Warum Spatzen für mich die wichtigsten Geschöpfe auf der Erde sind

Bild von Johanna Blau
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Heute im Park beim Lesen spazierten die Spatzen auf den frühlingshaft grünen Zweigen umher und tschilpten sich zu.

Heute auf dem Weg nach Hause vom Einkauf, flog so ein Spatz an mir vorbei und mir kam ein Gedanke: Für mich sind Spatzen die wichtigsten Wesen auf der Erde. Es wird nicht einfach sein, das Warum zu erläutern, aber ich werde es in diesem Text versuchen; auch weil heute Weltspatzentag ist, wie ich beim Scrollen in Facebook erfahren durfte, habe ich mich entschlossen diesem Gedanken nachzugehen.

Heute ist ebenso Tag des Glücks, wie meine Eltern am Telefon erzählten, was für mich super zusammen passt: Glück wie Vierblättriger Klee, Fliegenpilz oder halt Spatzentschilpen. Die Frage stellt sich nur, wer diese „Tage des …“ festlegt? Gibt es da ein Komitee, was sich damit beschäftigt? Aber ich schweife ab. Zurück zu den unauffälligen und vielleicht deswegen sehr lauten Haussperlingen, wie sie in der Vogelkunde genannt werden.

Aufgewachsen bin ich in einem Haus mit bröckligem Putz und vielen Ritzen. Prädestiniert für eine Spatzenkolonie. Solange ich hören kann, höre ich ihr Tschilpen also. Schon als Baby im Kinderwagen und auch als kleines Kind. Als Jugendliche hab ich dann oft mit Kopfhörern Musik gehört aber nie, um die Spatzen auszublenden. Das war für mich auch Musik. Musik, die ich hier in Leipzig wieder an einigen Ecken höre. Und ja, das ist dann für mich ein nostalgisches Glücksgefühl an Kindheit mit viel Raum und Zeit.

Ein Dilemma ist es da, dass ich auch Katzen sehr mag, die wie alle wissen Spatzen zum Fressen gern haben. Eine Episode meiner Jugend: Ich sollte Wäsche auf dem Wäscheboden aufhängen. Meine Katzenfreundin Biene wollte unbedingt mitkommen. Ich ließ sie und als ich mit Wäsche aufhängen beschäftigt war, hörte ich auf einmal aufgeregtes Tschilpen. Da kam auch schon Biene angelaufen mit einem toten Spatzenküken im Maul. Ich hatte ein sehr schlechtes Gewissen deswegen, denn ich hatte Eins und Eins nicht zusammen gezählt. Unsere Spatzenkolonie brütete unter dem Dach und vom Dachboden aus war es für eine Katze ein leichtes die Nester zu erreichen. Das war mir aber eine Lehre für die Zukunft und ist mir nicht nochmal passiert.

Warum nun sind diese Vögel mir so wichtig? Das mit der Nostalgie ist vielleicht klar geworden. Des weiteren sind Haussperlinge für mich der Inbegriff der Stadtnatur. Sie sind angewiesen auf Hecken, in denen sie nisten und ruhen können. Sie brauchen Nahrung in Form von Raupen und Samen. Das alles gibt es in einer „aufgeräumten“ Stadt leider nicht mehr. Alles wilde, alle Spielplätze für die Natur sind da schon den Baggern und Neubauten gewichen. Noch ist es in Leipzig nicht ganz still, aber mir fallen umso mehr die Inseln der Spatzen auf, die noch übrig geblieben sind. Und es wird gebaut und gebaut.

Warum ich das so schlimm finde? Ich finde das schlimm, weil ich mich nicht als Krone der Schöpfung ansehe. Als Mensch sehe ich mich nicht über anderen Lebewesen stehen. Ich versuche auch danach zu leben, was sehr schwer fällt, wenn ich mir vor allem meinen Speiseplan anschaue. Ich will auch nicht predigen. Ich will versuchen, verständlich darzulegen, warum mein Leben nicht wertvoller ist als das eines Spatzen, was meine vollste Überzeugung ist. Und dann erkläre ich sogar, warum er für mich wichtiger ist als meine eigene Spezies, wie die Überschrift ja provokanter weise ausdrückt.

Es gibt Lebewesen auf der Erde, die schon so lange existieren als Art, sich immer weiter entwickeln bis hin zur Perfektion. Der Mensch gehört für mich sicher nicht zu diesen Lebenwesen; Bakterien, Viren oder Pilze, sind da schon näher dran. Zugegeben sie haben auch Vorsprung was die Zeit angeht, in der sie sich entwickeln konnten. Überhaupt, wenn ich daran denke, wie großspurig die Spezies Mensch von sich denkt, dann ist da wohl ein riesiger Minderwertigkeitskomplex am Start. Da muss an Evolutionsjahren einiges kompensiert werden mit hoher Denkleistung, Bewusstseinswerdung und vielen, vielen positiven Mantras. Oder anders ausgedrückt: Größenwahn.

Wie soll das auch anders sein, wenn mensch sich sogar seiner nächsten Verwandtschaft den Affen schämt? Lange Zeit wollten wir diese Verwandtschaft ja auch nicht anerkennen und es gibt immer noch genug Vertreter von Homo Sapiens, für die die Erde eine Scheibe ist, sieben Tage lange im größten Pizzasteinofen des Universums von Gott gebacken. Da hat so was wie Evolution keinen Platz und die Menschen haben von Papa ja auch den Freifahrtschein bekommen über die Erde zu herrschen, sie sich Untertan zu machen und sie dann, wie ein spielendes Kind das Kinderzimmer, zu verwüsten. Nicht mein Weltbild!

Mein Weltbild hat viel mehr mit einem Kreis zu tun als mit einem nach oben spitzen Dreieck. Ich meine Kreis im Sinne von dem „Circle of Life“. In dieser Grafik sind wir eine ganz kleine Nummer, wenn auch unser „Impact“ verheerend ist. Und in diesem Kreis des Lebens sehe ich auch dass Spatzen schon so einiges überlebt haben. Wie andere Vögel sind sie die Nachfahren von den Dinosauriern. Sie hatten Zeit so geniale Sachen wie Federn zu entwickeln und fliegen zu lernen. (Achtung „Flugneid“ nicht ausgeschlossen.) Sie haben sich wie Wolf und Katze entschieden in der Nähe des Menschen zu leben. Wobei sie wohl wiederum mehr mit Katzen gemein haben, die auch gut ohne Menschen auskommen können, wenn es denn drauf ankommt.

Und nun sind auch diese Tiere, die solange so gut überlebt haben am Verschwinden. Diesen Spruch von Einstein oder Maurice Materlinck finde ich sehr passend: „Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen“. Für mich und auf Spatzen übertragen heißt das: „Wenn die Spatzen aus meinem Leben verschwinden, geht mit ihnen für immer auch meine geistige Gesundheit.“ Und da mir diese sehr wichtig ist und ich auch schon weiß, wie es sich ohne anfühlt, sind mir Spatzen wichtiger als ich selbst es bin.

JB-20-März-2019

Interne Verweise

Kommentare

20. Mär 2019

Hab's bei den NABU-Vogelzählungen festgestellt:
Sehr klein wird sie, die Spatzen-Welt ...

LG Axel

22. Mär 2019

So traurig. Danke für deinen Kommentar, Axel.
Liebe Grüße aus der Buchmessestadt, Johanna