Einfach nur noch auf dem Sofa liegen bleiben. Denn meine Midlife-Crisis hatte ich mit 40. Und zweimal 40 macht 80. Minus meiner knapp 56 Lebensjahre; da bleiben ja nur noch 24. Und 24 Jahre Sofa kriege ich locker hin. Eher trifft doch das Sofa der Schlag, als mich. Eine Stelle ist nämlich schon mächtig tiefer gelegt. Von mir. Die zuständige Feder hat's wohl im Kreuz gekriegt. Jetzt knackt sie, wenn ich mich draufsetz, ächzt wenn ich aufsteh, und macht überhaupt einen untrainierten Eindruck. Das wäre die einseitige Belastung. Sagt meine Gattin. Ja, klar. Das Sofa schreibt mir vor, wo ich sitze. Ich habe das Sofa bezahlt! Nicht umgekehrt. Ich solle nicht so einen Blödsinn erzählen. Sagt meine Gattin. Naja. Irgendwas muss sie ja sagen. Das Sofa knarrzt nur kurz. Das kriegt die Gattin aber nicht hin. Da muss es schon ein ganzer Satz sein. Und meistens in meine Richtung. Dabei will ich doch nur auf dem Sofa liegen. Und dabei die Arme verschränkten. Und Musik hören. Und ab und an einschlummern. Und wieder Musik hören. Dazwischen höchstens mal was essen. Oder ein Glas trinken. Oder scheissen gehen. Aber der Großteil des Tages gehört dem Sofa. Naja. Was gibt's draußen auch zu verpassen? Bei Aldi gibt's schon wieder Steppjacken. Wenn's wenigsten Sofadecken wären! Aber nein, Steppjacken. Zwischen der Wurst und den im Preis reduzierten Waren. Mal wieder. Scheisse auch: bin ich Stepptänzer?! Und den angesengten Kaugummiautomaten in der Hauptstraße hat auch immer noch niemand abmontiert. Der hängt dort schon seit der Wende. Wahrscheinlich hat man dem Hauseigner gesagt, er würde ein Vermögen damit verdienen. So sieht der Herr aber nicht aus. Eher wie ein überzogenes Konto auf Beinen. Seine Hose ist an den Knien so ausgebeult; das kriegste allein in einer Generation gar nicht hin. Wahrscheinlich hat der Kaugummiautomat dann wohl doch nicht so viel abgeworfen. Und irgendwann hat ihn dann jemand angezündet. Da war der Traum von der eigenen Yacht aber endgültig ausgeträumt. Aber was soll ein Thüringer auch mit einer Yacht? Wir haben hier keine weißen Strände. Und wir fressen hier ja auch kein Raffaello. Wir fressen Bratwurst. Und eine Steppjacke hat auch schon jeder. Eine für den Winter. Und eine für den Sommer. Und eine für drinnen auch. Das sollte den Deppen von Aldi mal wer sagen. Naja. Ich mach's nicht. Ich bleibe auf dem Sofa liegen. Und höre Musik. Menschen fern des Sofas machen doch nur Blödsinn. Sie kaufen sich Hunde, die die Gehwege vollscheißen. Als ob der Wolf dafür domestiziert wurde, damit der Mensch sich mit langen Stecken Exkremente aus den Profilen seine Sneaker kratzen kann. Sie regen sich in stundenlangen Nachbarschaftsgesprächen über Zugezogene auf. Und über die Weggezogenen. Denen ziehst du's nie recht. Und stellen sich zum hundertsten Mal Montag und Mittwoch früh um dreiviertel acht bei Aldi wegen Steppjacken an. Klar, man kann man auch auf dem Sofa intellektuell versanden. So schaute ich mir gestern von diesem aus einen Film von Roland Emmerich an. Zehn Minuten vor Schluss kam ich zu selbigen; nämlich das Drecks-TV-Gerät endlich auszuschalten. 100 Minuten Emmerich-Film: da gehen mehr Synapsen flöten, als wenn man sich mit dem Stecken vom Sohlen saubermachen durchs Nasenloch massiv im Hirn rum stochert. Und wenn man dazu überlegt, wie viele Kaugummiautomaten man in dieser Zeit hätte anzünden können! Man darf wirklich nicht drüber nachdenken. Am Besten einfach nur liegen bleiben. Und Musik hören. Laut Schopenhauer ist Musik die Melodie, zu der die Welt der Text ist. Über so einen Satz kann man auf dem Sofa zudem prima nachdenken. Locker 24 Jahre lang. Nur ab und an ächzt das Sofa. Oder die Gattin. Irgendwie halte ich das auch gar nicht mehr auseinander. Ich glaube aber, sie wollte zu Aldi. Wegen Steppjacken. Naja.
Naja
von Lothar Peppel
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