Ob es uns gibt, Sie, der Sie diese Zeilen lesen, oder mich, der ich Ihnen das Folgende zumute, ob wir existieren, das ist im Wesentlichen egal. Wir beide sind für die Menschheit nicht so notwendig, dass es uns unbedingt geben müsste – liefe doch alles oder jedenfalls das meiste ohne uns ebenso gut – oder schlecht.
Aber es gibt Menschen, die wichtig sind, die Erfindungen gemacht oder vorbereitet haben oder die durch vielgestaltete Künste ihre Zeitgenossen zu unterhalten und erziehen suchten. Denken wir nur an die Erfinder der ABC-Waffen, mit denen es richtig Spaß macht, Kriege zu führen! (Jedenfalls vom Schreibtische aus … )
Doch der Mann, von dem die Geschichte handelt, machte nicht durch irgendwelche Kompositionen oder Theaterstücke von sich reden, er war vielmehr ein eher nüchterner Zeitgenosse, der allerdings nicht unserer Zeit entstammte – er lebte nämlich im 17. Jahrhundert. Gerade hatte der 30-jährige (Religions-)Krieg durch den Westfälischen Frieden sein berühmtes (und längst überfälliges) Ende gefunden, da wurde in einem kleinen italienischen Städtchen am 9. März 1649 Giovanni Giancarlo Maroni als Sohn eines Straßenkehrers geboren. Bereits im Alter von 10 Jahren trat er die Nachfolge seines Vaters an und eine zeitgenössische Chronik, welche im Giovanni-Giancarlo-Maroni-Museum in seiner Heimatstadt aufliegt, lässt erkennen, dass er seiner Tätigkeit mit solchem Eifer nachging, dass das Stadtviertel, welches ihm zugeteilt worden war, am Ende seiner 61-jährigen Tätigkeit fast einen Meter tiefer als die übrige Stadt lag.
Doch wurde in Giovanni Giancarlo Maroni seinen Mitbürgern nicht nur ein pflichtbewusster Hüter der öffentlichen Sauberkeit geschenkt, sondern auch ein genialer Denker – denn bei seiner eher eintönigen Tätigkeit hatte er Zeit zum Denken. Das Besondere nun ist, dass er arbeitete UND dachte …
Da kam ihm eine Tages gegen 4Uhr morgens die Idee, welche ihm zu einer Berühmtheit verhalf, die sich damals schon – man bedenke die schlechten Nachrichtenverbindungen – eines Umkreises von mehr als 20km erfreute! Neben den üblichen Straßenverschmutzungen, welche auf das Vorhandensein von Hunden, Katzen, Eseln und Kleinkindern schließen ließen, fand er auch zahlreiche Schalen einer Leckerei, die mit den gebratenen Singvögeln aus dem Norden wohl zu konkurrieren wusste, Schalen der seitdem nach ihm benannten Edelkastanien.
Da es für den Laien, wie übrigens bei jeder Wissenschaft, schwierig bis unmöglich ist, die inneren Zusammenhänge selbstständig zu erkennen, geschweige denn die Originaltexte des betreffenden Wissenschaftlers zu studieren, möchte ich Ihnen nun, der ich mich einem langjährigen Studium der „MARONOLOGIA ANTIQUA INVENTATA PRIMA“ unterzogen habe, einen kurzen und leicht verständlichen Abriss über diese, für die gesamte Menschheit in ihrer Bedeutung immer noch unterschätzte Wissenschaft geben …
Dass es Menschen gab, welche die aufgewärmten Edelkastanien gerne zerkauten oder ganz verschluckten – ob mit oder ohne den angebrannten Schalen spielt hier keine Rolle – das war schon zu der Zeit bekannt, in der Dante seine „Göttliche Komödie“ geschrieben hatte. Aber, dass die sterblichen Hüllen jener 'Früchte' nach einem ganz besonderen System die staubigen Straßen verunzierten, dieser weit bedeutendere Umstand wurde erst von Giovanni Giancarlo Maroni entdeckt. Je nach dem Verhältnis der Lage der Fundstellen zur gewöhnlich benutzten Gehbahn, gelang es ihm nun, die Menschheit in verschiedene Klassen einzuteilen.
Es sind dies:
1. die MARONISCHALENMITFRESSER, die ihm am wenigsten Arbeit machten und die er daher besonders liebte. Darunter fielen:
a) die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MITFRESSER
b) die MARONISCHALEN-VERSEHENTLICH-MITVERSCHLUCKER
Und jetzt folgen Vertreter der weniger beliebten Klassen:
2. die MARONISCHALEN-LINKS-WEGWERFER, sowie
3. die MARONISCHALEN-RECHTS-WEGWERFER
und da es ohne Fixierung der Mitte weder „links“ noch „rechts“ gibt, fehlen auch nicht:
4. die MARONISCHALEN-NACH-VORNE-WEGWERFER und
5. die MARONISCHALEN-NACH-HINTEN-WEGWERFER
Diese Gruppen entdeckte Giovanni Giancarlo Maroni und er gab damit den Startschuss für die bereits 50 Jahre nach seinem Tode einsetzende und von da an an zahlreichen Universitäten des In- und Auslandes gepflegte Maroniologie.
Doch musste man seine Entdeckung noch komplizierter machen, war doch Maroni ein relativ schlichter Mann und seine Erkenntnisse klangen einfach nicht ausreichend wissenschaftlich und wie es immer Menschen gibt (und geben wird), die zwar selbst nichts zustande bringen, mangle es ihnen an Fähigkeit oder Initiative, die aber dennoch von bereits Erfundenem gerne zehren, so fanden sich auch damals Professoren – in dieser jungen Wissenschaft war es noch leicht, vorwärts zu kommen – welche bereit waren, Giovanni Giancarlo Maronis Erkenntnisse auszubauen, diese also noch komplizierter, das heißt unverständlicher und damit wissenschaftlicher zu gestalten, um sie einer möglichst großen Bevölkerungsschicht vorenthalten zu können. (Eine ähnliche Entwicklung findet man ja auch im Christentum, waren doch die Jünger keineswegs Akademiker wie unsere heutigen Theologen. Erst dadurch, dass man den Glauben langsam zunehmend verkomplizierte, verdogmatisierte und ihn für immer weniger Menschen dadurch reservierte, konnte man ihn zu einem Machtmittel ausbauen … )
Es ergaben sich somit folgende „Verfeinerungen“ des Giovanni Giancarlo Maronischen Systems:
I. die MARONISCHALENMITFRESSER, darunter fallen
A) die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MITFRESSER sich gliedernd in:
1. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-DES-GESCHMACKS-WEGEN-MITFRESSER und
2. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-AUS-FAULHEIT-SIE-ABZUSCHÄLEN-MITFRESSER
B) die MARONISCHALEN-VERSEHENTLICH-MITVERSCHLUCKER
II. die MARONISCHALEN-LINKS-WEGWERFER, sich teilend in:
A) die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-LINKS-WEGWERFER vertreten durch:
1. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-LINKS-WEGWERFER und
2. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-LINKS-WEGWERFER
B) die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-LINKS-WEGWERFER darunter fallen:
1. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-LINKS-WEGWERFER und
2. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-LINKS-WEGWERFER
III. die MARONISCHALEN-RECHTS-WEGWERFER
A) die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-RECHTS-WEGWERFER sich unterteilend in:
1. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-RECHTS-WEGWERFER und
2. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-RECHTS-WEGWERFER entsprechend folgen:
B) die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-RECHTS-WEGWERFER vertreten durch:
1. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-RECHTS-WEGWERFER und
2. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-RECHTS-WEGWERFER
Die ursprünglich (arab.) 4. Gruppe der MARONISCHALEN-NACH-VORNE-WEGWERFER wurde nun durch die (röm.) IV. Gruppe ersetzt.
Diese lautet:
IV. die MARONISCHALEN-NACH-VORNE-WEGWERFER
A) die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-NACH-VORNE-WEGWERFER sich aufteilend in:
1. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-VORNE-WEGWERFER und
2. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-VORNE-WEGWERFER
B) die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-NACH-VORNE-WEGWERFER hierunter finden sich:
1. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-VORNE-WEGWERFER und
2. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-VORNE-WEGWERFER
Schließlich folgt die klassische 5. Gruppe der MARONISCHALEN-NACH-HINTEN-WEGWERFER:
V. die soeben Genannte, sich wieder gliedern lassend in:
A) die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-NACH-HINTEN-WEGWERFER vertreten durch:
1. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-HINTEN-WEGWERFER und
2. die MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-HINTEN-WEGWERFER
B) die MARONISCHALEN-GELEGENTLCH-NACH-HINTEN-WEGWERFER
1. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-HINTEN-WEGWERFER sowie
2. die MARONISCHALEN-GELEGENTLICH-MIT-DER-RECHTEN-HAND-NACH-HINTEN-WEGWERFER
Diesen klassischen Gruppen gesellten sich im Laufe der Zeit noch feinere Differenzierungen hinzu, sodass man heute beispielsweise von MARONISCHALEN-GRUNDSÄTZLICH-MIT-DER-LINKEN-HAND-NACH-VORNE-x²-ß°-y-INDEX 2-WEGWERFERN in maroniologischen Kreisen spricht, aber auf weitere Unterscheidungen sei in diesem Rahmen, welcher nur einen kleinen Überblick über Maronis Werk geben möchte, nicht eingegangen. Wir würden hierbei noch auf die Giovanni-Giancarlo-Maroni'sche Jaculationstheorie oder die Jaculationskonstante stoßen …
Wichtiger ist es, zu wissen, dass Maronis Idee im Prinzip nichts anderes als die der Völkerverbindung ist. Wie herrlich wäre das Leben, gäbe es unter den Menschen keine Unterschiede mehr bezüglich der Wertung der Hautfarben, Religionen, Weltanschauungen, Geschmacksrichtungen und Parteien ... sondern nur noch Unterschiede in der Art der Maroniverwertung! Ob Sie die Schalen jetzt heimlich, still und leise das Hosenbein an dessen Außenseite hinabgleiten lassen oder ab es das altehrwürdige Loch in Ihrer Hosentasche gestattet, diese innen entlangrutschen zu lassen – dies alles spielt keine Rolle.
Warum gibt es soviel Unfrieden auf der Welt? Giovanni Giancarlo Maroni hat es uns gesagt: Nur deshalb, weil eben die Menschen andere Probleme (zu) haben (glauben) als Maronischalen wegzuwerfen und weil es in vielen Krisengebieten überhaupt keine Edelkastanien gibt.
Daher sei im Namen Maronis die Bitte ausgesprochen: Tragen Sie zur Verbreitung dieser 'Frucht' bei. Sie unterstützen damit nicht nur eine oft zu Unrecht angefochtene Wissenschaft oder das Werk eines Phantasten, sondern den Weltfrieden!
frühe Parabel, Idee und Entwurf: Dezember 1966, fertiggestellt: März 1967, leicht überarbeitet: Juli 2016