Eine neue Wohnzimmerlampe? Ein neuer Stuhl für die Küche? Ein anderes Sofa? Mit der Zeit verändert sich die ganze Umgebung. Und womit sind die neuen Eindrücke dann verbunden? Was da auftaucht vor unseren Augen, die Holographien, die sich, wie Mittelpunkte unseres persönlichen Universums, aneinanderreihen, sind mit echten Lebensabschnitten verknüpft! Was also will uns die neue Lampe, das nächste Hologramm, im Voraus sagen?
Wird ein Alptraum daraus werden, oder genießen wir die pure Romantik? Wir verändern die Welt und sie verändert uns. So ist das Leben! Es besteht aus einer scheinbar unendlich vorhandenen Reihe von Hologrammen, die auf Holodecks abgespielt werden, um schließlich, als Eindrücke, auf unserer Seele haften zu bleiben. So stellen sich die Epochen dar …
Später wird man einmal sagen: „Das war in der Renaissance“, oder „Das betrifft das Zeitalter der Aufklärung“, vielleicht auch, „Das trug man im Dreißigjährigen Krieg!" Fühlen wir uns in die Dinge ein – sie haben uns viel zu sagen! Sie sind die Zeichen, oder das Gewand einer Ära. Später werden wir dann den Nierentisch mit Doris Day verbinden, Marilyn Monroe mit dem Korea-Krieg, John F. Kennedy mit Marilyns rosarotem Cadillac und Japan mit der Atombombe.
Die Zukunft wirft in allen Dingen ihre Schatten voraus – und die Dinge verschmelzen mit uns zu einer homogenen Einheit, aus deren „Kaffeesatz“ später die „Fachleute“, sprich diejenigen Menschen, die befugt sind, geschichtliche Ereignisse staatskonform auslegen zu dürfen, die Vergangenheit lesen. Und was ist dann aus uns und unseren Dingen geworden? Lügen, die, je nach Bedarf, interpretiert werden müssen?
Was wir, angesichts der neuen Wohnzimmerlampe, wirklich empfunden haben, ist zweitrangig. Sie wird eines Tages wieder erlöschen, wie Josef Stalin, oder Kaiser Hirohito, wie Kaspar Hauser oder 20 Milliarden gewesener Komparsen, die, als bloße Projektionen, ihre Holodecks schmückten, die nur Bühnen für unsere blinden Leidenschaften waren … denn auch wir sind nur Anhängsel!
Wir sind nicht mehr als Beigaben für Chippendale-Möbel, wir treiben uns in sagenumwobenen Gebäuden herum, von denen wir augenblicklich noch annehmen, sie hätten eine praktische Funktion für uns. Dabei verleihen wir ihnen nur das Licht unserer Zeit, damit man sie am Jüngsten Tag auch noch finden kann. Wir und nicht sie sind die Rahmenbedingungen der Ereignisse.
Ja, und auch Dinge haben eine „Erinnerung“. Diese steckt tief in ihrem Material, tief im Messing der Lampe, im Holz der Stühle, im Stein der Häuser und im Stahl der Kanonen, die auf uns gerichtet sind, damit die Dinge kein ewiges Leben erlangen. Doch sie senden uns Funksignale! Rufe aus fernen Regionen der Zeit sind sie: Götterboten! Denn eines Tages werden sie von allem, was mit uns geschah, ein beredtes Zeugnis ablegen.
Sie sprechen zu uns! „Sieh nur, ich, das Ding, die Lampe, der Stuhl, das Haus, werde dich begleiten, wenn du liebst, wenn du dir Sorgen machst, wenn man dich schlägt (geistig oder körperlich), und ich werde dich nicht beschützen können. Aber ich werde dein Heim schmücken, um eines Tages ein ganz bestimmtes Symbol zu sein – die Erinnerung an etwas Schönes, oder an grausame Taten, an einen Menschen, ein liebes Tier, an einen Sieg oder eine Niederlage. Dann wirst du mir einen Wert beimessen!“
Und irgendwer spricht zu uns: „Weine deine Tränen schon jetzt, wenn du dieses oder jene Ding wahrnimmst, oder freue dich auf eine wundervolle Ereigniskette." Beachte, was dir begegnet – nichts ist tot! Es sei denn, du seist es selbst, WEIL du nichts gebührend beachten kannst, weil du dich selbst als einen Diener der „Sachen“ betrachtest, die sachlich auf deinen Wegen stehen, um, mit Sachverstand, behandelt zu werden. Sei doch am besten jetzt schon eine vergangene Epoche, die, noch nicht ablesbar, in der Welt herumgeistert, damit überhaupt etwas geschieht, das irgendein intaktes Bewusstsein – soweit vorhanden – registrieren und entsprechend würdigen kann. Sei ein unwesentliches Glied in einer Kette von gravierenden Umwälzungen!
Kauf dir eine Wohnzimmerlampe, einen neuen Küchenstuhl, einen Schrank, eine Wohnung, einen Ehering und spiel mit. Lerne deine Rolle auswendig, tritt vor, spule dich ab und gib dich zum Besten von Kaspar Hauser. Dschingis Khans Opfer werden es dir im Jenseits danken. Du aber wirst nicht einmal geahnt haben, welcher Geist den Dingen innewohnt, die man dir zu besuchen erlaubt hat, in deinem Netz der Erinnerungen, die für dich so bedeutungslos waren wie du für den Staat, oder sonst ein Hirngespinst, innerhalb der Vorspiegelungen dessen, was allgemein als „Gegenwart“ bezeichnet wird.