Eine wahre Engels(?)-Geschichte

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Obwohl sich folgende Begebenheit vor circa 17 Jahren abgespielt hat, lebt sie in meiner Erinnerung so zeitlich nah, als hätte sie sich erst kürzlich ereignet. Deshalb verbürge ich mich auch für die absolute Wahrheit des Erzählten, mit der Ausnahme, dass die Ortsnamen aus Diskretionsgründen frei erfunden sind.

Ich unterrichtete damals an zwei Schulorten, an der Grundschule in Haselfels und der Hauptschule in Mitterbach. An jenem Donnerstage war ich zuerst vier Stunden in Haselfels beschäftigt, wobei ich die fünfte und sechste Stunde in Mitterbach zu arbeiten hatte. Nach dorthin machte ich mich in der Pause also auf den Weg, wobei ich unterwegs noch beabsichtigte, zu tanken. Ich stand bereits vor der Tanksäule, als mir einfiel, dass ich tags zuvor einen größeren Einkauf getätigt und deshalb zu wenig Bargeld bei mir hatte, was bedeutete, dass ich am entfernten Schulort Mitterbach noch die dortige Sparkasse aufzusuchen hatte, was – durch die verschobenen Pausen an beiden Dienststellen – zeitlich eigentlich nicht problematisch gewesen wäre.
Dennoch fragte ich mich: „Hat das jetzt auch noch sein müssen?“ Es war eben so, dass die ganzen vergangenen Wochen - sehr sorgenträchtig und reich an Ärgernissen, wie sie sich gezeigt hatten – nicht ohne Wirkung auf mein armes Nervenkostüm geblieben waren und dass deshalb inzwischen schon Kleinigkeiten ausreichten, dieses noch weiter zu zerknittern.
Ich fuhr also wieder los in Richtung Mitterbach. Während der Fahrt hatte ich damit zu tun, nicht ständig in bedrückende Gedanken abzugleiten … „Du musst dich jetzt nur um den Verkehr kümmern, sonst brauchst du dir bald überhaupt keine Sorgen mehr zu machen“, redete ich mir – mich ermahnend – zu. Dabei ertappte ich mich dabei, dass ich dies laut vor mich hingesagt hatte. Ich schüttelte verwundert darüber den Kopf und fügte in Gedanken hinzu: „Ein Wunder ist es nicht nach allem, was derzeitig falsch läuft.“ Ich ergänzte: „Ich bräuchte jetzt dringend irgendeinen Engel!“ Dabei huschte mir ein verzweifeltes Lächeln über mein sorgengrames Gesicht … welch vermessene und verwegene Wünsche ich doch hatte, gerade ich, der überaus kritische Zweifler, Skeptiker und Agnostiker!
Auf der Sparkasse hob ich 600,00DM ab, welche ich beim Entgegennehmen nicht nachzählte, da sie mir der Bankangestellte langsam vorgezählt hatte. Daraufhin setzte ich meinen Weg zur Hauptschule in Mitterbach fort.
Nach Unterrichtsschluss suchte ich wieder die Tankstelle auf. Beim Bezahlen an der Kasse stellte ich fest, dass ich 200,00DM zuviel in der Geldbörse hatte.
Sollte man mir am Schalter der Sparkasse versehentlich 200,00DM „geschenkt“ haben. Nun, ein derartiges „Präsent“ wäre nicht zu verachten gewesen!
Ich fuhr also wieder zur Bank zurück und äußerte dort meinen Verdacht, einen höheren und damit falschen Betrag ausbezahlt bekommen zu haben. Die von mir angeregte Kassenprüfung erbrachte einen Fehlbetrag von 198,80DM. Ich lächelte und entnahm meinem Geldbeutel zwei "blaue Riesen". Der Angestellte, welcher mir das Geld gut zwei Stunden zuvor ausbezahlt hatte, wurde gar nicht damit fertig, sich bei mir zu bedanken …
Seine Freude erleben zu dürfen, hatte auch mir gut getan. Da fiel mir ein, dass ich ja unterwegs den unerfüllbaren, also rein rhetorischen Wunsch nach einem Engel so vor mich hingesagt hatte. Dieser hatte sich mir gegenüber zwar nicht erfüllt, aber eigentlich war dafür MIR die Rolle eines Engels für den jungen Sparkassenmitarbeiter zuteil geworden.
Moral: Wenn man einen Engel braucht, wenn man mit einem zu tun haben will, braucht man ja nur zu versuchen, für andere einer zu sein!

… und wenn die ganze Geschichte nur zufällig so abgelaufen sein sollte? - äußerst eigenartig und auf seltsame Weise beglückend finde ich sie immer noch, weshalb ich sie auch für wert erachtete, niedergeschrieben zu werden.

aus der Erinnerung erzählt am 15. Juli 2016

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