Die Wang - Page 3

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dass man Afghanen nicht an der Grenze abwies sondern sie im Iran Asyl beantragen konnten. China mischte auch mit, als Vermittler. Nach dem Bier hatte ich keine Kraft mehr den Laptop hochzufahren um nach Zerstreuung im Netz zu suchen und ging schlafen.

„Was drauf?“
„Hä?“
Ich sass in der Mittagspause auf dem Rasen im Park hinter dem Gebäudekomplex der Organisation und ass meinen Sandwich. Die Sonne schien. Joey hatte sich von hinten angeschlichen.
„Dein Mikro Dingsda … läufts?“
„'paar Telefongespräche. Mit dem Kindermädchen, mit Kollegen. Irgendwelche Interviews, was weiss ich. Nichts weltbewegendes“.
Er stellte sich neben mich und blinzelte in die Sonne.
„Aber es funktioniert?!“
„Jo. Ist ja auch gutes Wetter. Im Herbst wird dem Akku wohl der Saft ausgehen bevor die Solarzellen ihn nachladen können. Dann ist Ende Gelände.“
Er setzte sich neben mich.
„Ich hab mich mal ein bisschen umgehorcht über die Frau Wang.“
„Irgendwas interessantes bei rausgekommen?“, fragte ich und kaute weiter am Weissbrot.
„Sie kommt aus Hong Kong, hat aber einen amerikanischen Pass. War an einer Elite Uni in Amerika hat aber keinen guten Abschluss gemacht.
„Na ist ja toll.“
„Ja, aber rate mal wer Ihr Ex-Mann ist!“
„Du wirst es mir vermutlich gleich sagen!“
„Ihr Ex ist Li Wangxi. Besitzer der drittgrössten Reederei im chinesischen Logistikkonglomerat GlobalCN. Die wickeln einen guten Teil der Schiffslogistik zwischen China und Westeuropa ab. Inklusive Hongkong, Vietnam, Indien und Pakistan. Läuft alles über den Golf von Aden und den Suezkanal ins Mittelmeer.“
„Dann wird sie ja keine Geldsorgen haben, unsere Wendy.“
„Und weisst Du noch was?“
„Na was“, ein Stück Brot klebte hartnäckig unter meinem Gaumen.
„Wenn Du die Reederei mal googlest findest Du das Europol die auf dem Kieker haben, wegen organisierter Kriminalität und Heroinschmuggel. In den letzten zwei Jahren sind drei Ladungen von jeweils einer Tonne Heroin in europäischen Häfen aufgebracht worden. Alle auf Schiffen die Li Wangxi gehören. Interessant was?“
„Mmmmhhmmm. Und, willste die Wang jetzt gleich verhaften oder kann ich meinen Sandwich noch zu Ende essen?“
Joey sah mich beleidigt an.
„Man, Dir ist ja wohl auch alles egal!“
Damit hatte er wohl gar nicht so unrecht.
„Nee, nicht alles. Nur das wogegen ich nichts machen kann.“
Nach einer langen Pause stand er auf und ging.
„Woher weisst Du eigentlich soviel über die Wang?“ rief ich Ihm nach.
„Meine Frau … Personalabteilung“, dann verschwand er im Gebäude.

In der Bahn auf dem Weg nach Hause dachte ich wieder an die Unterhaltung mit Joey. Ich setzte die Kopfhörer auf und arbeitete mich weiter durch die Aufnahmen des Mikros, suchte gezielt nach solchen die sich wie Gespräche zwischen geschiedenen Eheleuten anhörten. Und fand nichts. Es gab nur eine einzige Aufnahme die vielleicht etwas hergab weil sie komplett auf Chinesisch ablief, zwischen einem Mann und Wendy Wang. Es hätte auch Koreanisch, Japanisch, Vietnamesisch oder sonst was sein können. Ich brauchte eine Übersetzung. Am Bahnhof angekommen verliess ich die Station in Richtung Restaurantviertel. Nach ein paar hundert Metern kam ich in den „Garten des Glücks“, bestellte Phô und ein TsingTao und fragte nach Fang Fang. Kurz darauf kam Sie in einem bekleckerten Kittel aus der Küche und lächelte mich an.
„A-lo! Alle gud?
„Hallo Fang Fang. Ja alles gut, danke. Siehst gut aus!“
„Fang Fang ich muss Dich um was bitten. Kannst Du mir beim Übersetzen helfen?“
Sie nickte: „Aba nig vil said. Mus kuche ab-eit“
Sie setzte sich, fasste sich mit beiden Händen an die Stirn und machte einen konzentrierten Gesichtsausdruck. Ich spielte die Aufnahme ab. Nach den ersten paar Sekunden sagte sie
„Kantonesi, ig kaan guud veh-te-hen.“ und lächelte.
Mein Bier kam und ich trank einen Schluck. Als die Aufnahme zuende war sagte Fang Fang:
„Du mi kau-ven ja-min-tee. Ig di sa-gen wa sa-gen Flau un Man!“
Der Jasmin-Tee ging klar und was sie mir dann erklärte verstand ich so: Wendy Wang rief einen Mann an und sagte ihm, das mit der Iranerin war erledigt. Sie sagte, die Amerikaner dachten nun die Idee stamme von Ihr selbst und die Amis würden die Sache als Geschenk an die Iraner bei den Flüchtlingsverhandlungen benutzen. Dann fragte Wendy den Mann ob es Neuigkeiten gäbe, über die Ladung von drei Tonnen Material aus Afghanistan, die auf iranischem Gebiet fest sass und ob die Iraner noch neue Forderungen hatten ausser dem Geld und dem Gefallen mit der Nichte. Der Mann sagte nein. Er sagte das Geld würde von seinen Freunden morgen überwiesen werden und wenn Wendy dass mit der Nichte geregelt hatte, sollte alles laufen wie besprochen. Die geplante Verladung des Materials in Karachi würde sich verzögern und die Ankunft in Piräus auch, aber wenigstens war nicht alles verloren. Der Mann sagte er träfe sich mit seinem iranischen Gegenstück zum Abendessen in der Stadt, Abseits des für die Flüchtlingsverhandlungen angesetzten Dinners, an dem die Delegationen Amerikas, Europas, des Iran und Chinas teilnahmen. Erst danach wüsste er mit Sicherheit ob die Iraner hatten was sie wollten und sie die Ladung für den Weitertransport freigeben würden. Dann fragte Wendy wie es der kleinen Ai Bei ginge und der Mann sagte, dass seine Mutter sich sehr gefreut hatte zum ersten mal Ihre kleine Enkelin im Arm zu halten.

Ich fischte mit den Essstäbchen ein paar Nudeln aus der Fleischbrühe des Phô und versuchte von Fang Fang zu erfahren um was für Material es bei der Lieferung ging, aber sie meinte, dazu hätten die Beiden nichts gesagt. Mir rauchte der Kopf. Ich bedankte mich bei Fang Fang, bestellte noch ein TsingTao und ass zu Ende. Das Nachdenken musste warten.

Am nächsten Morgen war mein Kopf zwar klarer, aber die grosse Einsicht hatte sich ebensowenig eingestellt wie die Entschlossenheit etwas zu tun. Unter dem Bett verstaubten immer noch die ehemals coolen und jetzt alten Elektronik-Gadgets und Frida hatte über Nacht fünf Blätter verloren. Auf dem Weg zur Arbeit durch den Bahnhof gehend sah ich, wie eine dürre, blasse Gestalt mit verfilzten Haaren von Rettungssanitätern aus den Bahnhofstoiletten in einen Krankenwagen getragen wurde. Wahrscheinlich ein Junkie der sich den letzten Schuss hatte setzten wollen. Im Gebäude der Organisation erzählte Joey, die iranische Delegation sei abgereist und den ganzen Vormittag lang verschüttete kein einziger der 1500 Angestellten irgendwo Kaffee, sodass ich mich im Kellerkabuff ungestört mit mir selbst beschäftigen konnte und begann die Kordeln an meinem Wischmopp zu zählen.
Was sollte ich machen? Sollte ich überhaupt etwas machen? Was konnte ich schon ändern? Niemand wusste das, was ich wusste. Nichts zu tun wäre die einfachste Lösung. Nachdem ich alle 243 Kordeln des Mopps einzeln begutachtet hatte, suchte ich mir auf dem Handy die E-Mail von Europol heraus und schrieb eine Nachricht. Ich schrieb von der Möglichkeit einer drei Tonnen Ladung Heroin die von Karachi nach Piräus auf einem Schiff der Reederei Li Wangxi's transportiert werden sollte und die wahrscheinlich diese Woche in Karachi ablegte. Ich schrieb meinen Namen und meine Telefonnumer dazu und schickte die E-Mail ab, mit dem Gefühl,dass es jetzt nicht mehr mein Problem war. Es hielt nur kurze Zeit an.

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Copyright Pip Hartwig 2018 - Ahnlichkeiten mit real existierenden Personen und realen Begebenheiten sind rein zufaellig. Die Geschichte ist frei erfunden.

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