch gegeben, dieses aber hätte ja ich alter Esel egoistisch an mich gerissen!

Ich mache Hündchen. Marc hat Mühe hineinzukommen. Ich reiche ein Fläschchen Lubrikant. So ist er also drin. Aber es läuft nicht, das merken wir schnell. Eine Zeitlang ist er drin, sein Eifer soll uns Lust erzwingen. Was immer ein Fehler ist, wie ich aus Erfahrung ja weiß. Er vielleicht nicht. Ich helfe etwas nach, merke, dass Marc auf mir hilflos festklebt. Das kommt mir zupass. Aber ich will helfen, gehe mit meinem Gesäß tiefer, vorsichtig, damit er drin bleibt. Hoch, vorsichtig, vorsichtig, als es, indem ich flach auf der Matratze gelegen hatte, um keinen Deut besser gelaufen ist. Marc ist am Zappeln. Aufgeben liegt ihm nicht. Er will nicht der sein, der was nicht schafft.

Dann gibt er auf. Und ich habe es die ganze Zeit kommen sehen. Er steht neben mir auf dem Bett. Auf dem Bett - wie ein zerdrückter Parasit - liegt der glitschige, schrecklich obszön wirkende Gummi.
Eilig sagt Marc: „Tschüss.“

Kaum ist er weg, fällt mir wieder ein, wie er mich auf die Idee angesprochen hatte, nach ihm noch mal zurückzukehren zum Park.

Über den Winter sehe ich ihn nicht.
Kann sein, dass er mal vorbeifährt.
Ich weiß schon nicht mehr, ob der Golf weiß war oder irgendwie hell. Das Kennzeichen habe ich mir nicht gemerkt. Waren zwei Lettern in der Mitte, dann vier Ziffern, wie immer, wenn einer von den Dörfern ist.

Eines Abends bin ich sehr früh. Es ist noch nicht mal zehn. Nasskaltes Wetter. Außer mir ist nur einer da, mit dem ich nichts anfangen will.
Man sagt Hallo und geht sich aus dem Weg.

Die übliche Runde kürze ich zwischendurch ein wenig.
Ein Weglein zwischen Büschen, unsicher wippende Platten auf durchwachsenem Kiesunterbau. Eine Bank steht ganz allein für sich und hinter der Bank kommt Buschwerk, dahinter die Begrenzungsmauer. Das Gebüsch zwischen Bank und Mauer wirkt nachts viel undurchdringlicher, als es ist.

Wenn das da zwei Schwule sind, geht man stumm vorbei, versucht unaufdringlich, aber durchdringend auszumachen, wie sie aussehen, wie alt sie sind. Sind das da keine zwei Schwulen, dann kommen sie mir sofort sehr gefährlich vor, deswegen lasse ich sie von meiner Angst am besten nichts merken. Nicht umdrehen und rennen!
Dort hinten geht es raus, aber der Weg ist weit.
Sie sind zwei. Und sie sind jung und stark.
Schon ist der Erste vorbei, da reißt der Zweite meinen Kragen.
„Was willst du hier?“, faucht er.

Er lässt nicht los, steht seitlich, den Anderen kann ich nicht sehen, hab ihn im Rücken.
Sieht der Bedränger nicht wie Marc aus?
Er hat auch die Stimme von Marc.
„Was soll das jetzt?“, sage ich meine Gedanken auf.

Der von hinten schreit: „Marc! Marc lass gehn!“
Marc schreit: „Was suchst du hier? Du Motherfucker!“

Das Dröhnen ist in meinem Kopf, ich höre mich schreien, außerhalb vom Dröhnen. Ein Knopf springt ab. Nebenan klirrt meine Brille.

Wie von Zauberhand sind die Kerle zwei Meter weg von mir.
Ich plärre wie ein dämlicher Säugling. Man muss mich auf den Kopf geschlagen habe. Etwas stimmt nicht mit mir, die Brille fehlt.

„Hilfe! Hilfe! Polizei! Hilfe! Überfall!“, schreie ich.
Und bin ja schon wieder ganz normal geworden. Und beide Kerle laufen sehr schnell weg.
Auch ich haste einem der Ausgänge zu.
Genau dorthin, woher sie gekommen waren.
Nicht da hin, wo sie hingerannt sind.

Hier steht eine Laterne. Ich bleibe stehen. Der Kopf tut weh. Wirklich ernst kann das nicht sein. Blut nicht. Die Backe brennt.
Doch noch Blut. Aber nicht viel.
Ohne Brille komme ich nicht weit.
Aber ich habe Angst.

Ich gehe raus auf die Straße. Ohne Brille. Ich gehe ins Licht raus. Ich stelle mich auf die Straßenkreuzung.
Es fährt kein einziges Auto.
Das ist natürlich normal in unserer Stadt in diesem Wohngebiet an einem nieseligen Winterabend nach 22 Uhr.

Ich weiß nicht, wie weiter. Sehr langsam fährt ein Auto an mir vorbei.

Da sitzt der eine Schwule von vorhin drin, aus dem Park, den ich nicht haben wollte. Ich rühre mich nicht. Mitten auf der Kreuzung. Er ist vorbei und weg. Ich gehe runter von der Kreuzung.
Ich warte immer noch ab.
Der mit dem Wagen ist den Block abgefahren, fährt weiterhin extrem langsam und noch mal um mich herum.
Ich kann die aufgerissenen Augen sehen. Jetzt verschwindet er.

Als ich glaube, dass schon viel Zeit vergangen ist, gehe ich in den Park.
Ich schleiche mich ins Dunkel.
Ich gehe in die Hocke und leuchte mit meinem Feuerzeug.
Ohne meine Brille bin ich wie blind.
Ich taste den Boden ab. Da

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